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China entdeckt den deutschen Markt

15. Juli 2010

Die deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen sind in den letzten Jahren um eine spannende Facette reicher geworden: Die Investitionen chinesischer Unternehmen in Deutschland.

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Siemens-Werk (Foto: dpa)
Immer mehr chinesische Investoren zeigen Interesse an der deutschen WirtschaftBild: picture alliance/dpa

Bei der Reise von Bundeskanzlerin Angela Merkel nach China, wo sie an diesem Donnerstag (15.07.2010) erwartet wird, geht es vor allem um die Wirtschaftsbeziehungen - und das in beide Richtungen. Denn längst haben chinesische Unternehmen auch den deutschen Markt im Visier.

Die chinesische Regierung fördert seit über einem Jahrzehnt Auslandsinvestitionen. Mit einem Programm Namens "Zouchuqu" - was so viel heißt wie "Hinausgehen" - unterstützt Peking chinesische Unternehmen bei ihren internationalen Expansionsvorhaben. Liu Liqun hat als Wissenschaftler an der chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Deutschland und China genau im Blick. "Zouchuqu" sei ein fester Bestandteil der chinesischen Reform- und Öffnungspolitik, sagt Liu. "Die chinesische Regierung möchte nicht nur, dass ausländische Firmen in China investieren, sondern auch, dass chinesische Unternehmen in Überseemärkten Fuß fassen."

Schnelle Regeneration

Maschinenbauer (Foto: dpa)
Deutschlands Wirtschaft bietet innovative Technologien und hohe QualitätsstandartsBild: picture-alliance / dpa/dpaweb

Liu weist darauf hin, dass sich China als eines der ersten Länder von der Finanz- und Wirtschaftskrise erholen konnte. Mit dem aufgewerteten Yuan und den gigantischen Devisenreserven wachse sowohl das Selbstbewusstsein der chinesischen Regierung als auch die Fähigkeit, die Politik des "Hinausgehens" umzusetzen. Eine Strategie besteht darin, weltweit Unternehmen aufzukaufen, die durch die Finanzkrise in Bedrängnis geraten sind. Die chinesischen Statistiken sprechen eine klare Sprache: 1999 gab China für den Kauf ausländischer Unternehmen ca. 48 Millionen Euro aus. Ein Jahrzehnt später hat sich diese Summe um das 500fache gesteigert.

Auf der Jagd nach Know-how

Skulpturen und Hochhäuser in Peking (Foto: AP)
Die Krisenstimmung ist schon vergessen - China setzt auf InvestitionenBild: AP

Huang Qun arbeitet in einer Frankfurter Kanzlei als Rechtsanwalt. Er berät chinesische Unternehmen bei ihren Investitionsvorhaben in Deutschland. Über die Jahre konnte Huang die Aktivitäten chinesischer Firmen in Deutschland beobachten. Für Huang begann die erste Ansiedlungswelle vor rund 25 Jahren in Hamburg. Damals seien es überwiegend Handelsunternehmen gewesen. In den neunziger Jahren folgten dann produzierende Unternehmen. Heute beobachtet er die dritte Ansiedlungswelle: "Jetzt kommen chinesische Firmen, um Know-how und Technologien durch Übernahme die deutscher Unternehmen zu erwerben", sagt er.

Ma Zhenzhou berät ebenfalls zahlreiche chinesische Firmen. Der Düsseldorfer Rechtsanwalt beobachtet, dass zur Zeit eine große Zahl chinesischer Unternehmen auf den deutschen Markt drängt. Diese Firmen seien vor allem im Maschinenbau und der Metallverarbeitung tätig. Zwar existiere keine verlässliche Statistik hinsichtlich des gesamten Investitionsvolumens chinesischer Unternehmen in Deutschland. Doch Ma schätzt es auf über 100 Millionen Euro jährlich: "Die chinesischen Investoren realisieren bereits zu Hause, dass die alte Strategie, als verlängerte Werkbank zu agieren, an ihre Grenzen stößt. Das heißt, sie orientieren sich an hochwertigen Produkten und an hoch qualifizierten Märkten. Dies ist eine Art Reifeprüfung. Wenn man in Deutschland bestehen kann, kann man überall auf der Welt bestehen."

Deutscher EXPO-Pavillon
Nicht nur bei der EXPO 2010 in Shanghai trifft Deutschland in China auf großes InteresseBild: Yovohagrafie, Deutscher Pavillon

Deutschland als Testfeld

Das Engagement chinesischer Investoren trifft in Deutschland auf positive Resonanz. Städte und Gemeinden versuchen, chinesische Investoren anzulocken. Sie bieten chinesischen Unternehmern durch staatliche Wirtschaftsförderungsgesellschaften erste Unterstützung an.

Eine solche Wirtschatsförderungsgesellschaft ist die NRW Invest. Geschäftsführerin Petra Wassner bietet den Investoren aus China kostenlose Beratung. Dabei geht es um mögliche Investitionsstandorte oder auch um Hinweise auf steuerliche und rechtliche Besonderheiten. Trotz aller Hilfe ist für viele chinesische Investoren der Einstieg in Deutschland mit zahlreichen Schwierigkeiten verbunden. Zum einen gehen viele chinesische Unternehmer naiv oder schlecht vorbereitet an ihr Deutschlandengagement heran. Zum anderen mangelt es oft an interkultureller Kompetenz. Doch beginnen die Schwierigkeiten nicht erst bei der Zusammenarbeit mit den Deutschen. Nicht wenige chinesische Unternehmen haben bei ihrem Gang nach Deutschland schon an der Grenze Probleme, erläutert NRW-Invest Geschäftsführerin Petra Wassner: "Die größten Probleme gibt es mit Aufenthaltsgenehmigungen für Mitarbeiter aus China," erzählt Wassner.

Trotz aller Schwierigkeiten, wächst die Expansionslust in China weiter - denn die Umstände sind günstig: Der Euro verlor in jüngster Zeit mehr als zehn Prozent an Wert gegenüber dem chinesischen Yuan. Beste Zeit also, um sich dem Deutschlandtest zu stellen.

Autor: Yan Jun
Redaktion: Nicola Reyk