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Bundeswehr soll in den Anti-IS-Einsatz ziehen

26. November 2015

Die Bundesregierung vollzieht im Kampf gegen die Terrormiliz IS eine dramatische Kehrtwende: Deutschland will sich nun militärisch am Syrien-Einsatz beteiligen - auch ohne UN-Mandat.

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Frank-Walter Steinmeier und Ursula von der Leyen
Bild: Reuters/H. Hanschke

Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen hat die geplante Beteiligung Deutschlands am Militäreinsatz gegen die Dschihadistenorganisation "Islamischer Staat" (IS) zum Schutz der Bevölkerung in Syrien gerechtfertigt. Die Regierung habe "schwere, aber richtige und notwendige Schritte beschlossen", sagte die Ministerin nach Sondersitzungen der Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und SPD in Berlin. Jeder wisse aber, "dass dieses menschenverachtende Wüten jederzeit auch uns" treffen könne. Dem IS müsse die ideologische Grundlage entzogen werden.

Deutschland werde zur Unterstützung Frankreichs unter anderem Tornado-Aufklärungsflugzeuge der Bundeswehr zur Verfügung stellen. Zudem will Deutschland für den Kampf gegen den IS auch Tankflugzeuge und eine Fregatte bereitstellen. "Wir alle wissen, dass Militär einen Konflikt nicht befrieden kann", erklärte von der Leyen. "Dabei ist es wichtig, dem IS die ideologische Grundlage zu entziehen. Aber als erstes brauchen wir militärische Mittel, um den IS zu besiegen."

Glaubwürdige Zusammenarbeit

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier verteidigte das militärische Eingreifen der Bundeswehr in den Kampf gegen die IS-Miliz. "Wir haben nicht nur Mitgefühl, wir haben auch Solidarität zum Ausdruck gebracht", sagte Steinmeier. "Es wäre keine gute Geste von der deutschen Seite, wenn wir nicht auch Glaubwürdigkeit bewahren würden." Mit den Möglichkeiten, die man Frankreich zur Verfügung stelle, bewege sich die Bundesregierung auf einer tragfähigen völkerrechtlichen Rechtsgrundlage, bekräftigte Steinmeier, auch ohne UN-Mandat.

Die deutsche Fregatte soll den französischen Flugzeugträger "Charles de Gaulle" absichern, den die Franzosen ins östliche Mittelmeer geschickt haben. Die Tankflugzeuge könnten neben den Aufklärungs-"Tornados" der Bundeswehr auch Kampfjets der Anti-IS-Koalition in der Luft betanken. Damit können diese dann deutlich längere Einsätze fliegen. Insgesamt sollen vier bis sechs Aufklärungs-"Tornados" zum Einsatz kommen. Mit dem Aufklärungssystem "RECCELite" können sie hochauflösende Infrarot- und Fotoaufnahmen auch bei Nacht und schlechtem Wetter anfertigen und in Echtzeit an eine Bodenstation übertragen. Deutschland könnte damit Zieldaten liefern für die Luftangriffe der internationalen Koalition.

Mehrere deutsche Aufklärungsflugzeuge des Typs "Recce" fliegen in Formation. (Foto: picture-alliance/Photoshot)
Aufklärungsflugzeuge des Typs "Recce" könnten bald in Syrien fliegenBild: picture-alliance/Photoshot

Beratungen des Bundestags kommende Woche

Die Bundestagsberatungen über das notwendige Mandat für den Einsatz sollen schon kommende Woche beginnen. Es wird erwartet, dass es eine Sondersitzung des Kabinetts zu den Einsatzplänen vor dem regulären Termin am Mittwoch geben wird. Ob das Parlament bereits in der kommenden Woche endgültig grünes Licht gibt, ist unklar. Ein Mandat der Vereinten Nationen gibt es für den Einsatz nicht. Aus Regierungskreisen hieß es, ein solches Mandat sei angesichts der harten ablehnenden Haltung Russlands auch unrealistisch. Der Luftkrieg gegen den IS wird bisher von den USA, Frankreich, Großbritannien, Russland und arabischen Staaten geführt. An direkten Angriffen gegen IS-Stellungen in Syrien und Irak, ist Deutschland bisher nicht beteiligt.

Verteidigungsministerin von der Leyen hatte bereits eine Entlastung der Franzosen durch eine Ausweitung der Bundeswehreinsätze im westafrikanischen Mali und im Irak zugesagt. Im Irak bilden deutsche Soldaten die kurdischen Peschmerga-Kämpfer für den Kampf gegen den IS aus, der auch mit deutschen Waffen geführt wird. Das ist der bisher wichtigste deutsche Beitrag im Kampf gegen den IS. Die Bundesregierung wollte sich eigentlich darauf beschränken.

Offensiver Kampfeinsatz nach Kosovo und Afghanistan

Die Terrorserie in Paris vor zwei Wochen hat die Haltung aber verändert. Der französische Präsident François Hollande hatte sich bei einem Treffen mit Merkel ein stärkeres Engagement Deutschlands gewünscht. Merkel hatte Frankreich "jedwede Unterstützung" und Beistand im Kampf gegen die IS-Milizen versprochen und zugesagt, Deutschland werde "sehr schnell" auf französische Anfragen reagieren.

Mit einer Beteiligung an den Luftangriffen wäre die Bundeswehr erst zum dritten Mal in ihrer Geschichte in einen offensiven Kampfeinsatz - also die aktive Bekämpfung eines Gegners - involviert. Im Kosovo-Krieg bombardierten deutsche "Tornados" serbische Luftabwehrstellungen. Im Afghanistan bekämpfte die Bundeswehr in offensiven Operationen die radikalislamischen Taliban am Boden. Der Kampfauftrag dort lief aber Ende 2014 aus.

Kritik von Parteifreunden und Opposition

Der SPD-Verteidigungspolitiker Rainer Arnold betonte, auch der Einsatz von Aufklärungstornados wäre "ein Beitrag zum aktiven Kampf, da brauchen wir nicht herumreden". Es mache "ethisch keinen Unterschied, ob man Ziele definiert oder die Ziele bekämpft", sagte er im Saarländischen Rundfunk.

Unterschiedliche Einschätzungen gibt es bei der Opposition aber zu der Frage, ob für einen Tornado-Einsatz ein UN-Mandat nötig wäre. Arnold hält ein solches Mandat nicht für zwingend. "Ein UN-Mandat wäre besser, aber es gibt ja aus der letzten Woche eine Resolution der Vereinten Nationen und die Selbstverpflichtung der Europäer, den Partnern beizustehen. Beides zusammen ist tragfähig", sagte der SPD-Politiker.

Die Linke warnte vor einer Verstärkung der Terrorgefahr in Deutschland durch ein Eingreifen der Bundeswehr in den Anti-IS-Kampf. "Dass Deutschland jetzt seinerseits in diese militärische Eskalation einsteigen will, wird den Konflikt nicht eindämmen und die Dynamik in der Entwicklung des militanten Islamismus nicht stoppen", sagte Parteichef Bernd Riexinger. Deutschland rücke dadurch stärker in den Fokus dieser Gewalttäter. Die Grünen stellen klare Bedingungen für eine militärische Beteiligung Deutschlands. "Da geht es um Aufklärungsfähigkeiten. Das kann Deutschland. Eine Voraussetzung wäre aber auf jeden Fall, dass man eine internationale Koalition und vor allem ein UN-Mandat hätte", sagte der Verteidigungsexperte Tobias Lindner.

pab/qu (afp, dpa)