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China Europa

29. Oktober 2011

Vertreter kriselnder Euro-Staaten geben sich in Peking die Klinke in die Hand und bitten bei den Chinesen um Hilfe. Doch lässt sich die Schuldenkrise in Europa mit ein paar Milliarden aus China lösen?

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Die Fahnen der EU und der VR China (Foto: picture-alliance/dpa)
Bild: picture-alliance / dpa

Seit dem Ausbruch der Schuldenkrise in Europa und den USA haben sich die machtpolitischen Gewichte noch schneller zugunsten Chinas und anderer Schwellenländer verschoben. Gerade haben auf dem G20-Treffen der Finanzminister China, Brasilien und Indien angekündigt, über den Internationalen Währungsfonds (IWF) den Schuldenstaaten unter die Arme zu greifen.

Verkehrte Welt

Prof. Eberhard Sandschneider, Forschungsdirektor bei der DGAP (Foto: DGAP/dapd)
Prof. Eberhard Sandschneider, Forschungsdirektor bei der DGAPBild: DGAP/dapd

Für die Europäer ist das eine immer noch gewöhnungsbedürftige Situation: "Da kommen drei Schwellenländer, die es vor 30 Jahren nie gewagt hätten, davon zu träumen, dass sie in einem solchen Kreis überhaupt mitreden können", sagt Eberhard Sandschneider von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), und nun beginnen sie eine Institution wie den IWF vor sich her zu treiben, "den die Europäer gemeinsam mit den Amerikanern, fest im Griff zu haben glaubten", so Sandschneider gegenüber DW-WORLD.DE.

Auch wenn sich Europa vorerst ziert, arbeiten diese Schwellenländer laut Informationen der "Financial Times" bereits an einem Rettungspaket für die pleitebedrohten Staaten. Denn sie gehen davon aus, dass Europa nicht mehr imstande ist, sich selber aus dem Schuldensumpf zu ziehen. Favorisiert wird eine vom IWF ausgegebene Anleihe, die Europa vor einem Flächenbrand schützen soll. Sie bietet mehr Sicherheit als Schuldscheine klammer Euro-Staaten und ist daher für China und andere Schwellenländer attraktiver.

Bisher blieb es bei Lippenbekenntnissen

Prof. Huang Zemin von der East China Normal University (Foto: privat)
Prof. Huang Zemin von der East China Normal UniversityBild: Huang Zemin

Denn trotz wiederholter Betonung der Hilfsbereitschaft hielt sich Peking bisher mit dem Kauf der Anleihen krisengeschüttelter Staaten zurück. In den Euro-Rettungsfonds EFSF haben die Chinesen bisher nur 300 Millionen Euro investiert.

Zwar sitzt das asiatische Land auf einem Berg von 3,2 Billionen Dollar an Devisenreserven. Doch bei deren Einsatz gehe Sicherheit vor Rendite, sagt Huang Zemin, Finanzwissenschaftler an der East China Normal University. Zudem sei China gar nicht in der Lage, Europa zu helfen: "Die gesamte Wirtschaftsleistung Chinas ist zwar gigantisch. Es sieht jedoch gleich anders aus, wenn man sie auf die Bevölkerung verteilt." China sei alles in allem noch ein armes Land. Das Pro-Kopf-Einkommen betrage weniger als 5.000 Dollar im Jahr. In Europa sei es zehnmal höher. "Es ist von daher unrealistisch, dass China Europa helfen soll", sagt Huang Zemin zu DW-WORLD.DE.

Europa ist für China wichtig

Die EU-Flagge weht auf dem Tian'anmen-Platz (Foto: AP)
Die EU-Flagge weht auf dem Tian'anmen-PlatzBild: AP

Das Grundproblem Europas sieht Huang darin, "dass die Einnahmen und Ausgaben nicht im Einklang stehen". Auch China-Experte Sandschneider ist der Meinung, dass die Europäer ihre Hausaufgaben selber machen müssen. Doch angesichts der unglaublichen Devisenreserven sei China ein helfender Faktor, zumal ein stabiles Europa in Chinas eigenem Interesse liege: "China ist über die letzten Jahre Teil der globalen Wirtschaft geworden und hat ein massives Interesse daran, dass die globale Wirtschaft eine Stabilität aufrecht erhält, die auch China nutzt."

Für die Chinesen ist die EU längst zum wichtigsten Handelspartner geworden. 2010 importierten die 27 Länder für 280 Milliarden Euro chinesische Waren. Wenn Europa kollabieren würde, wäre auch der chinesische Export massiv gefährdet. Ein schwacher Euro schmälert zudem chinesisches Vermögen. Denn seit Jahren stockt das Reich der Mitte seine Euro-Bestände auf, um die Abhängigkeit von der Geldpolitik der amerikanischen Notenbank abzubauen. Es wird vermutet, dass inzwischen bereits ein Viertel der Devisenreserve in Euro investiert ist.

Gegenleistung erwartet

China kann und will Europa helfen, erwartet aber klare Gegenleistungen. Vor allem soll die zweitgrößte Volkswirtschaft endlich von der EU als Marktwirtschaft anerkannt werden. Nach den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) wird China 2016 ohnehin der Marktwirtschaftsstatus zuerkannt. Warum diese Eile? Für Eberhard Sandschneider ist das ganze Thema hochgradig symbolisch besetzt: "Es geht China darum, nicht durch einen Automatismus diese Form der Anerkennung zu finden, sondern durch einen positiven Akt der Anerkennung seitens der europäischen Staaten."

Auch handelspolitisches Interesse spiele eine Rolle, meint der Experte, denn der Status einer Marktwirtschaft würde das Land vor Anti-Dumping-Klagen schützen. Einen Durchbruch in dieser Frage wollen die Chinesen möglichst bald.

Autorin: Zhang Danhong

Redaktion: Henrik Böhme

Eberhard Sandschneider gilt als renommierter Experte für deutsche Außenpolitik. Gerade erschien sein neues Buch "Der erfolgreiche Abstieg Europas" im Hanser-Verlag.