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China erobert Lateinamerika

Evan Romero-Castillo / Greta Hamann9. Januar 2015

Chinas Gewicht in Lateinamerika wächst. In den nächsten zehn Jahren will das Land 250 Milliarden Dollar in den Subkontinent investieren. Doch was fordern die Chinesen im Gegenzug von den Lateinamerikanern?

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Treffen Chinas und der CELAC-Staaten in Peking (Foto: REUTERS/Rolex Dela Pena/Pool)
Bild: Reuters/Rolex Dela Pena

Um von China nach Lateinamerika zu gelangen, muss man eine ganze Weltreise machen. Mehr als einen Tag dauert es mit dem Flugzeug. Dennoch werden die Bande zwischen dem asiatischen Riesen und vielen südamerikanischen Ländern immer enger.

Nach einem Treffen mit den Staatsoberhäuptern Venezuelas, Ecuadors und Costa Ricas in Peking kündigte Chinas Präsident Xi Jingping an, er wolle den Handel mit Südamerika in den kommenden zehn Jahren verdoppeln. Direkt in Anschluss an die bilateralen Gespräche folgte das erste Ministertreffen (08.01.-09.01.) zwischen China und der Gemeinschaft Lateinamerikanischer und Karibischer Staaten (Celac). Der Celac gehören alle amerikanischen Staaten mit Ausnahme der USA und Kanadas an. Es gehe jetzt um einen Plan für die weiteren wirtschaftlichen Kooperationen zwischen Celac und China, sagte Xi Jinping in einer Fernsehansprache: "Ich glaube, dass dieses Treffen gute Resultate bringen und eine starke Botschaft in die Welt senden wird - über unser Engagement, die Kooperationen für eine gemeinsame Entwicklung weiter zu stärken."

Der US-amerikanische Hinterhof wird asiatisch

Die Region, die lange Zeit als Hinterhof der USA galt, wendet sich zunehmend gen China. Für die Länder Brasilien, Chile und Peru ist der asiatische Staat mittlerweile der wichtigste Handelspartner. In Mexiko, Argentinien und Venezuela steht China direkt an zweiter Stelle hinter den USA. Seit 2010 hat sich das Handelsvolumen zwischen Südamerika und China von 10 Milliarden Dollar im Jahr 2000 auf 257 Milliarden Dollar im Jahr 2013 extrem vervielfacht. Hinzu kommen die hohen Kredite, die China zahlreichen Ländern gewährt.

Aktuell sind Länder wie Venezuela oder Ecuador, deren Wirtschaft vor allem auf dem Export von Erdöl basiert, besonders auf die Hilfe externer Geldgeber angewiesen. Denn der Ölpreis befindet sich auf einer rasanten Talfahrt. Mittlerweile ist der Preis für ein Fass der Sorte Brent sogar unter die bedeutsame 50-Dollar-Marke gefallen. Und so sicherten sich Venezuela und Ecuador jetzt bei bilateralen Gesprächen in Peking weitere Kredite Chinas in Milliardenhöhe. Der größte Schuldner mit Verpflichtungen von mehr als 50 Milliarden Dollar ist dabei Venezuela. Das Land befindet sich aktuell in einer schweren Wirtschaftskrise.

Mittlerweile nehme China bei der Hilfe für Länder, die in Zahlungsschwierigkeiten geraten sind, eine ähnliche Rolle wie der Internationalen Währungsfonds (IWF) ein, sagen Experten. Der Vorteil des chinesischen Geldes: Es ist günstig und nicht an Bedingungen geknüpft. Anders als beim IWF, der beispielsweise eine Haushaltssanierung des Kreditnehmers fordern kann. "China nutzt die Lücke, die der IWF hinterlässt, um langfristige Allianzen aufzubauen und seine eigenen Interessen durchzusetzen", sagte Miguel Otero-Iglesias, Forscher am spanischen Real Instituto Elcano, der spanischen Tageszeitung El País. Diese Allianzen sichern China langfristig den Zugang zu Rohstoffen wie Öl, wichtigen Mineralien oder Sojabohnen. Außerdem erschließt sich die Führung in Peking damit neue riesige und immer attraktivere Absatzmärkte für die eigenen Produkte.

China will nicht nur Erdöl im Gegenzug

Langfristig wird China seinen Einfluss noch weiter ausweiten, glaubt Victor Mijares vom GIGA-Institut in Hamburg. Er erinnert an das chinesische Vorgehen in vielen afrikanischen Ländern: "Das Wahrscheinlichste ist, dass Peking mit der Zeit im Gegenzug nicht nur Erdöl fordern wird, sondern auch etwas, was China die Möglichkeit gibt, insgesamt mehr Kontrolle über die Erdölindustrie der Partnerländer zu erlangen." Bauprojekte würden vermehrt von chinesischen Firmen ausgeführt werden, außerdem würden Technologien chinesischer Firmen genutzt und chinesisches Personal nach Lateinamerika geschickt. Ein ähnliches Vorgehen lässt sich bereits beim Bau des Nicaragua-Kanals feststellen.

Treffen von brasilianischen Präsidentin Dilma Rousseff und Xi Jinping in Brasilien (Foto: REUTERS/Ueslei Marcelino)
Chinas Staatsoberhaupt Xi Jinping und Brasiliens Dilma Rousseff beim letzten BRICS-TreffenBild: Reuters

Doch nicht nur auf wirtschaftlicher Ebene würde sich der chinesische Einfluss bemerkbar machen: "Länder wie Venezuela, die wirtschaftlich so stark von China abhängen, werden auch den politischen Einfluss zu spüren bekommen", sagt Victor Mijares und verweist auf Venezuelas neue Mitgliedschaft im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen sowie im UN-Menschenrechtsrat. "Für China ist es wichtig, in diesen Foren mit den Stimmen rechnen zu können, sobald Debatten aufkommen, die Chinas Interessen belangen.“ Yang Jiang, Professorin an der Kopenhagener School of Economics, bestätigt, dass Länder mit größeren Engagements bei chinesischen Zentralbanken mehrheitlich die gleiche Stimme wie China im UN-Sicherheitsrat abgeben.

Das wahre Gesicht

Dass China seine Beziehungen nach den politischen Interessen ausrichte, sei jedoch im internationalen Vergleich nichts besonderes, betont Jonas Wolff von der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK). Die oftmals angeführte Sorge, manche lateinamerikanische Regierungen könnten bei Verhandlungen mit China ihr wahres "autoritäres Gesicht" zeigen, entkräftet Wolff: "Auch wenn der Regierungsstil von Ecuadors Präsidenten Rafael Correa beispielsweise oft als autokratisch bezeichnet wird, ist er doch demokratisch legitimiert und regiert auch demokratisch. Diese Argumente treffen hier nicht zu."

Supermarkt in Caracas. (Foto: picture alliance/ZUMA Press/Becerra)
In Venezuela sind viele Regale leer. Der Verfall der Ölpreise trifft das Land hartBild: picture alliance/ZUMA Press/Becerra

Bislang waren die USA Handelspartner Nummer eins. Doch das ändert sich derzeit. Die Chinesen sind dabei, Lateinamerika für sich zu erobern.