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Castro will vorsichtige Wirtschaftsreformen

2. August 2010

Wegen der dramatischen Wirtschaftslage auf Kuba zieht Präsident Raul Castro die Reißleine. Im Parlament stellte er eine Liberalisierung der Wirtschaft in Aussicht. So dürfen Kubaner künftig kleine Geschäfte betreiben.

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Die kubanische Nationalversammlung in Havanna (Foto: AP)
Vor der Nationalversammlung verkündete die Staatsführung den neuen ReformkursBild: AP

Die Plenartagung der Nationalversammlung am Sonntag (01.08.2010) bot das angemessene Forum für überraschende neue Töne aus Havanna: Die kommunistische Führung will in Zukunft etwas mehr Privatwirtschaft zulassen. Staatspräsident Raul Castro stellte in Aussicht, dass Kubaner Arbeitskräfte beschäftigen dürfen und kubanische Kleinunternehmen mehr Freiheit bekommen sollen.

Staatschef Raul Castro mit dem Victory-Handzeichen (Foto: AP)
Staatschef Raul Castro setzt auf vorsichtige WirtschaftsreformenBild: AP

Castro kündigte auch eine schrittweise Reduzierung des "enormen Personalbestands" in den Staatsbetrieben an, ohne konkrete Zahlen zu nennen. Für diese Arbeitskräfte biete sich durch die Ausweitung des Privatsektors eine Alternative. Im April hatte er bei anderer Gelegenheit davon gesprochen, dass eine Million der rund fünf Millionen Beschäftigten im Staatssektor überzählig seien.

Mehr Arbeit auf eigene Rechnung

"Der Ministerrat ist überein gekommen, die Arbeit auf eigene Rechnung zu erweitern, als eine weitere Alternative für überzählige Arbeiter", erklärte der Präsident am Sonntag. Dazu würden Hindernisse und Verbote beseitigt und der Handel mit bestimmten Produkten erlaubt. Die kubanische Führung will mit den Maßnahmen in erster Linie die Produktivität der lahmenden Wirtschaft erhöhen.

Wirtschaftsminister Marino Murillo dämpfte allerdings überbordende Erwartungen, indem er klarstellte, dass es keine echten Reformen in Richtung freier Marktwirtschaft geben werde. Die geplanten Maßnahmen seien eher Aktualisierungen. Sozialismus und Staatswirtschaft blieben in Kuba unangetastet.

Kein Abkehr vom Sozialismus

Revolutionsträume - Revolutions-Propaganda in Havanna (Foto: Anne Herrberg)
Revolutionsträume - Revolutions-Propaganda in HavannaBild: Anne Herrberg

Auch Castro betonte vor dem Parlament, dass die Reformen keine grundsätzliche Abkehr vom Sozialismus seien. Castro: "Nach mehr als 55 Jahren gewachsener Erfahrung im Revolutionskampf sieht es weder danach aus, dass wir besonders schlecht sind, noch sind Verzweiflung und Frust unsere Weggefährten."

Die Maßnahmen bedeuteten einen strukturellen Wechsel, sagte der Präsident. Sie verfolgten das Ziel, das soziale System des Landes zu entwickeln und für die Zukunft zu erhalten. Zugleich warnte Castro die Opposition vor subversiver Tätigkeit.

Als die Nationalversammlung ihn Anfang 2008 zum Präsidenten machte, hatte Raul Castro strukturelle Veränderungen angekündigt. Doch außer der Verteilung brachliegenden Landes an Bauern zur Erhöhung der Lebensmittelproduktion und der Schaffung einer Behörde zur Korruptionsbekämpfung war nichts daraus geworden. Vor drei Monaten erlaubte die Regierung testweise, dass bisher beim Staat angestellte Friseure auf eigene Rechnung ihren Kunden die Haare schneiden dürfen.

Castro warnt die Opposition

Castro äußerte sich zudem erstmals öffentlich zu der von ihm beschlossenen Freilassung von 53 Dissidenten und schloss jegliche Zugeständnisse gegenüber "Feinden des Vaterlandes" aus. "Es wird keine Straffreiheit geben für die Feinde des Vaterlandes, für diejenigen, die versuchen, unsere Unabhängigkeit zu gefährden", sagte er.

Ein freigelassener Dissident wird in Madrid von einer Frau begrüßt (Foto: AP)
Ein freigelassener Dissident wird in Madrid von einer Frau begrüßtBild: AP

Die inzwischen freigelassenen Dissidenten seien nicht wegen ihrer Ideen verurteilt worden, sondern weil sie "im Dienste der US-Regierung und ihrer Blockade- und Umsturzpolitik Verbrechen begangen haben", sagte der Präsident, der das Amt vor vier Jahren von seinem älteren Bruder Fidel übernommen hatte. Nach Angaben der Kubanischen Kommission für Menschenrechte und nationale Versöhnung gibt es in der sozialistischen Republik auch nach der jüngsten Freilassungswelle noch rund hundert politische Gefangene.

Raul Castros Bruder Fidel, der sich in den vergangenen Wochen mehrfach in der Öffentlichkeit gezeigt hatte und am 13. August 84 Jahre alt wird, nahm nicht an der Parlamentssitzung teil. Stattdessen empfing er Medienberichten zufolge den chinesischen Außenminister Yang Jiechi.

Autor: Reinhard Kleber (dpa, apn, afp)
Redaktion: Siegfried Scheithauer