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China will umstrittene Organentnahme regeln

Silke Ballweg27. Dezember 2012

China will die Organentnahme von Todeskandidaten abschaffen und ein System für Organspenden aufbauen. Der Organhandel wurde bereits verboten, aber Experten sind skeptisch, was die Praxis betrifft.

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Verurteilter in einem Gericht in Yunnan nimmt Todesurteil entgegen (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Wegen der Todesstrafe steht China seit Jahren international am Pranger. Denn in keinem Land der Erde werden mehr Menschen als in China hingerichtet. Wie viele genau es sind, ist unbekannt. John Kamm, Vorsitzender der amerikanischen Menschenrechtsorganisation Dui Hua Foundation, sagt, die offiziellen Zahlen der Hinrichtungen in China würden wie ein Staatsgeheimnis gehütet. Dennoch gelinge es Experten und Wissenschaftlern immer wieder, den Vorhang ein wenig zu lüften. "Sie gehen davon aus, dass 2011 rund 4000 Personen in China hingerichtet wurden", so Kamm gegenüber der Deutschen Welle.

Menschenrechtsgruppen fürchten, dass die Dunkelziffer noch höher ist. Ebenso im Dunkeln spielt sich die umstrittene, aber weitverbreitete Organentnahme von Hingerichteten ab. Roseanne Rise von Amnesty International sagte dazu: "In China sind die Organe von Hingerichteten sogar die Hauptquelle für Transplantationen. Mittlerweile haben selbst staatliche Stellen, etwa der Vize-Gesundheitsminister gesagt, dass das keine langfristig akzeptable Lösung sei."

Kulturelle Hürde für Organspenden

Anfang der 1970er Jahre wurden in China erste Transplantationen durchgeführt. Schon damals kamen die meisten Organe von hingerichteten Häftlingen. Wie damals so ist auch heute kaum ein Chinese bereit, seine Organe nach dem Tod zu spenden. Vielen scheint die Idee geradezu abwegig. Menschenrechts-Aktivist und China-Kenner John Kamm sieht als Ursache ein kulturelles Tabu. "Traditionell glaubt man in China, wenn man nach dem Tod diese Welt verlässt und eine neue Welt betritt, dann sollte man noch im Besitz all seiner Organe sein. Deswegen ist die Zahl der Spenden so gering." Deshalb habe man irgendwann damit angefangen, den Hingerichteten ihre Organe zu entnehmen.

Operationssaal in Shanghai (Foto: AP Graphics)
Organspende: ein kulturelles Tabu für viele ChinesenBild: AP Graphics

Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat bereits vor 25 Jahren die Organentnahme bei hingerichteten Häftlingen kritisiert. Denn von außen lasse sich nicht nachvollziehen, ob ein Gefangener einer späteren Organspende freiwillig zugestimmt hat, oder ob nicht vielmehr massiver Druck ausgeübt wurde, sagt Roseanna Rise von Amnesty International: "Wir haben die Sorge, dass die Häftlinge nicht unabhängig genug sind, dass sie nicht frei sind, um diese Entscheidung zu treffen. Denn sie sind ja in einem Gefängnis, in dem sie auf den Staat  angewiesen sind."

Enge Verzahnung von Hinrichtungen und Organentnahmen

Die chinesische Regierung wies bereits vor fünf Jahren auf die ethischen Probleme der Organentnahme von Hingerichteten hin. Seither dürfen Häftlinge offiziell nur noch engen Familienangehörigen Organe spenden. In der Praxis zeigte diese Regelung jedoch so gut wie keine Auswirkungen. Im Gegenteil: Internationalen Medienberichten zufolge werden pro Jahr rund 10.000 Transplantationen in China durchgeführt. Fast 7000 Organe sollen den Berichten zufolge von Häftlingen stammen. Mit anderen Worten: "Einer Leiche werden gleich mehrere Organe entnommen", so Roseanna Rise von Amnesty International.

Logo der Weltgesundheitsorganisation (Foto: AP)
Die WHO kritisiert seit langem die Organentnahme bei HingerichtetenBild: AP

Die meisten Hinrichtungen in China werden in sogenannten Hinrichtungsbussen per Todesspritze vollzogen. Zum Teil stehen die Fahrzeuge dabei direkt vor Krankenhäusern. Das garantiert eine schnelle Verfügbarkeit der Organe. Menschenrechtsgruppen gehen deswegen davon aus, dass auch Organhandel betrieben wird. Internationalen Presseberichten zufolge warten rund 1,5 Millionen Chinesen auf ein Spenderorgan. Mittlerweile ist der Organhandel zwar offiziell verboten. Experten wie John Kamm von der Dui Hua Foundation glauben dennoch, dass das Geschäft weiter läuft. Ein großer Teil des Geschäfts laufe über die chinesischen Gemeinschaften in Südostasien, berichtet Kamm. "Dort saßen Agenten. Sie handelten mit Patienten, die auf eine Transplantation warteten, die Abwicklung aus. Dann wurde der Patient nach China geflogen und in ein Krankenhaus gebracht. Dort wurde dann von einem Hingerichteten das Organ entnommen."

Jüngere Generation zu Spenden bereit

Nun hat die chinesische Regierung angekündigt, dass Organe von Hingerichteten nicht mehr für Transplantationen verwendet werden dürfen. Bis 2015 soll die derzeit gängige Praxis auslaufen. Das aber heißt auch: Der Staat muss die Bevölkerung motivieren, Organe zu Spenden, ein Netz für Transplantationen muss geschaffen, die Bürger über Abläufe informiert werden. Die meisten Chinesen wissen derzeit gar nicht, wo und wie sie sich für eine Organspende registrieren können. Die Bereitschaft gibt es durchaus, wie eine Einwohnerin Pekings, Anfang 30, gegenüber der Deutschen Welle sagt: "Ich könnte mir durchaus vorstellen, anderen zu helfen. Denn man hilft ja nicht nur einer einzigen Person, sondern man macht eine ganze Familie froh." Die Regierung sollte mehr Werbung für Organspende machen und die Leute motivieren, sich zu beteiligen. "Gerade wir Jüngeren wären durchaus bereit, zu spenden. Wir denken nicht unbedingt wie die Älteren, die meinen, man müsse nach dem Tod seinen ganzen Körper behalten."