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Chaos nach dem Abgang des Machthabers

15. Januar 2011

Tunesiens bisheriger starker Mann Zine el Abidine Ben Ali ist nach Protesten zurückgetreten und ins Exil gegangen. Nach seiner Flucht herrscht in dem Land nun angespannte Ruhe - nach Unruhen und Plünderungen.

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Sicherheitskräfte in Tunesien ( Foto: AP)
Unruhen nach dem MachtwechselBild: AP

Nach dem Rücktritt von Präsident Zine el Abidine Ben Ali gingen die Unruhen in Tunesien in der Nacht zum Samstag (15.01.2011) weiter. Aus der Hauptstadt Tunis wurde von chaotischen Szenen berichtet. Gebäude brannten, es kam zu Plünderungen. Marodierende Banden zogen durch die Straßen.

Tunesiens Ex-Präsident Ben Ali (Foto: dpa)
Abgang: Der alte Machthaber Ben AliBild: picture alliance / dpa

Augenzeugenberichten zufolge brannte in der Nacht der Zentralbahnhof in Tunis. In mehreren Supermärkten und Wohngebäuden sei ebenfalls Feuer gelegt und auch ein Krankenhaus angegriffen worden, heißt es. Unruhen wurden auch aus anderen Landesteilen gemeldet. Die Behörden verhängten einen Ausnahmezustand und eine nächtliche Ausgangssperre.

Zunächst galt Ministerpräsident Mohamed Ghannouchi als der neue starke Mann. Er sprach im tunesischen Staatsfernsehen von einem völligen Chaos. Er riet den Bewohnern von Tunis, sich in Gruppen zusammenzuschließen, um ihre Habe zu schützen. In einem Interview kündigte er an, die Armee verstärkt zur Sicherung der Wohnviertel einzusetzen. In jüngeren Agenturmeldungen heißt es, der tunesische Parlamentspräsident Foued Mebezza sei als Übergangspräsident vom Verfassungsrat eingesetzt worden.

Rückkehr des Machthabers "unmöglich"

Eine Rückkehr des bisherigen Machthabers Ben Alis nach Tunesien bezeichnete er als "unmöglich". Die Proteste im Land, die sich ursprünglich gegen die hohe Arbeitslosigkeit richteten, hatten sich in den vergangenen Tagen immer mehr zu einem offenen Aufstand gegen das Regime Ben Alis entwickelt.

Das Flugzeug des geflohenen Präsidenten traf am Samstagmorgen im saudi-arabischen Dschiddah am Roten Meer ein. Man habe Ben Ali und seine Familie im Königreich willkommen geheißen, meldete die saudische Nachrichtenagentur SPA. Die Regierung Saudi-Arabiens wünsche Tunesien "Sicherheit und Stabilität" und "stehe an der Seite des tunesischen Volkes", hieß es. Ben Ali hatte nach französischen Medienberichten zuvor versucht, in Paris zu landen. Die französische Regierung habe ihn aber nicht einreisen lassen wollen, berichtete die Zeitung "Le Monde".

Reiseveranstalter flogen am Freitagabend deutsche Tunesien-Urlauber in die Heimat aus. Erste Maschinen mit Touristen trafen in Düsseldorf und Berlin ein. Wegen des Ausnahmezustands und der Sperrung des tunesischen Luftraums war es zu Flugausfällen gekommen, die die vorzeitige Heimkehr zahlreicher Touristen verzögerten. Reiseveranstalter schätzen, dass mit deutschen Anbietern etwa 7.000 Touristen nach Tunesien geflogen sind.

Touristen werden ausgeflogen

Das Auswärtige Amt in Berlin riet von nicht unbedingt erforderlichen Reisen nach Tunesien ab. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigte sich besorgt über die Lage und mahnte eine friedliche Beilegung der sozialen Unruhen an. Sie rief die tunesische Übergangsregierung dazu auf, die Chancen für die Umgestaltung des Landes wahrzunehmen.

Die EU-Kommission dringt ebenfalls auf einen friedlichen Wandel in dem Mittelmeerland. "Wir mahnen alle Parteien, Zurückhaltung zu zeigen und Ruhe zu bewahren, um weitere Opfer und Gewalt zu vermeiden", erklärte die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton am Freitagabend in Brüssel. Der Schlüssel für die weitere Entwicklung sei der Dialog.

"Moment des bedeutenden Wandels"

Auch die USA riefen alle Seiten zur Zurückhaltung auf. Die tunesische Regierung müsse "in diesem Moment des bedeutenden Wandels" das Recht ihres Volkes respektieren, sich friedlich zu versammeln und seine Ansichten zu äußern, erklärte US-Außenministerin Hillary Clinton. Die Vereinigten Staaten verfolgten die rapiden Entwicklungen ganz genau, so die Außenministerin. Sie rief zu freien und fairen Wahlen in naher Zukunft sowie zu Reformen auf.

Autor: Marko Langer (mit dpa, rtr, afp)
Redaktion: Michael Wehling