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Wo sind die Juncker-Verbündeten?

Christoph Hasselbach27. Juni 2014

Der frühere Europaabgeordnete und Fraktionsvorsitzende Martin Callanan von den britischen Konservativen ärgert sich, dass Premierminister David Cameron beim Gipfel allein stand.

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David Cameron und Jean-Claude Juncker (Foto: dpa - Bildfunk)
Ist Juncker (rechts) der richtige Mann? Premierminister Cameron hat ZweifelBild: picture-alliance/dpa

DW: Herr Callanan, sind Sie überrascht, wie isoliert David Cameron hier beim Gipfel war?

Martin Callanan: Ich finde es enttäuschend. Für David Cameron ist es aber besonders überraschend, dass eine ganze Reihe anderer Politiker - einschließlich Bundeskanzlerin Angela Merkel - ebenfalls Zweifel an Juncker haben, dann aber öffentlich sagen, dass sie für ihn stimmen. Das finde ich sehr merkwürdig.

Warum ist das denn so? Haben diese Politiker Angst, ihre Zweifel an der Juncker-Nominierung offen zu äußern?

Das weiß ich nicht. Ich habe jedenfalls noch keinen begeisterten Juncker-Unterstützer gefunden. Er scheint der kleinste gemeinsame Nenner zu sein, so dass alle mit den Schultern zucken und sagen, wir können mit ihm leben. Aber der Kommissionspräsident ist ein wichtiger Posten. Wir wollen jemanden, der Reformen anpackt, damit Europa besser funktioniert. Dafür ist Juncker der falsche Mann.

Wäre es denn ein Ausgleich, wenn Großbritannien einen anderen wichtigen Posten bekäme, vielleicht wieder den des Außenbeauftragten?

Das müssen natürlich die Regierungen entscheiden. Wir würden uns aber eher ein wirtschaftliches Ressort wünschen, eins, bei dem man ernsthafte Reformen in der EU auf den Weg bringen kann. Ich glaube, das europäische Außenamt galt im Vereinigten Königreich bisher nicht viel.

Der britische Politiker Martin Callanan spricht im April 2014 im EU-Parlament
"Juncker scheint der kleinste gemeinsame Nenner zu sein": Martin CallananBild: European Union 2014 - EP

Wäre es im Rückblick nicht klüger gewesen, wenn die britischen Konservativen im Europaparlament in der EVP-Fraktion geblieben wären? Dann hätten sie innerhalb der Fraktion versuchen können, dass ein anderer als Juncker Spitzenkandidat wird.

Das ist ein weitverbreitetes Missverständnis. Wir gehörten zwar zur EVP-Fraktion im Europaparlament, aber wir waren nie Teil der transnationalen europäischen Volkspartei. Und warum gehörten wir nie dazu? Weil wir nicht mit der politischen Richtung einverstanden waren. Unsere Vorstellungen von Europa sind ganz andere. Das heißt, wir hätten nie an einem solchen Prozess teilnehmen können, weil wir nie dazugehörten.

Glauben Sie, dass die jetzige Situation Großbritannien näher an einen EU-Austritt bringt?

Die Briten werden sehen, dass britische Ansichten, britische Interessen, britische Wähler wieder einmal übergangen werden. Und sie werden ihre Schlussfolgerungen daraus ziehen. Und dann kommt es darauf an, was Juncker tut. Wenn er Europa reformiert und das ändert, was die Leute an der EU so ärgerlich finden, könnten die Briten in einem Referendum bereit sein, für den Verbleib in der EU zu stimmen. Wenn nicht, wird das Gegenteil passieren.

Wenn Großbritannien wirklich der EU den Rücken kehrte, wäre das für Sie persönlich eine Tragödie?

Das Wort Tragödie klingt mir zu dramatisch. Das Leben würde weitergehen. Ich bin sicher, die EU würde überleben, und das Vereinigte Königreich würde auch überleben. Ich bin sicher, wir hätten immer noch gute Beziehungen. Die Deutschen würden auch bestimmt weiter nach Großbritannien reisen, und die Briten würden weiterhin zum Oktoberfest nach München fahren.

Der britische Konservative Martin Callanan war bis zur Europawahl Fraktionsvorsitzender der Europäischen Konservativen und Reformisten.