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Cameron winkt Kompensation

28. Juni 2014

Großbritannien hat sich bis zuletzt gegen Jean-Claude Juncker als neuen EU-Kommissionspräsidenten gewehrt - vergeblich. Doch möglicherweise ist die Niederlage für Premier Cameron gar nicht so schlimm.

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EU Gipfel David Cameron 27.06.2014
Bild: picture-alliance/AP Photo

Die Staats- und Regierungschefs der 28 EU-Länder haben sich bei ihrem Gipfel in Brüssel auf Jean-Claude Juncker als künftigen EU-Kommissionspräsidenten geeinigt. Das Ergebnis lautete am Ende 26:2 - Großbritanniens Premierminister David Cameron und sein ungarischer Kollege Viktor Orban hatten gegen den Luxemburger gestimmt. Dieser war für die Europäische Volkspartei (EVP) als Spitzenkandidat für das Amt des EU-Kommissionspräsidenten in den Wahlkampf zur Europawahl im Mai dieses Jahres gezogen.

Besonders Cameron hatte sich gegen die Ernennung Junckers gesperrt und erstmals in der Geschichte der EU eine Kampfabstimmung provoziert. Juncker stehe für eine "alte und entrückte" Union und sei nicht geeignet, die Gemeinschaft in die Zukunft zu führen, so Cameron. Er sprach von einem "schlechten Tag für Europa" und erklärte, die Entscheidung für Juncker könne negative Auswirkungen auf das für 2017 angesetzte Referendum über den Verbleib in der EU haben. Auf der anderen Seite ergeben sich durch die Abstimmung der Staats- und Regierungschefs auch eine Reihe von positiven Effekten für Großbritannien.

Politische Trostpflaster für London

In ihrer Abschlusserklärung kamen die anderen Staats- und Regierungschefs Cameron in einigen Punkten entgegen. So erkennen sie das Recht von Ländern an, bei der weiteren Integration der EU nicht mitzugehen. "Das Vereinigte Königreich hat einige Befürchtungen über die künftige Entwicklung der EU vorgebracht. Diese Sorgen müssen aufgegriffen werden", heißt es in dem Dokument. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte in Brüssel, bei der Integration Europas müssten "nicht alle mit einer Geschwindigkeit vorgehen".

Ein weiteres politisches Trostpflaster für Großbritannien ist nach Ansicht von Beobachtern die Übereinkunft, dass die anderen künftigen Spitzenposten der EU nicht gegen den Widerstand eines Landes besetzt werden sollen. Dazu gehört unter anderem die Nachfolge der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton und des EU-Ratspräsidenten Herman Van Rompuy. Beide Entscheidungen sollen vom Gipfel einstimmig getroffen werden. Möglicherweise geschieht das auf einer Sondersitzung am 16. Juli.

Kompromiss beim Stabilitätspakt

Ein anderes umstrittenes Thema der vergangenen Wochen war eine mögliche Aufweichung des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes. Dieser Streit wurde von den EU-Länderchefs mit einem klassischen europäischen Kompromiss gelöst. In der Abschlusserklärung halten sie fest, dass es keine Änderung an den Bestimmungen zu den erlaubten Defiziten geben werde - betonen aber gleichzeitig, dass die vorhandene Flexibilität in den Bestimmungen auf die "beste Weise" genutzt werden solle.

Davon könnte Diplomaten zufolge besonders Italien profitieren, das auf Wachstums- und Investitionsförderung pocht. So hat das Land bereits mehrfach darauf verwiesen, dass es Probleme beim Einsatz der EU-Mittel zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit habe. Um die rund 1,5 Milliarden Euro von der EU abrufen zu können, wäre eine nationale Kofinanzierung nötig, die dann die Schuldenquote Italiens erhöhen würde.

Die Regierung von Ministerpräsident Matteo Renzi könnte im kommenden Jahr mehr Zeit zur Senkung seines Schuldenstands beantragen und damit dem Beispiel Frankreichs folgen: Paris hatte im vergangenen Jahr von der EU im Gegenzug für versprochene Reformen zwei Jahre mehr eingeräumt bekommen, um seine Defizitziele zu erreichen.

mak/wl (dpa, rtr)