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Bei der Bundestagswahl signalisieren Umfragen ein knappes Rennen.

19. September 2009

Was vor Wochen kaum für möglich gehalten worden wäre, scheint Realität zu werden: Der Ausgang der Bundestagswahl ist nach den letzten Umfrageergebnissen wieder offen.

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SPD- und CDU-Wahlplakate (Foto: AP)
Bild: AP

Eine Woche vor der Wahl am 27. September 2009 weisen Meinungsumfragen steigende Werte für die SPD und stagnierende Prozentzahlen für die Union aus. Die Zahlen für die kleineren Parteien sind leicht rückläufig. Gleichzeitig verweisen die Meinungsforscher auf die große Zahl von Unentschlossenen, die noch nicht wissen, wo sie ihr Kreuzchen machen werden. Ihre Entscheidungen können die Wahlprognosen noch einmal kräftig durcheinander bringen. Der Start-Ziel-Sieg des schwarz-gelben Lagers ist nach den letzten Umfragen vor dem Wahltag in Gefahr geraten.

SPD und Steinmeier legen zu

Der SPD-Kanzlerkandidat und Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier Mitte Juni 2009 während des SPD-Bundesparteitages. (Foto:dpa)
SPD-Kanzlerkandidat und Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier wähnt sich nach den letzten Umfragen im Aufwind. Eine "Mehrheit für schwarz-gelb" - so propagiert er unaufhörlich - "wird es nicht geben!" Aber die vielen unentschlossenen Wählerinnen und Wähler können seinem Optimismus noch einen erheblichen Dämpfer versetzen.Bild: dpa

Im ARD-Deutschlandtrend erreicht die SPD ihren besten Wert seit Mai und wird auf 26 Prozent geschätzt. Das ist immer noch weit hinter der Union und rund neun Prozentpunkte weniger als vor vier Jahren. Die Union verharrt bei 35 Prozent und kann mit den Liberalen noch auf eine knappe Mehrheit von 49 gegen 47 Prozent des rot-rot-grünen Lagers hoffen. Ähnliche Werte ermittelt das ZDF-Politbarometer, bei dem die Union 36, die SPD 25, die FDP 13, die Linke 11 und die Grünen 10 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen können. Während die Union hier – wenn auch knapp – mit der FDP vorne liegt, ist das beim Meinungsforschungsinstitut Emnid anders. Hier ergeben die letzten Umfrageergebnisse ein Patt: Union und FDP erreichen ebenso 48 Prozent wie SPD, Linke und Grüne zusammen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel während der Auftaktveranstaltung der CDU für die Bundestagswahl. Parteimitglieder applaudieren der Kanzlerin. (Foto:AP)
Nach dem TV-Duell gegen ihren Herausforderer Frank-Walter Steinmeier hat Angela Merkel in den Umfragen ein wenig eingebüßt. Ein kleiner Vorsprung ist ihr aber geblieben.Bild: AP

Für diesen Stimmungswandel könnte das TV-Duell verantwortlich sein, bei dem sich Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier am 13. September gegenüber gestanden haben. Das von vier Fernsehstationen gleichzeitig ausgestrahlte Duell hat mehr als 14 Millionen Menschen erreicht und bei einigen offenbar einen Mobilisierungseffekt vor allem für die SPD ausgelöst. Es ist dem Herausforderer Frank–Walter Steinmeier wohl besser als Angela Merkel gelungen, mit seinen Themen bei den Zuschauern durchzudringen.

Das merkt man auch bei der theoretischen Frage nach der Direktwahl des Kanzlers. Zwar führt Angela Merkel gegenüber dem amtierenden Außenminister, aber ihr Vorsprung ist deutlich geringer geworden. Lag sie Ende August noch mit satten 40 Punkten vor dem Herausforderer, sind es am 18.09.2009 nur noch 27. Steinmeier ist es im TV-Duell also offenbar gelungen, sich als kompetenter Sachwalter deutscher Interessen zu präsentieren.

Bundeskanzlerin Angela Merkel und Herausforderer Frank-Walter Steinmeier am 13. September 2009 während des TV-Duells. (Foto:ARD)
Mehr als 14 Millionen Menschen haben das TV-Duell zwischen Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier verfolgt. Dem Herausforderer ist es offenbar gelungen, potenzielle SPD-Wähler zu mobilisieren: Er holt in Umfragen auf.Bild: AP

Themen entscheiden

Auch wenn viele Kritiker einen langweiligen und nahezu inhaltsleeren Wahlkampf bemängeln und als Beleg dafür nehmen, dass Union und SPD am liebsten die Große Koalition fortsetzen möchten, scheinen dennoch Inhalte und Themen den Wahlausgang mehr als alles andere zu beeinflussen. Das spiegelt sich auch im so genannten "Ethik–Monitor" wieder. In Zusammenarbeit mit der Zeppelin-Universität in Friedrichshafen wurden 1000 Personen nach den Inhalten und den Topthemen des Wahlkampfs befragt.

Ein Gewerkschaftsmitglied steht vor einem Plakat des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in Berlin. Mit dem Plakat wirbt der DGB für den Mindestlohn. (Foto:AP)
Streitthema Mindestlohn: SPD will ihn flächendeckend, die Union nur in ausgewählten Branchen.Bild: AP

Das Ergebnis ist eindeutig: Die SPD hat die Nase vorn. Union und FDP landen auf dem zweiten Platz. Damit scheint klar, dass nicht ein Harmonie-Wahlkampf, sondern die ernsthafte und sachgerechte Auseinandersetzung mit strittigen politischen Themen erwünscht ist. Der SPD-Spitzenkandidat ist diesem Anspruch besonders bei den Themen "Mindestlohn" und "Regulierung der Finanzmärkte" gerecht geworden. Sollte sich dieser Trend in der letzten Woche vor der Wahl bestätigen oder sogar noch vertiefen, könnte das entscheidend für den Ausgang der Wahl sein - glaubt der Politikwissenschaftler Joachim Behnke von der Zeppelin Universität.

"Überhangmandate" könnten entscheiden

Entscheidend könnten in diesem Jahr auch die so genannten "Überhangmandate" sein. Diese werden einer Partei dann zugeschlagen, wenn sie in einem Bundesland mehr Direktmandate erzielt, als ihr nach dem Anteil der Zweitstimmen eigentlich zustehen. Einige Wahlforscher gehen derzeit davon aus, dass Union und FDP wegen einiger "Überhangmandate" auch dann eine Mehrheit bekommen und regieren könnten, wenn sie weniger als 50 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat bisher einen eher zurückhaltenden Wahlkampf geführt. Die Abteilung "Attacke" ist nicht ihre Sache. Nicht zuletzt deshalb rumort es in der Union. Einige Landesfürsten fordern ein klareres wirtschaftspolitisches Profil. Sie befürchten, dass eine Wahlkampfstrategie, die allein auf das Halten des Ergebnisses aus ist, zum Sieg bei der Bundestagswahl nicht reichen wird. Aber es könnte auch bei der gleichzeitig stattfindenden Landtagswahl in Schleswig-Holstein zu einem Ergebnis kommen, mit dem die CDU-Wahlstrategen nicht gerechnet haben.

Gleichzeitig Landtagswahlen

Portraitfotos des schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen und Herausforderer Ralf Stegner (hinten).
Schleswig-Holstein: Ministerpräsident Peter Harry Carstensen und sein Herausforderer Ralf Stegner (hinten).Bild: AP

Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident, Peter Harry Carstensen, hatte Neuwahlen für das nördlichste Bundesland herbeigeführt, weil er die Zusammenarbeit mit der SPD schnellstens beenden wollte. Er strebt - wie auf Bundesebene – ein schwarz-gelbes Bündnis mit der FDP an. Aber sein Traum könnte platzen, denn auch im Land zwischen den Meeren schwindet die Zustimmung für das bürgerliche Lager, während die SPD ihr bestes Ergebnis seit Monaten einfahren kann. Die Sozialdemokraten werden auf 27 Prozent, die Grünen auf 12 und die Linke auf sieben Prozent taxiert. Auf Grund der Besonderheit des Wahlrechts in Schleswig-Holstein gilt die Fünf-Prozent-Hürde nicht für den "Südschleswigschen Wählerverband". Er kann auch mit weniger Prozentpunkten in den Kieler Landtag einziehen. Damit haben diese vier Parteien zusammen 50 Prozent und könnten ein schwarz-gelbes Bündnis verhindern.

Der SPD-Ministerpräsident Matthias Platzeck iliegt in den Umfragen eindeutig vorne. (Foto:AP)
Liegt in Brandenburg eindeutig in Führung: Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD).Bild: AP

Anders ist die Lage in Brandenburg, wo ebenfalls am 27. September ein neuer Landtag gewählt wird. Dort erreicht Ministerpräsident Matthias Platzeck seit Monaten hohe Zustimmungswerte und die SPD liegt stabil bei 32 Prozent. Die Linke landet mit 27 Prozent dahinter und lässt die CDU mit etwa 22 Prozent hinter sich. Amtsinhaber Matthias Platzeck befindet sich also – vermutlich – in der komfortablen Situation, zwischen der rot-schwarzen und einer rot-roten Option wählen zu können. (hel/HF/dpa/ap/afp)