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Das verlorene Blau

20. März 2010

Kein anderes Bild hat die Vorstellung von einer Stadt so geprägt wie Canalettos Stadtansicht von Dresden. Derzeit ist das Meisterwerk nicht zu sehen. Es muss restauriert werden. Doch dazu fehlt das Geld.

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Restauratorin bei der Restaurierung des Gemäldes (Foto: Staatliche Kunstsammlungen Kluth)
Restaurationsarbeiten am Canaletto-BlickBild: Staatliche Kunstsammlungen Kluth/Estel

Maria Krusche steigt die Treppen der Kunstsammlung hinauf. Früher führte der Aufgang direkt zum berühmten Dresden-Gemälde von Bernardo Bellotto, genannt Canaletto. Im Alter von 25 Jahren ließ sich der italienische Künstler in Dresden nieder und schuf 1734 die Stadtansicht, die als Canaletto-Blick in die Kunstgeschichte einging. Maria Krusche ist die Geschäftsführerin des Vereins der Freunde der Staatlichen Kunstsammlungen. An diesem Morgen will sie nachschauen, ob in der Spendenbox noch ein wenig Geld zusammengekommen ist. Die steht unterhalb der Stelle, an der noch vor kurzem die Stadtansicht hing.

Millionen von Menschen kennen sie. Sie prangt auf Dresden-Souvenirs und Stollenverpackungen und hängt in Wohnungen von New York bis Nairobi, von Halifax bis Hong Kong. Weltweit bemüht sich der Verein um Maria Krusche derzeit um Spenden für die Restaurierung des Gemäldes. "Noch fehlen über 80.000 Euro", sagt sie, "und niemand kann heute sagen, wann das Bild an seinen angestammten Platz zurückkehren wird."

"Keine andere Landschaftsdarstellung prägte die weltweite Vorstellung von einer Stadt und die Identität ihrer Bürger so wie dieses Bild", erklärt Bernhard Maaz, Direktor der Gemäldegalerie. "Wie in einem Brennglas hat man darauf das gesamte historische Ensemble einer Stadt zusammen - Hofkirche, Schloss, Brühlsche Terrassen. Und wir dürfen uns fragen, ob die Frauenkirche ohne dieses Bild überhaupt wieder aufgebaut worden wäre."

Das Himmelsblau verblasst

Canaletto-Gemälde (Foto: Staatliche Kunstsammlungen Kluth)
Stadtansicht von 1734Bild: Staatliche Kunstsammlungen Kluth/Estel

Seit 1834 war das Bild ununterbrochen ausgestellt. Doch schon lange sahen die Besucher nicht mehr den echten Canaletto, wie die Leiterin der Restaurationswerksatt, Professorin Marlies Giebe, erklärt. "Sie sahen ein Bild auf dem sich Farben abhoben, auf dem falsche Reinigungsmethoden im 19. Jahrhundert zu Übermalungen führten und einen Firniss der fleckig und gelb wirkte." Die Restauratoren sehen sich vor zahlreichen Problemen. Vor allem aber droht aus Canalettos filigranen Blau-Nuancen das Blau zu verschwinden. Was sind die Ursachen? Und: Wie lässt sich dieser Prozess aufhalten?

Das Labor für Archäometrie an der Hochschule für Bildende Künste suchte mittels Rasterelektronen-Mikroskop und Infrarot-Spektroskop nach Antworten. "Wir haben dadurch einen Einblick in den Aufbau bekommen und endlich eine Ursache für das Verschwinden des Blaus finden können", berichtet ein Professor. Canaletto benutzte wahrscheinlich ein "Preußisch Blau" genanntes Farbpigment, das nicht lichtecht ist. Wie kann man unter diesen Bedingungen die Originalhandschrift eines Künstlers wieder sichtbar machen, wenn dem prägnanten Himmel des Gemäldes das Blau abhanden kommt? Die Lösung gerade dieses Problems macht die Wiederherstellung des Gemäldes zu einer aufwändigen, vor allem aber teuren Sisyphos-Arbeit.

Weltweite Suche nach Spendern

Restaurationsteam in der Werkstatt (Foto: Staatliche Kunstsammlungen Kluth)
In der Werkstatt steht das Team vor schwierigen AufgabenBild: Staatliche Kunstsammlungen Kluth/Estel

Die Kosten der Restaurierung übersteigen die Möglichkeiten der Dresdner Kunstsammlungen. Inzwischen hat der Freundeskreis überall in Dresden Spendenboxen aufgestellt. Zahlreiche Künstler, darunter Georg Baselitz, der Schriftsteller Uwe Tellkamp oder die Dresdner Band Polarkreis 18 engagieren sich inzwischen für die schwierige Rettung des berühmten Bildes.

Während die einen Spenden sammeln, haben die Restauratoren um Professorin Giebe bereits den größten Teil des alten Firnisses gelöst. Wie ein verletzter Patient steht das Bild auf der Staffelei. Ein Bild, das seine Wunden zeigt und zugleich eine Ahnung davon vermittelt, wie grandios es einmal ausgesehen haben muss. "Wir wollen", sagt Professorin Giebe näher herankommen an die Originalsubstanz, um einen Weg zu finden, das Bild so zu restaurieren, dass wir es die nächsten 50 Jahre ausstellen können, ohne einen Eingriff machen zu müssen."

Autor: Mirko Schwanitz
Redaktion: Jan Bruck