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Charakter ist Schönheit

Wer den Namen Bayreuth hört, denkt an Richard Wagner. Der große Komponist fand hier 1874 Wohnsitz und Wirkungsstätte. Die alljährlichen Wagner-Festspiele und sein letztes Wohnhaus - Haus Wahnfried - erinnern daran.

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Das Festspielhaus in BayreuthBild: AP
Wer folgt?
Festspielleiter Wolfgang Wagner, Enkel des Komponisten Richard WagnerBild: AP

Richard Wagner und Bayreuth gehören zusammen wie Tristan und Isolde. Die übrige Welt erfuhr von Bayreuth erst so richtig, als Wagner, Schöpfer teutonischer Opernmonumente, das Festspielhaus auf dem "Grünen Hügel" im 19. Jahrhundert zur Hauptarena von Siegfried, Parsifal und den restlichen Helden auserkor. Jahr für Jahr während der Sommermonate übertönt das Fortissimo der Richard-Wagner-Festspiele alles, was von Bayreuth sonst noch zu hören wäre. Das ist zu bedauern, denn Bayreuth ist nicht allein Wagner. Aber wer weiß das schon.

Mehr als nur Wagner

So sind nicht nur die meisten Wagner-Wallfahrer von der oberfränkischen Stadt überrascht. Denn Bayreuth erscheint keineswegs erhaben und machtvoll wie die Klänge der schweren Opern des "deutschesten aller Komponisten". Nein: Leicht und verspielt ergänzen Rokoko-Fontänen, Kunst-Grotten und Laub-Arkaden in den städtischen Parks die Schlichtheit der Bürgerhäuser und Verwaltungsbauten der Stadt.

Festspielhaus in Bayreuth
Besucher der Richard-Wagner-Festspiele während einer PauseBild: AP

Dieses abwechslungsreiche Ambiente hat Bayreuth vor allem der Markgräfin Wilhelmine zu verdanken, die das Rokoko nach Oberfranken brachte. Gartenkünstler und Architekten verwandelten für sie ab 1732 den fränkischen Acker um das Neue Schloss herum in grandiose Gärten und verwirklichten so die herrschaftlichen Träume von einem Bayreuth ohne gleichen. Künstlerisch war Bayreuth also schon lange vor Wagner interessant. So interessant, dass es auch der deutsche Dichter Jean Paul bis zu seinem Tod in der Stadt aushielt. Die Bayreuther richteten ihm vor über 175 Jahren ein würdiges Begräbnis aus, wohl weil der gefürchtete Spötter den fränkischen Ort nur mit Samthandschuhen berührte.

Szene, Kunst und Afrika

Zu Gewitzel und ironischer Kritik gibt die Stadt heute wenig Anlass. In Bayreuth hat sich zwischen Richard-Wagner-Straße, Hohenzollernring, und Jean-Paul-Platz eine kleine, aber lebendige Szenekultur entwickelt. Das ist nicht verwunderlich. Denn von der in den 1970er Jahren gegründeten Universität aus mischen sich heute rund 7000 Studierende unter die 75.000 Bayreuther und beleben das alternative Bayreuth. Der Künstler Wo Sarazen und seine Skulpturen, das Jazz-Festival, die Kabarett-Tage und die Veranstaltungen des Afrika-Zentrums der Universität sind nur einige der Glanzpunkte. Das Afrika-Zentrum heißt übrigens "Iwalewa-Haus". Das ist ein afrikanisches Sprichwort und bedeutet: "Charakter ist Schönheit". Und Bayreuth hat Charakter.