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Campen statt Beten

Katrin Matthaei29. August 2004

Urlaub im Iran? Für viele Touristen scheint dies wenig verlockend. Das will Irans Reisebranche nun ändern. Mit einem Ökotourismus-Projekt geht die Provinz Semnan, 400 Kilometer nördlich von Teheran, in die Offensive.

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Neue Zielgruppe der iranischen Tourismusindustrie: Naturliebhaber aus dem AuslandBild: AP

Shahroud ist in keinem Iran-Reiseführer zu finden. Die kleine Stadt liegt abseits vom kulturellen Pflichtprogramm zu Isfahans Moscheen oder den alten Ruinen von Persepolis. Auf den ersten Blick hat die Stadt nichts Besonderes zu bieten: Vom "Großen Fluss", dem Shahroud seinen Namen verdankt, ist in diesen heißen Monaten nur das ausgetrocknete Flussbett übrig.

Shahrouds Schatz liegt vierzig Kilometer entfernt, hoch oben, in den nordöstlichen Ausläufern des großen Alborz-Gebirges. Hier wabert der ewige Nebelwald "Apr", zu Deutsch: "Wolke". In einer thermischen Senke treffen heiße und kalte Luft vom Kaspischen Meer aufeinander und hüllen sechzig Kilometer Eichenwälder in ständige Nebelwolken. Seltene Vogelarten, Bären und Wildkatzen leben hier.

Neue Töne

Ein wahres Paradies für jeden Bergsteiger und Mountainbiker. Und die große Hoffnung des einheimischen Reiseveranstalters Badiar Sharifi.

"Die Outdoor-Touristen haben für uns zwei Vorteile", schwärmt Sharifi. "Erstens bringen sie unserer Region sehr viel mehr Geld ein als die herkömmlichen Kulturtouristen. Und zweitens wollen sie keine luxuriösen Hotels, sondern gehen lieber Campen. Sie wollen die Natur erleben, und die können wir ihnen hier wirklich bieten."

Diese Töne sind neu. Nach der Revolution und während des Iran-Irak-Krieges war dem Regime jeder ausländische Tourist suspekt. Nach dem Krieg sorgte der pragmatische Präsident Akbar Rafsandschani zwar für eine Öffnung. Die zielt bis heute jedoch auf unverdächtige ältere Kulturreisende ab.

Im Gegensatz zu jungen amüsierfreudigen Touristen riskiert das Regime mit den Älteren keine Verstöße gegen die strengen iranischen Sittengesetze. Die so mehrheitlich älteren Iran-Reisenden lassen ihre Dollar oder Euro aber in Isfahan oder Shiraz - den entlegenen Provinzen wie Shahroud bringen sie kein Geld.

Tourismus mit Auflagen

Aber Irans Staatskassen sind leer, Eigeninitiative ist gefragt. Der Bürgermeister von Shahroud, Ahmad Shariat Madare, begrüßt zwar auch die älteren Touristen, doch eigentlich setzt er auf die Jugend: "Wir möchten mit unserem Öko-Tourismus besonders die jüngeren Touristen ansprechen. Wir hoffen, dass das Projekt erfolgreich sein wird. Die Türen sind jetzt geöffnet."

Offene Worte, auf die sofort die offizielle Rhetorik folgt - die Einbahnstraße der iranischen Tourismusbranche. "Es ist eine große Ehre und Verantwortung für uns, den europäischen Touristen die schöne Natur von Shahroud näher zu bringen und dafür zu sorgen, dass sie sich wohl bei uns fühlen", sagt der Bürgermeister, "aber in jedem Land gibt es Gesetze. Und so wie wir die Moralvorstellungen, die Mentalität und die Kultur anderer Länder respektieren, wünschen wir uns das eben auch für die Touristen, die in unser Land kommen."

Wandern ohne Kopftuch wird also auch in Shahroud nicht möglich sein. Doch hier zeigt sich das iranische Doppelleben: Was offiziell verboten ist, wird in der Privatsphäre toleriert.

Anders gesagt: Jüngere Touristen können sich bei befreundeten iranischen Familien zu Hause amüsieren, solange sie sich im öffentlichen Raum den Regeln anpassen. Ausgenommen natürlich ist Prostitution.

Kein Sex-Tourismus

"Tourismus ist oft gleichbedeutend mit Sand, Sonne, See und Sex", betont der Reiseveranstalter Badiar Sharifi und ergänzt: "Im Iran können und wollen wir keinen Sex-Tourismus anbieten, ganz einfach, weil er unserer Mentalität und unserem Glauben widerspricht. Aber am Kaspischen Meer gibt es wunderbare Sandstrände, Sonne haben wir in den Wüsten-Oasen mit ihrer interessanten Nomadenkultur mehr als genug. Und für Wanderer, Bergsteiger und Kletterer gibt es in Shahroud tolle Möglichkeiten."

Damit die Weltöffentlichkeit von Shahrouds Naturschönheit erfährt, dreht ein iranischer Filmemacher derzeit im Auftrag der UNO eine mehrteilige Dokumentarreihe über die Region.

Nächstes Jahr soll der neue Flughafen in Betrieb genommen werden und Touristen von Teheran nach Shahroud bringen. Zwei moderne Hotels hoffen auf Touristen, denen das Campen im Nebelwald doch zu ungemütlich ist. Und so stehen Shahrouds Chancen gut, in den kommenden Iran-Reiseführern aufzutauchen.