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Schwieriger 'Change'

30. Dezember 2009

Krankenversicherung für alle, bessere Klimapolitik, Schließung von Guantanomo: Viel hat sich Barack Obama vorgenommen, für sein erstes Jahr – und viele musste er enttäuschen. Eine Bilanz.

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Obama-Plakat mit der Aufschrift Climate Shama (Foto: AP)
Nicht nur die Klimaschützer hat Obama enttäuschtBild: AP

Am 20. Januar 2009 schaute die ganze Welt nach Washington. Barack Hussein Obama, geboren in Hawaii als Sohn eines kenianischen Vaters und einer Mutter aus Kansas, legte den Amtseid als 44. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika ab. "Wir müssen aufstehen, uns den Staub aus den Kleidern klopfen und Amerika wieder einmal neu erfinden. Und wir fangen heute damit an", erklärte der neue Präsident gleich in seiner Antrittsrede. Und er meinte es ernst mit dem Aufbruch in eine neue Ära: Überparteilich wollte er regieren. Amerikas Bürger sollten wieder Arbeit und eine Krankenversicherung haben, die Kinder eine gute Schulbildung und das Land ein gutes Ansehen in der Welt. An seinem zweiten Arbeitstag verkündete er, dass er das Gefangenenlager Guantanamo schließen will.

Obama schwört Amtseide (Foto: AP)
Obama hat weltweite gewaltige Erwartungen geweckt - bevor er überhaupt seinen Amtseid geschworen hatBild: AP

Es dauert länger als geplant

Doch der forschen Ankündigung folgte zunächst einmal die mühsame Sichtung der unübersichtlichen Gefangenenakten – und die Erkenntnis, dass der Prozess länger dauern wird als geplant. Denn erst vor kurzem fand sich mit einem Hochsicherheitsgefängnis in Illinois ein Ort auf dem amerikanischen Festland, an den die Gefangenen gebracht werden können. Die nötige Umrüstung des Gefängnisses wird viele Monate dauern.

Guantanamo sei ein gutes Beispiel für die Probleme, die Präsident Obama mit einigen seiner ambitionierten Vorhaben habe, sagt Stephen Hess vom Brookings Institut. Hess hat von Eisenhower bis Carter vier Präsidenten beraten: "Das spiegelt wieder, dass Dinge von innen ganz anders aussehen können als von außen."

Mehr Soldaten für Afghanistan

Das gilt auch zumindest für einen der beiden Kriege, die Präsident Obama von seinem Vorgänger George W. Bush geerbt hat. Der Abzug der Truppen aus dem Irak wurde allseits begrüßt. Eine geeignete Strategie für den Kampf in Afghanistan zu finden, stellte sich als wesentlich schwieriger heraus. Am 1. Dezember erklärte Obama in der Militärakademie West Point, dass er weitere 30.000 Soldaten nach Afghanistan schicken werde. "Nach 18 Monaten werden unsere Soldaten mit dem Abzug beginnen."

So soll das Land stabilisiert und die Afghanen in die Lage versetzt werden, selbst für die Sicherheit zu sorgen. Ob die Strategie aufgehen wird, wird sich zeigen. Schon jetzt ruderte die Regierung wieder zurück. Die Soldaten werden vermutlich erst im Spätsommer oder Herbst dort stationiert werden, und nicht schon - wie von Obama geplant - im Juli 2010. Und das Abzugsdatum müsse man auch nicht so genau nehmen, heißt es inzwischen. Es hänge eben alles von der Situation vor Ort ab.

Auf der nächsten Seite: Warum der Kriegspräsident den Friedensnobelpreis vielleicht doch verdient hat

Kriegspräsident mit Friedenspreis

Fest steht: Afghanistan ist jetzt Obamas Krieg und er ein Kriegspräsident, der - Ironie des Schicksals - gut eine Woche nach der Rede in West Point den Friedensnobelpreis verliehen bekam. Obama war sich dieses Widerspruchs bewusst. Dennoch kam in seiner Friedensnobelpreisrede das Wort "Krieg" erstaunlich oft vor. Der Präsident sprach von einem gerechten Krieg in Afghanistan und erklärte: "Die Vereinigten Staaten von Amerika haben mitgeholfen, die weltweite Sicherheit für mehr als sechs Jahrzehnte zu garantieren, und zwar mit dem Blut unserer Bürger und der Stärke unserer Waffen."

Obama empfängt Friedens-Nobelpreis (Foto: AP)
In seiner Nobelpreis-Rede hörte sich Obama manchmal an wie sein VorgängerBild: AP

Für die Historikerin Joan Hoff von der Montana State Universität hörte sich Obama vor allem in dieser Rede immer mehr wie sein Vorgänger Bush an: "Obama hat sich wieder auf die Position zurückgezogen, dass Amerika einzigartig ist, dass unsere Absichten immer gut sind und wir immer auf der richtigen Seite stehen."

Neuer Ton in der Außenpolitik

Dabei hat Obama außenpolitisch durchaus etwas erreicht, sagt Hoff. So hat er die Beziehungen mit der muslimischen Welt verbessert - und er hat international eine neue Atmosphäre der Zusammenarbeit und Verhandlungen geschaffen, die das genaue Gegenteil der Bush-Regierung ist. "Er setzt sich für nukleare Abrüstung ein und verhandelt deswegen mit Russland. Und er hat Bushs Pläne für ein Raketenschildprogramm in Polen und der Tschechischen Republik begraben."

Doch in vielen anderen Bereichen gibt es nur wenig Fortschritte – sei es im Atomstreit mit dem Iran oder den Nahost-Friedensverhandlungen. Und Obamas Auftritt auf dem Klimagipfel in Kopenhagen empfanden viele Beobachter als enttäuschend. Offiziell gab sich Obama - wieder zurück in Washington - optimistisch: Zum ersten Mal in der Geschichte hätten sich alle großen Wirtschaftsnationen ihrer Verantwortung gestellt, der Bedrohung des Klimawandels zu begegnen. Nach schwierigen und komplizierten Verhandlungen lege dieser bedeutende Durchbruch den Grundstein für das internationale Handeln in den nächsten Jahren, erklärte Obama.

Er räumte ein, dass der "Fortschritt" nicht ausreichend sei. Der schwedische Umweltminister war – wie so viele andere – deutlicher: Der Klimagipfel, sagte er, sei ein "Desaster" gewesen. Nun läge es an den USA, wirkliche Ergebnisse zu liefern. Denn den USA war es auf dem Klimagipfel nicht gelungen, verbindlich kontrollierbare Ziele zur Schadstoffreduzierung zu vereinbaren. Dem US-Präsidenten waren in Kopenhagen die Hände gebunden, weil er auf die Unterstützung des Kongresses zu Hause angewiesen ist. Und da stecken die Verhandlungen über ein Klimaschutzgesetz fest.

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Krise, Gesundheit, Parteigezänk

Auch innenpolitisch hat Obama viele Amerikaner enttäuscht, die glaubten, er würde ihre persönliche wirtschaftliche Lage verbessern. Schließlich hatte er bei seiner ersten Rede vor dem Kongress im Februar verkündet: "Wir werden unsere Kräfte sammeln, wir werden uns erholen und die Vereinigten Staaten von Amerika werden stärker sein als zuvor."

Obdachloser fegt vor der Zentrale der Weltbank (Foto: JOKER)
Mehr als zehn Prozent der US-Amerikaner sind arbeitslos. Viele fragen sich: Wann wirkt das Konjunkturprogramm?Bild: ullstein bild - JOKER/Lohmeyer

Doch Ende 2009 scheint die Rezession zwar überwunden, aber die Arbeitslosigkeit war zeitweise auf über zehn Prozent gestiegen. Für die USA eine ungewohnt hohe Quote. Dabei hatte Obama bereits im Februar einen Erfolg verzeichnen können. Der Kongress verabschiedete sein Konjunkturpaket in Höhe von 787 Milliarden US-Dollar. Das Geld soll in Straßenbau, erneuerbare Energien, Steuererleichterungen, Gesundheitswesen, und das Bildungswesen investiert werden und langfristig wirken. Das sei das Problem, erklärt Stephen Hess vom Brookings Institut. "Er hat gehofft und geglaubt, dass er die Menschen lange genug bei der Stange halten kann, um etwas zu tun, das Sinn macht."

Ärger mit den Parteifreunden

Doch viele Amerikaner haben, vor allem angesichts der hohen Arbeitslosenquote, die Geduld verloren. Verschätzt hat sich Obama auch bei seinem Plan, bei den innenpolitischen Themen überparteiliche Einigungen zu erzielen. Er hat viel Energie darauf verwendet, aber die Republikaner blockieren ihn wo sie nur können. Für das Konjunkturpaket stimmte kein einziger republikanischer Abgeordneter und lediglich drei republikanische Senatoren.

Genauso viel, wenn nicht mehr Ärger hat er mit den Mitgliedern seiner eigenen Partei, den sogenannten konservativen Demokraten. Und das gilt für die Gesundheitsreform genauso wie für die Klimapolitik. Für viele seiner Vorhaben gilt allerdings: Noch ist das letzte Wort nicht gesprochen. Es wird sich erst zeigen müssen, wie viel von der progressiven Agenda er national und international tatsächlich vorantreiben kann. Fest steht jedoch: Allein die Tatsache, dass Amerika einen schwarzen Präsidenten hat, hat die USA verändert.

Autorin: Christina Bergmann
Redaktion: Manfred Götzke