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"China erhöht Druck auf Nachbarstaaten"

Gabriel Dominguez | re24. Februar 2016

Aktuelle Satellitenbilder lassen vermuten, dass China ein Hochfrequenz-Radar auf den umstrittenen Spratly-Inseln errichtet. Die Militarisierung geht weiter, so Gregory Poling im DW-Interview.

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China Spratly-Inseln Luftaufnahmen von chinesischen Radar-Anlagen (Foto:CSIS)
Bild: CSIS Asia Maritime Transparency Initiative/DigitalGlobe

Seit etwas mehr als einer Woche werden von amerikanischen Medien und Think Tanks immer neue Bilder und Informationen über chinesische Aktivitäten im Südchinesischen Meer veröffentlicht. Am Montag gab der kommerziellen Anbieter Digital Globe Satellitenbilder heraus, die nach Ansicht des amerikansichen Think Tanks CSIS möglicherweise den Bau eines chinesischen Hochfrequenz-Radars auf den Spratly-Inseln im Südchinesischen Meer zeigen.

Erst wenige Tage zuvor waren Bilder von chinesischen Boden-Luft-Raketen auf den Paracel-Inseln publik geworden. Am Mittwoch - während eines Besuchs des chinesischen Außenminsiter Wang Yi in Washington - erklärte der US-amerikanische Nachrichtensender CNN unter Berufung auf einen anonymen Amtsträger, dass China auf den Paracels zusätzlich J-7 und J-11 Kampfjets stationiert haben soll.

Die Deutsche Welle hat mit dem US-Experten Gregory Poling gesprochen, um die Bilder vom Montag zu erklären und einzuordnen.

Deutsche Welle: Warum glauben Sie, dass China auf den Spratly-Inseln ein Hochfrequenz-Radar errichtet?

Gregory Poling: Eine Reihe von etwa 20 Meter hohen Stangen wurden auf einem großen Areal der künstlichen Insel des Cuarteron-Riffs errichtet. Das kann als Vorbereitung zur Installation eines Hochfrequenz-Radars gedeutet werden, insbesondere da Cuarteron das südlichste von China kontrollierte Riff im Südchinesischen Meer ist, was den Bau plausibel macht.

Gregory Poling (Foto:privat)
Gregory Poling, Direktor der Asia Maritime Transparency InitativeBild: privat

Wenn sich herausstellen sollte, dass es sich tatsächlich um ein derartiges Radar handelt. Was würde das bedeuten?

Ein Hochfrequenz-Radar auf Cuarteron würde Chinas Kapazitäten zur Überwachung des Luftraums und des Meeres im südlichen Teil des Südchinesischen Meeres deutlich erhöhen. Bisher hat China diese Möglichkeiten nicht.

Es handelt sich um ein wichtiges Puzzleteil der langfristigen Strategie Chinas, die Kontrolle über das Gebiet innerhalb der Neun-Striche-Linie zu etablieren. Der Bau betrifft unmittelbar alle Anrainerstaaten in Südostasien, deren Aktivitäten von China möglicherweise überwacht und beeinträchtigt werden könnten. Das Radar hätte nicht zuletzt Folgen für die US-Streitkräfte, sollte es in Nordostasien [etwa wegen Nordkorea, Anm. d. Red.] zu einer Krise kommen, was die Verlegung US-amerikanischer Truppe durch das Südchniesische Meer notwendig machen würde.

Um was für ein Radarsystem handelt es sich genau?

Allein aufgrund der jetzt veröffentlichten Satellitenfotos ist es unmöglich das festzustellen. Es gibt eine Vielzahl verschiedener Hochfrequenz-Radare.

Chinas Neun-Striche-Linie im Südchinesischen Meer (Grafik:DW)
Chinas Neun-Striche-Linie im Südchinesischen Meer

Stellt ein derartiges Radar eine Bedrohung dar?

Da China die Zahl seiner Schiffe und Flugzeuge auf den Spratlys erhöht - und zwar umso schneller, je weiter die Bauarbeiten fortschreiten -, wird es in der Lage sein, mehr und mehr Druck auf die Nachbarstaaten auszuüben.

Die Voraussetzung dafür ist die Überwachung des See- und Luftraums. Genau dazu dient das neue Radar. China verfolgt möglicherweise langfristig das Ziel, dass kein südostasiatisches Land mehr ohne Chinas Duldung rund um die Spratlys operieren kann.

Die Sprecherin des chinesischen Außenmininsteriums Hua Chunying sagte, dass China jedes Recht habe, begrenzte Verteidigungsmaßnahmen innerhalb seines Territoriums zu ergreifen. Was sagt das über die politischen Pläne Pekings mit Blick auf die Region Südchinesisches Meer?

Erstens zeigt es an, dass China noch nicht einmal bereit ist die Ansprüche anderer Staaten überhaupt wahrzunehmen, geschweige denn, darüber zu verhandeln oder eine diplomatische statt einer militärischen Lösung anzustreben. China kann nicht darauf bestehen, jedes Recht zu haben, auf umstrittenen Territorien zu bauen, und gleichzeitig jede noch so kleine Aktivität anderer Anspruchssteller scharf kritisieren.

Zweitens zeigen die Äußerungen, dass China glaubt, dass es seine Machtprojektion, wenn auch nicht legal, so doch de facto, Stück für Stück weiter ausweiten kann, bis es die Kontrolle über alle umstrittenen Gebiete im Südchinesische Meer besitzt. Zumindest solange die Spannungen unterhalb der Schwelle einer US-Intervention bleiben.

Chinesisches Radar auf dem Guaven-Riff (Foto:CSIS)
Chinesisches Radar auf dem Guaven-RiffBild: CSIS Asia Maritime Transparency Initiative/DigitalGlobe

Peking weist Vorwürfe der USA und anderer Regierungen zurück und behauptet, alle Installationen verfolgten defensive und in erster Linie zivile Ziele. Überzeugt Sie das?

Fast alles, was China auf den Spratly-Inseln baut, lässt sich auf zweierlei Weise nutzen. Mit anderen Worten, alles kann sowohl zivilen als auch militärischen Zwecken dienen. Das gilt für Radare, Rollfelder und Hafenanlagen. Aber tatsächlich will China die notwendige Infrastruktur errichten, um schnell Truppen verlegen zu können.

Natürlich kann China behaupten, dass das Hochfrequenz-Radar einem zivilen Zweck dient, aber in diesem Fall wäre das Radar völlig überdimensioniert. Es gibt bereits kleinere Radare, die mehr als ausreichend sind, um die sichere Fahrt der zivilen Schifffahrt zu gewährleisten. Wir haben das bereits bei den Rollfeldern gesehen. Sie sollen der zivilen Luftfahrt dienen, aber dann gibt es keinen Grund, ein 3000 Meter langes Rollfeld zu bauen. Das macht nur für die militärische Nutzung Sinn. Das wäre so, als würde jemand eine große Villa bauen, aber behaupten, nur im Erdgeschoss zu wohnen.

Wie werden die Nachbarstaaten und die USA reagieren?

Das wird die Spannungen in der Region und mit weiter entfernten Mächten wie den USA, Japan und Australien weiter verschärfen. Es wird in Südostasien und darüber hinaus die Wahrnehmung zementiert, dass China keinen Anlass sieht, seinen Kurs zu ändern und eine faire Lösung mit seinen Nachbarn anzustreben.

Das wird außerdem dazu führen, dass die Nachbarstaaten weiter aufrüsten und ihre Sicherheitskooperation mit den USA, Japan, Australien und anderen vertiefen werden. Es wird auch dazu führen, dass die chinesischen Ansprüche durch US-amerikanische Operationen zur Freiheit der Seefahrt oder durch sogenannte "gateway patrols" Australiens herausgefordert werden [Anm. d. Red.: Dabei geht es um die bewusste Verletzung chinesischer Ansprüche - die von den USA bestritten werden - durch Überflug oder Durchfahrt mit militärischen Fahrzeugen].

Mit der Fertigstellung der künstlichen Inseln innerhalb der nächsten Monate durch China und dem erwarteten Urteil des Schiedsverfahrens im Fall Philippinen gegen China Ende Mai ist sicher, dass die Spanungen im Laufe des Jahres 2016 dramatisch zunehmen werden.

Gregory B. Poling ist Direktor der Asia Maritime Transparency Inititative (AMTI) des Washingtoner Think Tanks Zentrum für Strategische und Internationale Studien (CSIS).

Das Interview führte Gabriel Dominguez.