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Wiederwahl-Referendum in Venezuela

Sabine Prokscha / Caracas12. Februar 2009

An diesem Sonntag (15. Februar 2009) stimmen die Venezolaner darüber ab, ob Präsident Hugo Chávez nach dem Ende seiner Amtszeit 2012 erneut kandidieren darf.

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Allgegenwärtig: Venezuelas Präsident Hugo Chávez regiert seit 10 JahrenBild: DW

Nach bisheriger Regelung muss Präsident Húgo Chávez am Ende seiner derzeitigen zweiten Amtsperiode abtreten. Durch die angestrebte Verfassungsänderung könnte er bei den anstehenden Präsidentschaftswahlen 2012 erneut kandidieren.

„Wenn Gott es will und er mir Gesundheit schenkt, dann bin ich bereit, bis 2019, ja, bis 2021 mit euch zu sein“, sagt der 54-Jährige. Er brauche mehr Zeit, um die Sozialreformen seines „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ umzusetzen.

Mc Donalds-Filiale in Caracas
Die Revolution und das "Imperium": US-Fastfoodkette an der Bolívar-Allee in CaracasBild: DW

Als die Nationalversammlung am 1. Dezember 2008 einer Verfassungsänderung zustimmte und damit den Weg für ein Referendum frei machte, sagten Umfragen noch einen knappen Sieg für die Opposition voraus. Inzwischen hat sich das Blatt nach Aussage des lokalen Meinungsforschungsinstituts Datanalisis gewendet. Eine massive Kampagne für das „Sí“ mobilisiert vor allem bestehende Chávez-Anhänger. Besonders die Unterschicht dankt es dem aus ärmlichen Verhältnissen stammenden Präsidenten, dass er ihren Lebensstandard erhöhte und die alten Eliten angreift. Doch der Vorsprung für Chávez ist knapp.


Studentenproteste: Nein heißt Nein


Seit Wochen gehen vor allem Studenten gegen die Verfassungsänderung auf die Straße. Dabei kam es immer wieder zu gewaltsamen Zusammenstößen mit der Polizei oder Chávez-Unterstützern. Die größte Demonstration fand an diesem Wochenende (7. Februar 2009) in Caracas mit Hundertausenden Anhängern statt. „Nein heißt Nein“ lautet ihr Slogan. Denn bereits 2007 scheiterte Chávez mit einem Reformpaket, das unter anderem die unbegrenzte Wiederwahl des Präsidenten ermöglicht hätte. Das Volk stimmte mit 50,7 Prozent dagegen und Húgo Chávez erlitt seine erste Niederlage in neun Jahren. Die Wähler der Opposition gewannen nicht nur die Volksabstimmung, sondern auch neues Vertrauen in die Wahlergebnisse.

Allgegenwärtig - Hugo Chávez-Poster an einem Balkon in Caracas: "Die Revolution geht weiter"
"Die Revolution geht weiter": Hugo Chávez ist nach zwei Amtszweiten noch lange nicht fertig.Bild: DW

Chávez-Anhänger sehen in der Möglichkeit den Präsidenten, Gouverneure und Bürgermeister künftig unbegrenzt zu wählen einen weiteren Schritt in Richtung Demokratisierung und Volksbeteiligung. Sie berufen sich dabei auf europäische Vorbilder wie Frankreich und Deutschland. Das Referendum ist aber auch deshalb von großer Bedeutung, weil es keinen Kandidaten gibt, der bessere Chancen hätte, zum Präsidenten gewählt zu werden, als Chávez. Das weiß auch die Opposition.


Gespaltenes Land


Bei den Kommunalwahlen 2008 wurde deutlich, dass der Präsident weiterhin auf eine breite Basis vertrauen kann. Der Wahlkampf wurde auf seine Person zugeschnitten und die Mitglieder von Chávez` Sozialistischer Einheitspartei PSUV erhielten 55 Prozent der Stimmen. Allerdings zeigten die Wahlerfolge der Opposition in den fünf bevölkerungsreichsten Bundesstaaten und der Hauptstadt Caracas, dass sich die Mittelschicht immer stärker von dem sozialistischen Präsidenten abwendet. Sie wirft Chávez einen zunehmend autokratischen Regierungsstil vor, sowie seine Unfähigkeit die Inflation zu bekämpfen. Im Jahr 2008 betrug die Inflationsrate nach Aussage der Banco Central de Venezuela 30,9 Prozent – die höchste Rate Lateinamerikas. Außerdem unternehme die Regierung zu wenig gegen die wachsende Gewaltbereitschaft und Kriminalität. Die Hauptstadt Caracas hat inzwischen die höchste Mordrate Südamerikas.


Auch die Vorbereitungen zum Referendum werden von gewalttätigen Zusammenstössen begleitet. Militante Unterstützer von Húgo Chávez verübten Tränengasattacken auf Regierungskritiker, darunter studentische Einrichtungen und die diplomatische Vertretung des Vatikanstaates. Das Rathaus des neugewählten oppositionellen Oberbürgermeisters von Caracas wurde gar so verwüstet, dass die Stadtverwaltung ihren Sitz verlagerte.

Rathaus verwüstet: Militante Chávez-Anhänger haben das Rathaus des neugewählten oppositonellen Oberbürgermeisters António Ledezma verwüstet
Militante Chávez-Anhänger haben das Rathaus des neugewählten oppositonellen Oberbürgermeisters António Ledezma in Caracas verwüstetBild: DW

Chávez hat die Übergriffe verurteilt. Nach Angriffen unbekannter Randalierer auf die jüdische Botschaft und eine Synagoge in Caracas kam es zu Festnahmen. Die Opposition fordert jedoch ein härteres Durchgreifen. Sie wirft dem Präsidenten vor, mit seinen flammenden Reden zu solchen Gewalttaten anzustiften.


Ölkrise


Falls der Präsident das Referendum verliert, würde dies das Ende der Ära Chávez bedeuten. Zumindest theoretisch. Denn der Comandante ist für seine Schlupflöcher und gegenteiligen Aussagen bekannt. Noch im November 2008 versicherte er auf einer Pressekonferenz, dass er kein Wiederwahl-Referendum anstrebe. So würde es nicht überraschen, wenn der ehemalige Fallschirmjäger nach erneuter Niederlage ein drittes Referendum in die Wege leiten würde. Allerdings stünden seine Chancen dann eher schlechter. Noch ist von der Ölkrise in Venezuela, dem fünftgrößten Ölproduzenten der Welt, zwar nichts zu spüren. 90 Prozent der Wirtschaft und mehr als die Hälfte der Einnahmen des Landes hängen vom Ölexport ab. Der Ölpreis fiel seit vergangenem Juli von 140 US-Dollar pro Barrel auf heute 40 US-Dollar. Da ist es nur eine Frage der Zeit, bis sich die Einnahmeausfälle in der Staatskasse bemerkbar machen und auf Chávez großzügige Sozialpolitik auswirken.