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Burkina Faso: Bildung im "Land der aufrechten Männer" -

5. April 2006

Nur rund 40 Prozent der Kinder besuchen in Burkina Faso die Grundschule. 70 Prozent der Burkiner können weder lesen noch schreiben. Trotzdem gibt es in einem der ärmsten Länder der Welt Bildungsprojekte, die Mut machen.

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Auf dem Land ist Improvisation gefragt ...Bild: Arsenijevic

Eine alte verrostete LKW-Felge dient als Schulglocke. In der Grundschule von Barkuy Tinga, einem kleinen Dorf 50 Kilometer nördlich der Hauptstadt Ouagadougou, ist Improvisation gefragt. Viel zu viele Schüler sitzen in den drei viel zu engen Klassenzimmern, ohne Strom und ohne Wasser - damit kann der Lehrer Oumar Nombré gut leben. Aber dass die Schüler ihn nicht verstehen, ist ein echtes Problem.

Sprachbarriere

Nombrés Schüler sprechen im Alltag Moore, eine der rund 60 Sprachen des Landes. Der Unterricht findet aber in der offiziellen Landessprache, in Französisch statt. „Das Niveau ist hier sehr, sehr niedrig", sagt Nombré "und sobald sie hier raus sind, sprechen die Kinder wieder in ihrer Muttersprache." Ohne Zeitungen, Radio oder Fernsehen auf Französisch bleibt die Sprache ein Fremdkörper - und eine Barriere, die den Weg zu den weiterführenden Schulen versperrt.

Spracherweiterung

Hundert Kilometer weiter nördlich hat Adama Traoré dafür eine Lösung parat. In Zorgho unterrichten die Lehrer in den ersten drei Grundschuljahren gleichzeitig in Moore und in Französisch. Das Modell heißt "Satelliten-Schule" und wurde 1995 unter der Schirmherrschaft von Unicef ins Leben gerufen. Adama Traoré vom Bildungsministerium leitet das Projekt. "Dieses neue System wollen jetzt alle haben und wir kommen gar nicht nach", sagt er. Bis 2010 sollen 3000 neue Satelliten-Schulen entstehen.

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So schöne Schulen wie die in Gando sind seltenBild: dpa

Bankrotterklärung

Am größten Gymnasium des Landes in Ouagadougou blättert der Putz von den Wänden ab. Der Boden ist mit Abfall übersät. Der Französischlehrer Mamadou Barro bahnt sich einen Weg über Papierschnipsel und Zigarettenstummel, mitten durch die Schülermassen. "Wir nennen das hier die Volksrepublik China", sagt er lachend. Und dann - in ernsterem Ton - redet er über die Schmiergelder für Minister, Abgeordnete und Institutsleiter: "Was man denen in den letzten Jahren an Geldern zugesteckt hat - da kann man wohl kaum behaupten, dass kein Geld da ist." Es gibt nicht viele weiterführende Schulen im Land. Aber die, die es gibt, sind voller Schüler und ohne Finanzkraft.

Ausbilden für die Arbeitslosigkeit

Die wenigsten von den kaum ein Prozent Schülern, die die Sekundarstufe schaffen, wollen nach der Schule an eine der beiden Unis im Land. Denn dort ist das Geld noch knapper als am Gymnasium, und die Berufsaussichten sind mau. "Ich bin mir sicher, dass wenn wir hier rauskommen, wir viel schlechtere Chancen haben als diejenigen, die von privaten Berufsschulen kommen", sagt Benjamin. Er studiert Wirtschaftswissenschaften an der Uni in Ouagadougou und steht gerade vor den Job-Gesuchen am schwarzen Brett. Der Germanistikprofessor Jean-Claude Naba formuliert es brutaler: "Ja, wir bilden für die Arbeitslosigkeit aus", sagt er.

Ausbilden nach Maß

Wer die Chance auf einen Job erhöhen will, wählt eine Ausbildung jenseits des staatlichen Angebots. Private Berufsschulen boomen in Burkina Faso. Madame Ouattara ist das sehr Recht. Die resolute Mittvierzigerin bringt 50 Mädchen und Jungen mit mittlerer Reife das Schneidern oder Modedesign bei. Zwischen 175 und 250 Euro pro Jahr bezahlen die Schüler für ihre Ausbildung in der Schneiderschule. Madame Outtara legt Wert auf Praxis. Denn die hat sie in ihrer eigenen Schneiderausbildung vermisst "Ich war sechs Monate lang bei einem Schneider und konnte danach nicht mal einen Knopf annähen", erinnert sie sich.

Ausbilden nach deutschem Vorbild

Praxis und Theorie zu verbinden - das ist auch das Credo des Berufsbildungszentrums in der Wirtschaftsmetropole Bobo Dioulasso. Nach dem deutschen Vorbild des dualen Systems werden hier junge Automechaniker und Elektrotechniker drei Jahre lang in Schule und Betrieben ausgebildet - "Perfekt" findet Dieudonné Caompaoré. Er betreut die Lehrlinge in einer Autowerkstatt. Die meisten haben eine Chance, nach der Lehre übernommen zu werden. Ein Modell, das Schule machen könnte im "Land der aufrechten Männer" - wie Burkina Faso in der Landessprache heißt.