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Chefin des Ungarischen Radios unter Verdacht

9. Oktober 2003

- Katalin Kondor der Stasivergangenheit bezichtigt

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Budapest, 9.10.2003, BUDAPESTER ZEITUNG, deutsch, Dénes Vajta

Die Vorsitzende des Ungarischen Radios, Katalin Kondor, soll zwischen 1974 und 1983 für den Geheimdienst gearbeitet haben. Das hat vor einer Woche die linke Tageszeitung "Népszava" behauptet, die auf ihrer Titelseite Fotokopien von Dokumenten abdruckte, die die Stasivergangenheit Kondors belegen sollen. Sie soll neun Jahre lang unter dem Decknamen "Vári" für die Spionageabwehrabteilung tätig gewesen sein. Kondor bezeichnete die Dokumente als Fälschungen.

"Ich sehe diese Fotokopien jetzt zum ersten Mal", erklärte Katalin Kondor vergangene Woche. "Sie sind nicht von mir unterschrieben." Die Chefin des Ungarischen Radios drohte der Zeitung mit einem Gerichtsprozess und kündigte an, ihre Vergangenheit von staatlichen Stellen überprüfen zu lassen. Kondor, einst eine populäre Reporterin, hatte ihren Posten während der Orbán-Regierung erhalten, sie galt als vertraute des konservativen Regierungschefs. Auch als Radiochefin bleibt sie ihrer konservativen Linie treu, zum Unwillen der linksliberalen Regierung.

Geheimdienst-Staatssekretär András Tóth schloss die Echtheit der Dokumente nicht aus. "Eine Überprüfung der Vergangenheit Katalin Kondors ist jedoch nicht möglich, da sie bei der Abwehr tätig gewesen sein soll - für diese Gruppe gilt unser Durchleuchtungsgesetz nicht", ergänzte er. Kondor könne lediglich die entsprechenden Behörden um eine Stellungnahme ersuchen, ob die Anschuldigungen richtig seien.

"Die Aufarbeitung der Stasi-Dokumente ist noch im Gang, gegenwärtig sind sie bis 1970 aufgearbeitet", bedauerte Tóth. Daher könne man nicht sagen, ob darunter auch Dokumente über Kondor seien. Die "Népszava" machte mittlerweile den angeblichen Verbindungsoffizier der Radiochefin ausfindig, dieser stritt jedoch ab, Kondor zu kennen.

Der MSZP-Medienpolitiker István Újhelyi nahm die Gelegenheit wahr, um der Unzufriedenheit seiner Partei mit Katalin Kondor als Radiovorsitzende Ausdruck zu verleihen. Am Dienstagvormittag (7.10.) griff Újhelyi, der erst vor wenigen Monaten eine Kampagne der Jungsozialisten zur Propagierung der Leistung der Regierung geleitet hatte, auf einer Pressekonferenz vor dem Ungarischen Radio dessen Programme und Personalpolitik an. Er musste die Pressekonferenz allerdings wegen der Zwischenrufe einiger Zaungäste unterbrechen, die sich zu den so genannten konservativen "bürgerlichen Zirkeln" bekannten, und konnte sie im Abgeordnetenhochhaus fortsetzen.

Újhelyi fragte, ob der frühere Geheimdienstchef und Fidesz-Vorsitzende László Kövér und der Vorsitzende des Radiokuratoriums, Károly Szadai, die belastenden Papiere nicht schon gekannt haben mussten. "Ich denke, die Antwort lautet ‚Ja‘", so der MSZP-Medienpolitiker. Újhelyi zufolge war Kondor erpressbar und musste sich dem Willen anderer fügen, was bei einem Radiovorsitzenden eines demokratischen Landes unakzeptabel sei. László Kövér und Károly Szadai nannten die Rede Újhelyis ein "krankes Hirngespinst". Sie kündigten an, den sozialistischen Politiker gerichtlich zur Verantwortung zu ziehen. (fp)