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Deutscher Hiphop lebt

Eva Gutensohn9. August 2012

Totgesagte leben länger. Benjamin Griffey alias Casper haucht dem deutschen Hiphop neues Leben ein und bahnt mit seinem Zweitling "XOXO" den Weg für frischen, intelligenten Rap made in Germany.

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Der deutsche Rapper Casper (Foto: Jan Knoff)
Bild: picture-alliance/dpa

Ist der deutsche Hiphop tot? Nicht ganz, denn es gibt ja Leute wie Casper. Benjamin Griffey heißt der Mann mit bürgerlichem Namen, und er singt mit solch einer Reibeisenstimme, als wolle er die Salbeiteeindustrie retten. Aufgewachsen ist er in Amerika als Sohn eines US-Army-Soldaten, mit elf Jahren kam er nach Deutschland und landete in Bielefeld, Im nahe gelegenen Extertal war er 1982 zur Welt gekommen, kurz danach zog die Familie in die USA. Jetzt, mit 29 Jahren, lebt er in Berlin und schwebt regelrecht auf dem Hiphop-Olymp: Spätestens seit seinem 2011 erschienenen Album "XOXO" wird er als Retter des deutschen Rap verehrt.

Sein zweites Werk schlug wie ein Komet ein und wurde schon im Vorfeld in den Feuilletons gefeiert. Das Ergebnis war Platz eins der deutschen Albumcharts - und das wochenlang. Der Einzige, der diesen Erfolg nicht so klar voraussah, war Casper selbst: "Als wir die Platte abgegeben haben, dachte ich: Okay, das ist jetzt das Unpoppigste und Verkopfteste auf der ganzen Welt", erzählt er. "Ich war wirklich sicher, dass es so ein Liebhaberding werden würde und habe tatsächlich in Bielefeld nachgefragt, ob mein alter Thekenjob noch frei ist."

Politisch korrekt und doch so cool

Casper live beim Dockville Festival in Hamburg-Wilhelmsburg (Foto: picture-alliance/dpa)
Rumpöbeln ist out: Caspers positive Message kommt beim Publikum anBild: picture-alliance/dpa

"XOXO" wird von vielen jetzt schon als das Standardwerk des deutschen Rap gehandelt; 2012 bekam Casper dafür die Goldene Schallplatte. Endlich wieder ein Aushängeschild mit Vorbildcharakter, werden sich viele besorgte Eltern sagen, die froh sind, dass es sich hier nicht um Gewalt verherrlichenden Gangsterrap handelt.

Kein Lagerdenken, kein gegenseitiges "Andissen" (wie Schlechtmachen im Jugendjargon heißt), vielmehr die lyrische Abhandlung des Lebens mit allen Gefühlsspektren, die es so bereithält. Dafür wurde Casper anfänglich von Publikum und Kollegen abgestraft: "Emo-Spinner", "Müsli-Gutmenschen-Rap", "Wie läuft der denn rum, ganz klar Stylenote 6". So machte man ihn nieder.

Doch Casper steht zu sich und seinen Inhalten. Der ehemalige Pädagogikstudent hat eine klare Haltung ohne Zeigefinger. "Wenn ich aus voller Überzeugung sage, ich finde Homophobie richtig krass veraltet, dann hoffe ich, wenn ich tatsächlich so etwas wie ein Opinionleader sein sollte, dass das dann auch von den Leuten aufgenommen wird", betont er. "Ich möchte nicht der Zwanzigste sein, bei dem jedes dritte Schimpfwort 'Behinderter' oder 'Schwuler' ist."

Mittendrin im Zeitgeist

Caspers Texte wollen einerseits nicht verletzen und beschreiben andererseits den Zeitgeist und Status quo der Generation um die 30: Es sind die Leute, die die Zeit vor und nach der digitalen Revolution hautnah mitbekommen haben, die keine Konventionen mehr akzeptieren und dafür den Preis der Sicherheit zahlen.

Casper auf der Bühne Foto: Jan Knoff
Mit "XOXO" zum ErfolgBild: picture-alliance/dpa

Sie richten es sich in ihrer vermeintlichen Perspektivlosigkeit gemütlich ein, aber die Party macht trotzdem Spaß, solange man auf der Gästeliste steht und Freigetränke bekommt. Vielleicht müsste einfach mal wieder eine neue Rebellion her? Casper könnte einige Inspirationen und den Soundtrack dazu liefern; ihr Anführer will er auf keinen Fall sein.

Lieber konzentriert er sich auf seinen Sound. Der musikalische Kniff bei "XOXO" ist denn auch das nicht eindeutige Genre: Offiziell ist es Hiphop, doch zwischen den Tönen klingt auch Indie-Rock oder Emocore an. Und Benjamin Griffey alias Casper hat tatsächlich eine Vergangenheit in der Hardcore-Musik. Ihm ist es wichtig, dass sich möglichst viele Subkulturen mit seiner Art Rap anfreunden; der Mainstreamvorwurf lässt ihn derweil kalt. Außerdem, findet er, könne ja auch die Mehrheit mal guten Geschmack beweisen.