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Einschränkungen für Anti-Terror-Datei

24. April 2013

Das Bundesverfassungsgericht hat die umstrittene Antiterrordatei grundsätzlich gebilligt, aber auch Nachbesserungen angemahnt. Dazu gaben die Richter der Bundesregierung bis Ende 2014 Zeit.

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Bundesverfassungsgericht bei Urteilsverkündigung (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Zur Begründung heißt es in dem Urteil des 1. Senats, der Terrorismus richte sich gegen "das Gemeinwesen als Ganzes". Weil solche Angriffe aber nicht als "Krieg" aufgefasst werden dürften, seien sie "mit den Mitteln des Rechtsstaats zu bekämpfen". Terrorismus habe insoweit ein "erhebliches Gewicht", die Einrichtung einer solchen Verbunddatei sei deshalb zulässig. Zudem sei der Eingrifff in die Bürgerrechte nicht so schwer, da in einer solchen Datei vor allem bereits erhobene Daten ausgetauscht würden. Ähnlich hatte die Bundesregierung in der mündlichen Verhandlung im November 2012 argumentiert.

In der Antiterrordatei speichern Geheimdienste und Polizei seit 2007 gemeinsam Daten über islamistische Terrorverdächtige und deren Unterstützer. Registriert werden aber auch - meist völlig ahnungslose - Kontaktpersonen, etwa Nachbarn, Verwandte oder Kollegen. Mittlerweile sind in der Datei fast 17.000 Personen erfasst. Ihre Einrichtung war eine Konsequenz aus den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den USA.

Nachbesserungen im Detail nötig

Derzeit haben 38 Sicherheitsbehörden Zugriff auf die kurz ATD genannte Datei, darunter das Bundeskriminalamt, der Verfassungsschutz, der Bundesnachrichtendienst, der Militärische Abschirmdienst sowie die 16 Landeskriminalämter. Diese Zusammenarbeit, so die Karlsruher Richter, sei grundsätzlich zulässig. Es seien aber Nachbesserungen im Detail erforderlich. Dazu gab das höchste deutsche Gericht dem Getzgeber Zeit bis Ende 2014.

Antiterrordatei muss nachgebessert werden

Der Kläger, ein pensionierter Richter, hatte in dieser Zusammenarbeit einen Verstoß gegen das Trennungsgebot von Polizei und Geheimdiensten gesehen. So könnten die Geheimdienste schon bei einem Anfangsverdacht auf "verfassungsfeindliche Bestrebungen" ohne richterliche Erlaubnis Telefone und Bankkonten überwachen sowie Briefe und E-Mails mitlesen. Die Polizei hat diese Befugnisse nicht, erhält aber über die ATD Zugang zu diesen Daten. Außerdem sieht der Kläger sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt.

In der Antiterrordatei werden neben den Grunddaten der Personen auch eine Vielzahl weiterer Daten gespeichert, darunter Fotos, besondere körperliche Merkmale, Telefonnummern, Internetadressen, Waffenbesitz, aber auch Ausbildung, Beruf oder Daten zu besuchten Orten oder Gebieten. Allerdings erfahren auch unbescholtene Bürger, die zufällig Kontakt zu Islamisten hatten oder haben, nicht, welche Daten über sie gespeichert sind. Sie können sich deshalb auch nicht dagegen wehren.

Bundesregierung erleichtert

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) zeigte sich zufrieden mit dem Urteil. "Ich glaube, dass wir insgesamt sehr froh sein können, dass die Verfassungsmäßigkeit dieses Gesetzes bestätigt wurde", sagte Friedrich in Berlin. Die vom Gericht geforderten Nachbesserungen würden sorgfältig geprüft und umgesetzt.

Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) bezeichnete das Urteil als wegweisend für eine größere Transparenz im Anti-Terrorkampf. Allein die Zahl der in der Datei erfassten Menschen zeige, wie notwendig rechtsstaatliche Korrekturen seien.

Schaar mahnt vorausschauende Gesetzgebung an

Auch der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar begrüßte das Urteil. Die Richter hätten seinen "Bedenken und Anregungen in vollem Umfang Rechnung getragen", sagte Schaar in Berlin. Er hob hervor, dass das wegweisende Urteil "speziell den Umgang mit den nicht terrorverdächtigen Kontaktpersonen" beanstande. Er lobte zudem, dass Karlsruhe den weit gefassten Kreis zugangsberechtigter Behörden sowie das Fehlen einer unabhängigen Datenschutzkontrolle moniert habe. "Ich wünsche mir, dass der Gesetzgeber in Zukunft die Verhältnismäßigkeit von Grundrechtseingriffen schon bei der Formulierung von Gesetzen erwägt", sagte er.

Bei der mündlichen Verhandlung hatte sich der teilweise Erfolg der Klage angedeutet. Das Urteil könnte auch Auswirkungen auf die 2012 eingeführte Rechtsextremismus-Datei haben, die nach demselben Muster funktioniert.

gmf/se/kle (afp, dpa)