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Bundestag reformiert Wahlrecht

Bernd Gräßler21. Februar 2013

Bei der Bundestagswahl im Herbst wird ein neues Wahlrecht gelten. Es soll für eine gerechtere und verfassungsgemäße Sitzverteilung sorgen. Experten warnen vor einer zahlenmäßigen Aufblähung des Parlaments.

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Eine Hand steckt einen Simmzettel in die Wahlurne (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Mit den Stimmen aller Fraktionen außer der Linken hat der Bundestag wenige Monate vor Ende seiner Legislaturperiode das Wahlrecht verändert. Die Reform wird schon bei der Bundestagswahl am 22. September dafür sorgen, dass die Verteilung der Parlamentssitze besser der tatsächlichen Stärke der Parteien entspricht. Die Zweitstimme des Wählers, die sogenannte "Parteistimme", wird im Verhältnis zur personalisierten Erststimme, die der Wähler einem Direktkandidaten aus seinem Wahlkreis geben kann, wieder aufgewertet.

Zwar gilt weiterhin, dass alle Kandidaten, die ein Direktmandat erringen, einen Sitz im Parlament sicher haben. Neu ist künftig: Wenn eine Partei mehr Direktkandidaten ins Parlament bringt, als ihr eigentlich durch die Zweitstimmen der Wähler zustehen, dann erhalten künftig die anderen Parteien "Ausgleichsmandate". Im Ergebnis entspricht die Sitzverteilung im Bundestag künftig genau dem jeweiligen Anteil an "Parteistimmen", das heißt Zweitstimmen der Wähler. Das hatte vor allem die SPD gefordert.

Union und FDP lange Zeit gegen eine Reform

Im derzeitigen Bundestag hat die CDU dank ihrer hohen Zahl an gewonnenen Direktmandaten aus den Wahlkreisen 24 Sitze mehr, als ihr eigentlich als Partei zustehen würden. Während in einigen Landtagen der Ausgleich solcher "Überhangmandate" bereits üblich ist, wehrten sich vor allem die Union und die FDP lange Zeit gegen die gleiche Regelung für den Bundestag.

Als Folge der nun beschlossenen Reform könnte der Bundestag zahlenmäßig beträchtlich anwachsen. Hätte man das neue Wahlrecht bereits bei der Bundestagswahl 2009 angewandt, würden dem Bundestag heute 671 statt 622 Abgeordnete angehören. Wahlrechtsexperten warnen vor einer "nicht vorhersehbaren Aufblähung" des Parlaments, der Bund der Steuerzahler befürchtet zweistellige Millionenkosten. Die Linkspartei lehnt das Gesetz mit dieser Begründung ab. Dagegen verweisen Politiker der anderen Parteien darauf, dass Deutschland im Verhältnis zu seiner Einwohnerzahl immer noch das - nach Spanien - kleinste Parlament Europas hat.

Um die drohende übermäßige Vergrößerung des Parlaments zu verhindern, wird bereits jetzt in Berlin über die Möglichkeit diskutiert, die Zahl der Wahlkreise und damit die Zahl der Direktmandate zu verringern. Eine solche Veränderung der Wahlkreise wäre allerdings aus Zeitgründen nicht mehr vor der Bundestagswahl im Herbst möglich.

Opposition fordert mehr Wahlrecht für Ausländer

Der Anstoß für die Veränderung des Bundeswahlgesetzes kam vom Bundesverfassungsgericht. Es identifizierte die sogenannten "Überhangmandate" als Quelle für einen besonders paradoxen Effekt des komplizierten deutschen Wahlrechts: Unter bestimmten Umständen können mehr Stimmen für eine Partei zu weniger Mandaten führen. Dieses "negative Stimmgewicht" sei grundgesetzwidrig, befanden die Richter.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Michael Grosse-Brömer, hofft, dass es "für lange Zeit die letzte Wahlrechtsreform" ist. Dagegen nutzten Sozialdemokraten, Grüne und Linke die Debatte, um weitere Veränderungen am deutschen Wahlrecht zu fordern. So müsste künftig auch Analphabeten die Teilnahme an Wahlen ermöglicht werden, sagte der SPD-Politiker Thomas Oppermann.

SPD, Grüne und Linke wollen bei Kommunalwahlen nicht nur Bürgern aus der Europäischen Union, sondern allen in Deutschland wohnhaften Ausländer das Wahlrecht gewähren. Die Linke möchte sogar, dass alle Ausländer, die mehr als fünf Jahre in Deutschland leben, bei Landtags- und Bundestagswahlen wählen dürfen. Entsprechende Anträge wurden von der Regierungsmehrheit abgelehnt. Vor drei Wochen hatte der Bundestag bereits auf Veranlassung der Verfassungsrichter das Wahlrecht für Auslandsdeutsche erleichtert.