1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Bush und Hu Jintao: Globale Rivalen und Partner

Rainer Sollich14. September 2005

Das wegen "Katrina" verschobene Treffen zwischen US-Präsident Bush und Chinas Präsident Hu Jintao soll während des UN-Gipfels stattfinden. Gesprächsstoff gibt es schließlich reichlich.

https://p.dw.com/p/7AXP
Austausch von Höflichkeiten: Bush und Wen Jiabao vor zwei JahrenBild: AP

Bis vor wenigen Jahren noch war der Tonfall zwischen China und USA häufig gereizt - vor allem auf chinesischer Seite. Fast regelmäßig gab es in Chinas staatlich kontrollierten Medien anti-amerikanische Propaganda-Wellen. Doch seit in Peking die neue jüngere Führungsmannschaft unter Präsident Hu Jintao regiert, ist der Tonfall auffallend diplomatischer geworden. Chinas Premier Wen Jiabao war schon Ende 2003 in Washington - und fand bei damaligen seinem Treffen mit US-Präsident George W. Bush viele freundliche Worte. Deutlicher als manche europäischen Politiker setzt Bush sich gegenüber China immer wieder für die Wahrung der Menschenrechte ein. Doch auch er pflegt den diplomatischen Ton.

In Wirklichkeit stehen sich beide Länder - trotz Kooperation in vielen Bereichen - zunehmend als Konkurrenten gegenüber. Nicht nur westliche Medien sprechen inzwischen von einem "Duell der Giganten": Auf der einen Seite die aufstrebende Großmacht China, die sich nach einem Jahrhundert der kolonialen Demütigungen und mehreren Jahrzehnten kommunistischer Misswirtschaft anschickt, endlich wirklich ein mächtiges "Reich der Mitte" zu werden. Und auf der anderen Seite die USA als nach wie vor unumstrittene Supermacht Nummer 1, die sich jedoch langfristig um ihr globales Machtmonopol sorgt. Und das vor allem wegen China.

Abhängige Rivalen

Bush selbst hatte im Wahlkampf im Jahr 2000 noch offen erklärt, China sei nicht "Partner", sondern "Konkurrent". Auch wenn er dies heute öffentlich so nicht mehr sagen würde: Schon ein Blick auf die Wirtschaftbeziehungen macht deutlich, dass das Verhältnis beider Länder tatsächlich zunehmend von Rivalität geprägt ist - verbunden freilich mit einem hohen Grad an gegenseitiger Abhängigkeit.

UNOCAL Bohrplattform
Übernahmeschlacht um Ölfirma UnocalBild: AP

Die USA verzeichneten gegenüber China zuletzt ein Handelsdefizit von über 160 Milliarden Dollar - Tendenz: weiter steigend. Chinas wirtschaftlicher Aufstieg kostet auch in den USA immer mehr Jobs und könnte mittelfristig ganze Branchen aussterben lassen. Unternehmen aus China gehen längst auch in den USA auf Einkaufstour und haben sich Ende 2004 bereits die Computersparte von IBM einverleibt. Eine Übernahme des Öl-Giganten Unocal konnte gerade noch per Gesetz verhindert werden. Und schließlich treibt Chinas gewaltig ansteigender Rohstoffverbrauch die Weltmarktpreise in die Höhe und lässt beide Länder um die Gunst von Lieferantenländern buhlen. Wobei China hier immer öfter in einer vorteilhaften Ausgangssituation ist, weil es bei nahöstlichen und afrikanischen Handelspartnern nicht auf die Einhaltung von Demokratie- oder Menschenrechtsstandards pocht. Es hält sie ja auch selbst nicht ein.

Umzingelungsstrategie und Taiwan-Frage

Auch in geo-strategischer Hinsicht eifern beide Länder schon länger um eine Vormachtstellung - insbesondere im asiatisch-pazifischen Raum. In China betrachtet man die hohe Militärpräsenz der USA in Ost- und Zentralasien mit großer Skepsis und wittert eine Art "Umzingelungsstrategie". In den USA wiederum beäugt man sorgenvoll Chinas wachsenden Einfluss in den asiatischen Nachbarländern und insbesondere Pekings stetig wachsenden Militärhaushalt. Unmittelbar bedroht fühlen muss sich davon vor allem der amerikanische Verbündete Taiwan.

China Taiwan Plakat Volkskongress
Chinesisches Propaganda-Poster mit Aufruf zur "Befreiung Taiwans"Bild: AP

Der international nicht anerkannte Inselstaat wird von China als abtrünnige Provinz betrachtet und soll laut Pekinger Gesetzeslage notfalls auch mit militärischer Gewalt von der Ausrufung staatlicher Eigenständigkeit abgehalten werden. In diesem Falle wären die USA jedoch gesetzlich sogar verpflichtet, Taiwan Beistand zu leisten, wie US-Präsident Bush immer wieder betont hat: "Unsere Nation wird Taiwan helfen sich zu verteidigen".

Gemeinsame Anti-Terror-Allianz

So oder ähnlich hat Bush es mehrfach auch den Chinesen selbst in aller Deutlichkeit erklärt. Allerdings können weder er noch Peking ein Interesse an einer Eskalation des Konflikts haben. Zu viel stünde auf dem Spiel - und zwar nicht nur militärisch oder wirtschaftlich. Denn auch wenn China laut einer Umfrage von 40 Prozent der Amerikaner als "ernstes Problem" und von 14 Prozent sogar als "Gegner" betrachtet wird - außen- und sicherheitspolitisch ist der immer mächtiger werdende Rivale China zugleich einer der wichtigsten Kooperationspartner Washingtons.

Peking hatte sich nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 bereitwillig in die internationale Anti-Terror-Front eingereiht - auch um unter diesem Deckmantel Eigenständigkeitsbestrebungen der muslimischen Uiguren in Westchina bekämpfen zu können. Und vor allem setzten die USA im Streit um Nordkoreas Atomprogramm in hohem Maße auf Kooperation mit Peking. Dort finden seit Dienstag (13.9.2005) wieder Sechs-Länder-Gespräche über Pjöngjangs Atomprogramm statt. Hier auf Peking zu bauen, hat aus amerikanischer Perspektive durchaus Logik: Die aufstrebende Großmacht China verfügt nämlich nicht nur über traditionell gute Beziehungen zu Pjöngjang. China ist auch das einzige Land, das Nordkorea im Ernstfall mit Sanktionen wirklich schmerzhaft unter Druck setzen könnte.