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Carstensen schließt Rücktritt aus

17. Juli 2009

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Carstensen (CDU) will Neuwahlen nicht dadurch erreichen, dass er sein Amt niederlegt, wie das die SPD gerne sähe. Am Freitag debattiert der Kieler Landtag über seine Selbstauflösung.

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Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (Foto: dpa)
Rücktritt, nein danke: Peter Harry Carstensen (CDU)Bild: dpa

Es wäre absurd, wenn ein erfolgreicher Regierungschef zurücktreten würde, sagte Ministerpräsident Peter Harry Carstensen am Donnerstagabend (17.07.2009) im "heute journal" des Zweiten Deutschen Fernsehens.

Die SPD hatte zuvor Carstensens Rücktritt vorgeschlagen. Die Sozialdemokraten wollen sich nach dem Platzen der großen Koalition Neuwahlen zwar nicht grundsätzlich verweigern, lehnen aber den Weg über einen Beschluss des Landtags ab. Sie wollen daher bei der für kommenden Montag geplanten Abstimmung nicht für vorgezogene Neuwahlen am 27. September votieren, wie dies die CDU anstrebt. Damit wird die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit wohl nicht zustandekommen. Die Oppositionsparteien FDP, Grüne und Südschleswigscher Wählerverband (SSW) schlossen sich dem CDU-Antrag auf Auflösung an.

Carstensen sagte im ZDF weiter, beim Scheitern der Koalition hätten persönliche Beziehungen überhaupt keine Rolle gespielt. Jedoch sei das Vertrauen nicht mehr da, weil sich die SPD mehrfach aus der Verantwortung gestohlen habe. Beobachter halten indes das persönliche Verhältnis zwischen Carstensen und dem SPD-Landes- und Fraktionschef Ralf Stegner seit langem für zerrüttet.

Abstimmung am Montag

Am Freitag diskutiert der Kieler Landtag erst einmal über seine Selbstauflösung. Die Abstimmung darüber soll aber erst am Montag stattfinden, um eine von der Verfassung vorgegebene Frist in jedem Fall einzuhalten.

Blick in den Plenarsaal des Kieler Landtags (Foto: AP)
Plenarsaal des Kieler LandtagsBild: AP

Sollte der Antrag zur Auflösung durchfallen, kann Ministerpräsident Carstensen die Vertrauensfrage stellen. FDP, Grüne und Südschleswigscher Wählerverband wollen ihm dann das Vertrauen verweigern, so dass er das Parlament selbst auflösen kann.

Die Sozialdemokraten könnten Neuwahlen nicht verhindern, sagte FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki im Radiosender NDR Info. Grünen-Landeschef Robert Habeck schloss ein Regierungsbündnis mit CDU und FDP in der "taz" nicht aus.

Reaktionen aus Berlin

Die Bundesgrünen begrüßten den Bruch von Schwarz-Rot in Kiel als "überfälligen Schritt". Von der HSH Nordbank bis zum "schrottreifen" Atomkraftwerk Krümmel hinterlasse die Regierung ungelöste Probleme, erklärten die Vorsitzenden Claudia Roth und Cem Özdemir.

FDP-Chef Guido Westerwelle bezeichnete den Koalitionsbruch in Kiel als "bundespolitisches Fanal". Wenn es zu Neuwahlen komme, könne Schwarz-Gelb im Herbst nicht nur eine Mehrheit im Bundestag bekommen, sondern auch im Bundesrat "klare Verhältnisse" schaffen, erklärte er in Berlin.

CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla machte Stegner für das Scheitern des Regierungsbündnisses in Kiel verantwortlich. "Die SPD in Schleswig-Holstein ist nicht mehr regierungsfähig, weil sie nicht die Kraft hat, zu den gemeinsamen Beschlüssen der Koalition zu stehen", erklärte er in Berlin.

Simonis: "Fluch der bösen Tat"

Heide Simonis (Foto: AP)
Bis 2005 Ministerpräsidentin: Heide SimonisBild: AP

Die ehemalige Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein, Heide Simonis (SPD), hält die Regierungskrise in Kiel für eine Spätfolge ihres eigenen Sturzes vor vier Jahren. "Ich glaube, das ist auch ein Stückchen der Fluch der bösen Tat von damals", sagte Simonis der "Frankfurter Rundschau" (Freitagsausgabe). Nachdem ihr Versuch, 2005 eine rot-grüne Minderheitsregierung zu bilden, gescheitert war, seien mit CDU und SPD "zwei Parteien zusammengezwungen worden, die nicht miteinander wollten - und, wie man sieht, auch nicht können".

Die Ursachen dafür liegen nach Einschätzung der SPD-Politikerin unter anderem in der so genannten Barschel-Affäre. Durch die Verleumdungskampagne des ehemaligen CDU-Ministerpräsidenten Uwe Barschel gegen seinen SPD-Herausforderer Björn Engholm im Jahr 1987 sei zuviel Porzellan zwischen CDU und SPD zerschlagen worden, sagte Simonis der Zeitung. "Da gab es gegenseitige Verwundungen und Verletzungen, da hat die CDU einen Sturz hinnehmen müssen, den sie als ungerecht empfand, vor allem, als herauskam, dass Björn Engholm auch nicht ganz die Wahrheit gesagt hatte."

Ihrem Nachfolger Carstensen warf Simonis vor, er sei "harmoniesüchtig und nicht konfliktfähig. Menschlich mag das sympathisch sein, politisch aber ist das fatal." Simonis geht davon aus, dass die Krise in Schleswig-Holstein beiden Volksparteien schaden wird, "weil sie den anderen Parteien nutzen wird". Simonis war 2005 mit ihrer geplanten Wiederwahl im Landtag gescheitert, weil eine Stimme aus dem eigenen Lager fehlte. Daraufhin kam die CDU/SPD-Regierung unter Ministerpräsident Carstensen zustande. (gri/qu/ap/afp/dpa)