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Politische Aufarbeitung der Krawalle

15. August 2011

Großbritannien fragt nach den Ursachen für die jüngsten Krawalle in mehreren Städten. Premierminister Cameron gibt Antworten: Schuld seien der moralische Zerfall, Schulen ohne Disziplin und die Faulheit vieler Bürger.

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David Cameron bei einer Rede (Foto: ap/dapd)
Ein Premierminister muss sich selbst überprüfen: David CameronBild: dapd

Nach den schwersten Krawallen, die Großbritannien seit vielen Jahren erlebt hat, beginnt jetzt die politische Aufarbeitung dieses Geschehens. Premierminister David Cameron hielt am Montag (15.08.2011) eine Grundsatzrede in einem Jugendzentrum in Oxfordshire. In Großbritannien habe sich über Generationen und in "Zeitlupe" ein "moralischer Zusammenbruch" von Teilen des Landes ereignet, sagte der konservative Regierungschef dort.

Gründe: Mangelnde Disziplin und Faulheit

David Cameron spricht vor einem Graffiti (Foto: ap, dpad)
Cameron klagt: Moralischer Zerfall, Schule ohne Disziplin, FaulheitBild: dapd

Die Ursache für einen Großteil der Krawalle sieht Cameron in "purer Kriminalität". "Diese Krawalle hatten nichts mit Rassismus zu tun", sagte er. "Diese Krawalle hatten nichts mit Sparmaßnahmen der Regierung zu tun." Das Problem sei auch nicht Armut. Die Randalierer hätten "pure Gleichgültigkeit gegenüber richtig und falsch" gezeigt. Und sie hätten "verquere moralische Normen", erklärte Cameron.

Schuld am moralischen Niedergang von Teilen der Bevölkerung seien unter anderem deren Verantwortungslosigkeit und Egoismus. Ein Problem sei es zudem, dass es zu viele "Kinder ohne Väter" und "Schulen ohne Disziplin" gebe sowie eine Kultur der Faulheit, konstatierte der Premierminister. Dem Staat und seinen Behörden warf er vor, "einige der schlimmsten Seiten der menschlichen Natur" über Jahrzehnte toleriert, mit Nachsicht behandelt und begünstigt zu haben.

Englische Polizisten in Uniform (Archivfoto: dpa)
Die Polizei fühlt sich ungerecht behandelt von der RegierungBild: picture alliance/dpa

Streit um Sparmaßnahmen bei Polizei

Cameron kündigte an, seine Regierungspolitik auf den Prüfstand zu stellen und die "gebrochene Gesellschaft" zu reparieren. Deshalb sollten unter anderem die Bildungs- und Gesundheitspolitik unter die Lupe genommen werden. Zugleich werde auch kompromisslos gegen Straßengangs und Randalierer vorgegangen.

Cameron betonte noch einmal, die Kürzungen bei der Polizei würden wie geplant vorgenommen. Gespart werden müsse bei der Bürokratie. Die Zahl der Polizisten, die auf der Straße im Einsatz seien, bleibe weiterhin hoch genug.

Bereits am Wochenende hatte der Premier eine Taktik der "Null Toleranz" nach US-Vorbild gefordert. Als Berater rekrutierte er den amerikanischen Ex-Polizeichef Bill Bratton. Cameron verbreiterte mit diesem Vorgehen den Graben zwischen Politik und Polizei, der sich infolge der Krawalle auftat. Hochrangige Polizeioffiziere und selbst Politiker der Regierungskoalition kritisierten Camerons Linie.

Opposition kritisiert "reflexartiges" Regierungsverhalten

Auch Oppositionsführer Ed Miliband hielt am Montag eine Rede zu den Krawallen und konstatierte eine "Wertekrise" des Landes. Der Labour-Chef warf Cameron vor, nur "reflexartig" mit Scheinlösungen auf die Probleme zu reagieren. Armut und soziale Benachteiligung spielten bei den Geschehnissen der vergangenen Woche durchaus eine große Rolle. Cameron habe Angst, diesen Gründen für den sozialen Zusammenbruch ins Gesicht zu sehen. "Der übliche politische Instinkt - eine Menge neuer Gesetze ankündigen, einen neuen Berater anstellen, ein paar alte Vorurteile und seichte Antworten hervorholen - wird das Bedürfnis der Öffentlichkeit nicht befriedigen", erklärte Miliband.

Unterdessen ging die polizeiliche Aufarbeitung der Krawalle weiter. Die Zahl der in Schnellverfahren vor Gericht geführten Randalierer nahm weiter zu. Insgesamt wurden bislang mehr als 2700 Menschen festgenommen.

Bei den Unruhen, die am vorvergangenen Samstag (06.08.2011) in London ausgebrochen waren und sich von dort auf mehrere englische Städte ausgebreitet hatten, waren fünf Menschen ums Leben gekommen. Durch Feuer, Plünderungen und Gewalt entstand Millionenschaden.

Vermummter Mann zieht brennenden Müllcontainer (Archivfoto: ap/dapd)
Bei den Krawallen starben fünf Menschen, es entstand hoher SachschadenBild: dapd

Einer Umfrage zufolge sehen nur acht Prozent der Briten die strikte Sparpolitik der Regierung als Ursache für die Unruhen. In der Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov für die Zeitung "The Sun" gaben dagegen 42 Prozent der Befragten an, bei den Unruhen handle es sich schlicht um kriminelles Verhalten. 26 Prozent gaben an, die Unruhen gingen auf eine Zunahme von Banden zurück. Lediglich fünf Prozent der Befragten hielten die Arbeitslosigkeit für einen Hauptgrund für die Krawalle, ebenso viele Befragte hielten Rassismus für ursächlich.

Autor: Martin Schrader (afp, dapd, dpa, rtr)

Redaktion: Dirk Eckert