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Politik

UN-Sonderermittlerin gibt frustriert auf

7. August 2017

Sie untersuchte Kriegsverbrechen in Jugoslawien und Ruanda. Für Syrien könne sie nichts bewirken. Aus Enttäuschung über mangelnde Rückendeckung verlässt Carla Del Ponte die Vereinten Nationen. Und kritisiert sie heftig.

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Carla del Ponte vor dem Logo der Vereinten Nationen (Foto: Picture Alliance)
Bild: picture alliance/AP Photo/M. Trezzini

Carla Del Ponte tritt als UN-Sonderermittlerin für Syrien zurück

Sie wolle keine "Alibi-Ermittlerin" mehr sein, sagte Del Ponte (Artikelbild) dem Schweizer Boulevard-Blatt "Blick" am Rande des Filmfestivals in Locarno. Ihren Rücktritt begründete sie auf einer Podiumsdiskussion der Nachrichtenagentur SDA zufolge mit dem fehlenden politischen Willen zur Unterstützung der Arbeit.

Die Untersuchungskommission wurde im August 2011 gegründet, wenige Monate nach dem Beginn der Proteste gegen den Machthaber Bashar al-Assad. Del Ponte trat dem Gremium im September 2012 bei. Bis heute erhielten die Mitglieder keine Erlaubnis der syrischen Führung, in das Land zu reisen. Dennoch berichtet die Kommission regelmäßig über Menschenrechtsverletzungen in Syrien. Bewirken konnte sie bislang aber kaum etwas, ohne Sondertribunal sind Berichte laut Del Ponte "sinnlos".

"Aus der Vergangenheit nichts gelernt"

"Wir sind machtlos, in Syrien gibt es keine Gerechtigkeit," sagte die 70-jährige Schweizer Juristin. Die Kriegsverbrechen dort seien schlimmer als im früheren Jugoslawien und in Ruanda. Del Ponte war von 1999 bis 2007 Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag für die Kriegsverbrechen in Ex-Jugoslawien sowie für den Völkermord in Ruanda. Sie wirft der internationalen Gemeinschaft vor, aus dem Völkermord in dem ostafrikanischen Land nichts gelernt zu haben.

Ein Mann steht in Trümmern, Staub liegt in der Luft (Foto: Getty Images)
Verzweiflung und Hilflosigkeit: Angesichts der völligen Zerstörung in Syrien will Carla Del Ponte nicht mehr weitermachenBild: Getty Images/AFP/B. Al-Halabi

"Ich gebe auf, die Staaten des Sicherheitsrates wollen keine Gerechtigkeit", so Del Ponte weiter. Ihre Kritik richtete sich vor allem gegen China und Russland. Beide Länder würden alle anderen blockieren. 

Sie werde im September letztmals an einer Sitzung teilnehmen, sagte die Sonderermittlerin. Das von ihr bereits verfasste Rücktrittsschreiben werde sie in den kommenden Tagen an die Kommission senden. Sie sei "frustriert".  "Ich kann nicht mehr in dieser Kommission sein, die einfach nichts tut", sagte Del Ponte.

"Alle sind böse"

Zu Anfang habe es in Syrien "die Guten und die Bösen" gegeben - die Regierung als Böse und ihre Gegner als Gute. Mittlerweile seien in Syrien "alle böse". Die Assad-Regierung verübe "schreckliche Verbrechen gegen die Menschlichkeit" und setze Chemiewaffen ein. Die Opposition bestehe nur noch aus "Extremisten und Terroristen".

Die Untersuchungskommission erklärte am Abend, sie sei bereits Mitte Juni von Del Ponte über ihren Schritt informiert worden. Sie begrüßte den "Beitrag" und die "Bemühungen" der als streitbar bekannten Juristin. "Es ist unsere Aufgabe, nicht nachzulassen."

Der Syrien-Konflikt hatte im Frühjahr 2011 mit zunächst friedlichen Protesten gegen Assad begonnen. Im Laufe der Jahre wurde die Gemengelage immer komplizierter, mehr als 330.000 Menschen wurden getötet, knapp ein Drittel der Opfer waren nach Angaben von Aktivisten Zivilisten. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung ergriff die Flucht vor der Gewalt. Große Teile des Landes liegen in Trümmern.

ust/gri (afp, rtr, blick.ch)