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Raus aus der verstaubten Ecke

Jeanette Seiffert22. Juni 2014

In keiner der zehn größten Städte Deutschlands regiert noch ein Bürgermeister der Union. Die Konservativen wollen ihr Großstadt-Problem jetzt offensiv angehen - aber wie wird man cooler, ohne Stammwähler zu vergraulen?

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Foto: Martin Gerten/dpa
Bild: picture-alliance/dpa

Stark auf dem Land, schwach in der Stadt: In Bayern gilt diese Formel schon lange. In so manchen ländlichen Gegenden Oberbayerns kommt die CSU bei Wahlen schon mal auf 90 Prozent, doch in der Landeshauptstadt München stehen ebenso wie in Nürnberg und Fürth Sozialdemokraten an der Spitze. Bei den jüngsten Oberbürgermeister-Stichwahlen konnten sich vier von fünf CSU-Kandidaten nicht durchsetzen.

Und nun wurde auch noch in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt Düsseldorf der amtierende Oberbürgermeister Dirk Elbers von der Schwesterpartei CDU abgewählt: Obwohl die Stadt wirtschaftlich gut dasteht und seit 2007 sogar schuldenfrei ist, gewann sein Herausforderer von der SPD, Thomas Geisel. Damit regieren aktuell in den 20 größten Städten in Deutschland nur noch drei Bürgermeister von der Union - und in den zehn größten Städten kein einziger mehr.

Partei für Landeier?

Der Berliner Bundestagsabgeordnete Kai Wegner sitzt für die CDU im Bundestag und ist seit Kurzem Großstadtbeauftragter der Unionsfraktion. Er findet, dass seine Partei ein echtes Großstadt-Problem hat: "Die CDU wirkt in Städten immer noch sehr konservativ, sehr verstaubt. Und das ist nicht das Lebensgefühl der Menschen, die dort leben." Dabei ist der 41-jährige Politiker eigentlich davon überzeugt, dass die CDU eine moderne Partei ist, mit vielen jungen Köpfen: "Aber es gelingt uns einfach nicht, für Städter die richtige Ansprache zu finden und glaubwürdig rüberzubringen."

Fahne mit dem Vereinslogo des FC Bayern München in Bertoldshofen/Bayern. Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa
Heimat, Kirche, FC Bayern: Auf dem Land kann die CSU noch punktenBild: picture-alliance/dpa

Die CDU habe mit ihrem Politikprofil tatsächlich Schwierigkeiten, in den großstädtischen Milieus zu punkten, meint auch der Politikwissenschaftler Sebastian Bukow von der Universität Düsseldorf: "Lokale Themen wie eine moderne Stadtpolitik oder soziale Mieten, die im Moment sehr stark auf der Agenda stehen, werden nicht unbedingt der CDU zugeschrieben," sagte er im DW-Interview.

Dabei hat sich die Bundes-CDU vor allem unter der Vorsitzenden Angela Merkel stark modernisiert: So baute die ehemalige CDU-Familienministerin Ursula von der Leyen massiv die Betreuungsmöglichkeiten für Kleinkinder aus. Sie prägte damit ein neues, moderneres Familienbild der CDU - das allerdings in der Partei sehr umstritten ist. Auch von einigen anderen "heiligen Kühen" der Konservativen hat sich die Partei verabschiedet, etwa von der allgemeinen Wehrpflicht und zumindest zum Teil vom Erhalt der Hauptschulen.

Verordnete Urbanität?

Also liegt das Problem nur beim Image? Trifft die CDU einfach nicht den richtigen Ton, nicht das Bauchgefühl der jungen Stadtbewohner? Nicht ausschließlich, meint der CDU-Politiker Kai Wegner. Seiner Ansicht nach kann die CDU auch thematisch weiterhin bei vielen Großstädtern nicht so richtig landen - gerade in der Politik vor Ort: "Ich glaube, wir müssen genauer schauen: Wie leben die Menschen in Städten, was sind ihre Bedürfnisse - und darauf müssen wir die richtigen Antworten geben." Als Beispiel nennt er die Familienpolitik: Vater, Mutter, Kind - eigentlich ein Kernthema der Konservativen. "Aber in Großstädten haben wir eben häufig alleinerziehende Mütter und Väter", sagte Wegner der DW. "Da geht es also weniger um Familienpolitik im klassischen Sinne, sondern darum, ihnen zu ermöglichen, verantwortungsvolle Eltern zu sein, aber gleichzeitig einen Beruf auszuüben."

Bundestagsabgeordneter Kai Wegner (CDU). Foto: Foto: Florian Schuh dpa/lbn.
CDU-Bundestagsabgeordneter Wegner: Union trifft nicht den Großstadt-NervBild: picture-alliance/dpa

Doch kann sich eine Partei Urbanität einfach verordnen? Politikwissenschaftler Bukow zweifelt daran - und warnt sogar davor, sich zu stark vom traditionellen Profil der CDU zu entfernen: "Es wäre gefährlich, sich aus dem konservativen Milieus zu verabschieden. Denn die Wähler dort sind ja nicht weg, da gibt es durchaus Stimmen zu gewinnen." Schließlich sei die Union bei der Bundestagswahl klarer Sieger gewesen, und auch die jüngste Europawahl habe gezeigt, dass man mit konservativen Themen punkten könne. "Und diese Themen muss man auch pflegen, es macht keinen Sinn, den anderen Parteien nachzulaufen."

Großstadt-Task-Force im Bundestag

Dennoch macht die urbane Schwäche viele Unionspolitiker nervös, denn immer mehr Menschen zieht es in die deutschen Ballungsgebiete: Mittlerweile lebt jeder dritte Deutsche in einer Großstadt. Doch was können die beiden konservativen Unionsparteien überhaupt konkret tun, um bei den Großstädtern besser anzukommen?

Der Eingang des ersten veganen Vollsortiment-Supermarkts Europas in Berlin-Prenzlauer Berg. Foto: Jens Kalaene
Veganer Supermarkt im Berliner In-Bezirk Prenzlauer Berg: Den anderen Parteien nachlaufen?Bild: picture-alliance/dpa

Kai Wegner will noch vor der Sommerpause alle 48 Großstadt-Abgeordneten im Bundestag zusammentrommeln, um über das Problem zu beraten. Er will erreichen, dass die Union im Bundestag mehr städtische Themen besetzt: "Wir haben im Parlament ständig Anfragen zu Themen im ländlichen Raum - aber kaum große Debatten zur Situation in den Städten. Da müssen wir dringend nachlegen." Wohnungsnot, hohe Mieten, mehr Grün in den Städten - das könnten seiner Ansicht nach Ansatzpunkte für ein "Großstadtprofil" seiner Partei sein.

Das Problem: Diese Themen sind traditionell von den Sozialdemokraten oder den Grünen besetzt. Gerade letztere werden in den großen Städten immer stärker, weil ihre Wähler vor allem in den eher jungen, linksalternativen Großstadtmilieus zu finden sind.

Einige Unionspolitiker halten es deshalb für eine gute Strategie, auf Landes- und Kommunalebene stärker auf Koalitionen mit den Grünen zu setzen. Für Wegner eine durchaus spannende Konstellation - doch vor allem seien die Grünen die schärfsten Konkurrenten der CDU, weil sie gerade in den Städten um die gleiche Klientel werben: "Viele ehemalige CDU-Wähler wählen jetzt grün, weil sie sich dort offenbar besser aufgehoben fühlen", so Wegner. Der Politikwissenschaftler Sebastian Bukow glaubt aber nicht, dass diese Entwicklung der Union auf Dauer schaden wird. Vermutlich sei es einfach ein momentaner Trend: "Das muss man dann eben in Geduld ertragen."