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Chile lockert Abtreibungsgesetz

Janina Semenova / Emilia Rojas6. September 2016

Epochenwende in Chile: Nach dem Parlament stimmt auch der Senat für eine Reform der Abtreibungsgesetze. Ein Erfolg für Präsidentin Michelle Bachelet. Bisher waren Schwangerschaftsabbrüche komplett verboten.

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Nackter Bauch einer Schwangeren mit aufschrift "Poder elegir" (Foto: picture-alliance/dpa/M. Ruiz)
"Poder elegir" - Schwangere in Chile wollen selbst entscheidenBild: picture-alliance/dpa/M. Ruiz

Chile hat eines der restriktivsten Abtreibungsgesetze der Welt. Schwangerschaftsabbrüche sind selbst bei Lebensgefahr für Mutter und Kind verboten. Nach jahrelangen politischen Auseinandersetzungen wird das Gesetz nun reformiert.

Am Dienstag stimmte der Gesundheitsausschuss des Senats über eine entsprechende Gesetzesinitiative der Regierung von Präsidentin Michelle Bachelet ab und gab grünes Licht für die Reform des Abtreibungsgesetzes. Die erste parlamentarische Hürde wurde bereits im März 2016 überwunden: Die Abgeordnetenkammer stimmte mit 66 Stimmen für das Gesetzesvorhaben.

Der neue Gesetzentwurf sieht vor, dass Abtreibungen künftig in drei Fällen straffrei sind: Bei Lebensgefahr für die Mutter, bei fehlenden Überlebenschancen des Fötus und bei Vergewaltigung.

Die bisher restriktive Gesetzgebung stammt noch aus der Zeit der chilenschen Militärdiktatur (1973 - 1990). Machthaber Pinochet verhängte 1989 ein vollständiges Abtreibungsverbot.

Zwei tanzende Frauen feiern das Gesetzesvorhaben (Foto: EPA/Claudio Bueno)
Feiern, dass das gelockerte Abtreibungsgesetz angenommen wurdeBild: picture-alliance/dpa/C. Bueno

Proteste gegen Abtreibung

Die Lockerung des Abtreibungsgesetzes ist in Chile umstritten. Am Wochenende protestierten im Zentrum der Hauptstadt Santiago tausende Abtreibungsgegner gegen die Reform. Kirchen hatten unter dem Motto "Feier für das Leben" zu einer Kundgebung aufgerufen.

Der Erzbischof von Santiago, Kardinal Ricardo Ezzati, übergab dem chilenischen Innenminister Mario Fernandez eine halbe Million Unterschriften gegen die Lockerung des Abtreibungsgesetzes. "Wir haben dieses Treffen organisiert, nicht, weil es sich gegen irgendjemanden richtet, sondern weil es für das Leben ist", sagte Ezzati laut chilenischen Medien.

Nach staatlichen Angaben werden in Chile jährlich rund 150.000 illegale Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen. Menschenrechtsorganisationen sehen das sehr kritisch. Laut Amnesty International würden viele Frauen dazu gezwungen, illegal unter schlechten medizinischen Umständen abzutreiben.

Frauen demonstrierenfür legale Abtreibungen (Foto: Pablo Rojas Madariaga)
Bereits im Juli demonstrierten Frauen in Santiago für legale Abtreibungen in ChileBild: picture-alliance/dpa/P.R.Madariaga

Tödliches Verbot

Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) finden weltweit jedes Jahr rund 22 Millionen sogenannte "unsichere Abtreibungen" statt. Die WHO sieht strikte Abtreibungsgesetze als einen Grund dafür. Laut einer aktuellen Studie führten restriktive Gesetze nicht dazu, dass die Abtreibungsraten sinken. 2008 seien bei solchen Abtreibungen weltweit 47.000 Frauen gestorben. Einer Studie von Amnesty International zufolge sind Abtreibungen mindestens für einen von zehn Todesfällen unter werdenden Müttern in Lateinamerika verantwortlich.

Chile fügt sich ein in den lateinamerikanischen Kontext. In der Region ist Abtreibung nur in wenigen Ländern in den ersten zwölf Wochen einer Schwangerschaft straffrei - zum Beispiel in Kuba, Uruguay und in Mexico-City. In Venezuela, Paraguay und Peru sind Schwangerschaftsabbrüche auch bei Vergewaltigungen nicht erlaubt.

Konservative Ärzte in Lateinamerika lehnen Schwangerschaftsabbrüche in vielen Fällen aus ideologischen Gründen ab, auch wenn sie offiziell erlaubt sind. "Frauen dort haben große Schwierigkeiten, überhaupt Ärzte zu finden, die eine Abtreibung vornehmen", sagt Ingrid Spiller, Leiterin des Referats Lateinamerika der Heinrich-Böll-Stiftung. Trotzdem sei eine Abtreibung natürlich immer der letzte Schritt und die grundlegende sexuelle Aufklärung solle in Lateinamerika wichtiger werden.