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Bushs Blitzbesuch in Bagdad

Rainer Sollich28. November 2003

Als erster US-Präsident hat Bush am Donnerstag (27.11.) überraschend den Irak besucht. Nur zweieinhalb Stunden dauerte die streng-geheime Aktion. Der Trip nach Bagdad: ein genialer PR-Coup - oder Zeichen von Schwäche?

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Von den Umständen her erinnert der Blitzbesuch des amerikanischen Präsidenten in Bagdad an jene Art von Nacht- und Nebelaktionen, mit denen sonst in Drittweltländern gestürzte Staatschefs außer Landes gebracht werden: Der Präsident verlässt in einem unauffälligen Wagen seine Ranch, die Medien sind weitgehend ahnungslos, die wenigen Eingeweihten zum Schweigen verdammt. Und dann in Bagdad: die Landung im Schutze der Dunkelheit; alle Lichter an Bord sind ausgeschaltet. Aus Sicherheitsgründen - weil jederzeit Anschläge zu befürchten sind.

Innenpolitischer Erfolg des Besuchs ist sicher

Den triumphalen Einzug eines Siegers stellt man sich so ganz gewiss nicht vor. Und trotzdem: George W. Bush wird den Überraschungsbesuch in Bagdad als Erfolg verbuchen können - jedenfalls innenpolitisch. Denn die Bilder vom tatkräftigen Präsidenten bei der Truppe, sein kumpelhaftes Auftreten bei Thanksgiving-Truthahn und Süßkartoffeln,
sein Pathos, seine patriotischen Siegerparolen und auch sein Mut, überhaupt nach Bagdad zu kommen - all dies dürfte man ihm daheim in den USA hoch anrechnen. Keine Frage: Angesichts des näher rückenden Wahlkampfes und der abnehmenden Zustimmungsrate zum amerikanischen
Irak-Einsatz war der Kurztrip nach Bagdad ein genialer PR-Coup.

Amerika wird weiterkämpfen

Und die Botschaft des amerikanischen Präsidenten war tatsächlich beeindruckend unmissverständlich - kurz zusammengefasst: Amerika hat diesen Krieg begonnen, Amerika hat eine Mission - und deshalb wird Amerika so lange weiterkämpfen, bis dieser Krieg endgültig gewonnen ist. Das sind die üblichen Durchhalte-Parolen, gewiss. Aber dieser Präsident macht nicht den Eindruck, als seien es bloß
Floskeln. Auf einen schnellen Rückzug der USA aus dem Irak oder auf ein Einstellen des internationalen Anti-Terror-Kampfes jedenfalls werden einstweilen weder alte Saddam-Anhänger noch fanatische Islamisten hoffen dürfen.

Denn eines darf nicht vergessen werden: Entgegen weit verbreiteter Vermutungen führt Amerika seinen internationalen Feldzug gegen Terrorismus und so genannte "Schurkenstaaten" nicht nur aus wirtschaftlichen Motiven. Die USA führen diesen Krieg nach eigenem Selbstverständnis auch gegen die Bedrohung ihrer Sicherheit. Und um die eigene Sicherheit hat sich auch Bush in Bagdad zu Recht gesorgt. Schließlich ist es erst einen Monat her, dass dort ein Anschlag auf den amerikanische Vize-Außenminister Paul Wolfowitz verübt wurde. Eine Attacke, die ihn beinahe das Leben gekostet hätte.

USA bekommen die Lage im Irak nicht unter Kontrolle

Die Geheimhaltung von Bushs Blitzvisite ist deswegen kein Zeichen von Schwäche, sondern Ausdruck einer realistischen Einschätzung des Gefahren-Potenzials. Was allerdings trotzdem bezeichnend für das bisherige Desaster der amerikanischen Nachkriegspolitik im Irak ist. Allein dass seit dem offiziellen Ende der Hauptkampfhandlungen Anfang Mai mehr als 180 US-Soldaten getötet wurden, zeigt: Die USA bekommen die Lage im Irak bislang definitiv nicht unter Kontrolle. Wohl inszenierte PR-Trips allein werden daran nichts ändern können.