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"Chicken oder Pasta?"

10. November 2010

Die Verkostung in Flugzeugen lässt meistens zu wünschen übrig. Das Essen schmeckt oft eintönig und fad. Jetzt fand eine Forscherin Erstaunliches über die Geschmackswahrnehmung über den Wolken heraus ...

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Passagier im Flugzeug wird Tomatensaft serviert. (Foto: AP)
Das Essen im Flieger ist so eine SacheBild: AP

Flugzeugessen ist auf breiter Front unbeliebt. Das liegt in erster Linie am Geschmack und der liegt an der Zubereitung der Gerichte. Leckere Rezepte schmecken in 10.000 Meter Höhe mit ihrer bekannten Würzung anders als gewohnt, sie schmecken eintönig. Die Köche der Fluggesellschaften wissen aus Erfahrung, dass sie Flugzeugessen stärker salzen und würzen müssen. Asiatische Gerichte, die mit viel Soja-Soße und vielen Gewürzen zubereitet sind, kommen bei den Fluggästen am besten an. Was am Boden richtig scharf ist, verliert scheinbar in der Luft seinen Pepp. Doch woran liegt das? Welche Mechanismen sind hier am Werk? Den Antworten auf diese Fragen ist die Chemikerin, Andrea Burdack, vom Fraunhofer Institut in Holzkirchen bei München auf den Fersen.

Die Druckverhältnisse sind schuld

Die Aroma-Chemikerin verdächtigt die veränderten Druckverhältnisse an Bord eines Flugzeugs als Geschmacksräuber. "Man hat im Blut eine sogenannte Hypoxie, eine Sauerstoff-Unterversorgung und dadurch sind die Rezeptoren weniger leistungsfähig. Bei den Riechrezeptoren kommt hinzu, dass Aromastoffe, um an die Riechrezeptoren zu kommen, erst einmal durch die Nasenschleimhaut müssen, sprich darin eingelöst werden müssen, und bei niedrigeren Druckverhältnissen lösen sie sich schlechter ein," sagt Andrea Burdack.

Stewardess serviert (Foto: AP)
Eine willkommene Ablenkung?

Flugsimulator als Restaurant

Am Fraunhofer Institut in Holzkirchen steigen Versuchspassagiere in eine ausgemusterte Kabine eines Airbus A310, die in eine Niederdruckröhre eingebaut ist. Technisch kann man hier eine Reiseflughöhe von bis zu 12.000 Metern simulieren. Das heißt, es herrschen Druckverhältnisse, die 2.200 Meter über dem Meeresspiegel entsprechen. Um das Ganze noch authentischer wirken zu lassen, werden Fluggeräusche eingespielt. Man kommt sich vor als ob man tatsächlich fliegt.

Hier will es die Chemikerin wissen. Sie verdünnt verschiedene Gummibärchenaromen, die die Probanden sowohl unter normalem als auch bei niedrigem Luftdruck erkennen.

Die Vermutung ist, dass jeder Proband eine individuelle Geschmacksschwelle hat, die der der Fachliteratur entspricht. Unter den Druckverhältnissen an Bord eines Flugzeugs steigt diese Geschmacksschwelle. Der Versuch in der Niederdruckröhre zeigt tatsächlich: unter niedrigem Druck muss die Konzentration des Aromas 10mal so hoch sein, bevor es erkannt wird.

Als zweiten Gang serviert Andrea Burdack das berühmte Chicken. Das Besondere an diesem Essen: zweierlei Saucen, eine herkömmliche "Bodenvariante" und eine, die entsprechend verändert wurde. Die Passagiere sollen danach bewerten, wie die beiden verschiedenen Saucen geschmeckt haben und welche markanten Unterschiede ihnen aufgefallen sind.

Ein bitterer Abgang

Die Forscherin stellt fest, dass vor allem saure und bittere Geschmacksstoffe von den Probanden wahrgenommen werden. Dagegen werden Salz und Zucker um 30 Prozent weniger geschmeckt. Bei der Weinauswahl spielt die verminderte Geschmackswahrnehmung ebenfalls eine Rolle: Erdige, schwere Weine erhielten gute Noten, leichte Weine hingegen schmeckten sehr schnell zu sauer.

Und auch das Rätsel des Tomatensafts scheint gelöst: Seine steile Flugzeugkarriere verdankt er seinem bitteren Aroma, das am Boden muffig wirkt, über den Wolken aber fruchtig und kühlend. Außerdem zügeln diese Bitterstoffe den Appetit, den man im Flieger unweigerlich spürt.

Autor: Alex Reitinger
Redaktion: Judith Hartl