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China wirft US-Kongress "Arroganz" vor

9. Dezember 2010

Einen Tag vor der Friedensnobelpreis-Verleihung an den chinesischen Regimekritiker Liu Xiaobo greift Chinas Regierung erneut die Unterstützer von Liu heftig an. Dem US-Kongress wirft China "Arroganz" vor.

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Konterfei von Liu Xiaobo auf Plakette (Archivfoto: AP)
Liu sitzt im Gefängnis und darf nicht zu der Preisverleihung reisenBild: AP
Jiang Yu spricht und hebt Hand (Archivfoto: picture alliance)
Chinas Außenamtssprecherin Jiang Yu: jeglicher politischer Druck prallt von uns abBild: picture-alliance/dpa

Mit starken Worten verwahrt China sich am Vortag der Friedensnobelpreis-Verleihung gegen Kritik aus dem Ausland. Jeglicher Versuch, in der Angelegenheit Druck auf China auszuüben, werde ohne Erfolg bleiben, sagte die Sprecherin des chinesischen Außenministeriums, Jiang Yu, am Donnerstag (09.12.2010). Dem US-Kongress wirft das Ministerium "arrogantes" Verhalten vor, weil dieser den in China inhaftierten Regimekritiker Liu Xiaobo unterstütze. Die Sprecherin forderte die USA auf, dem chinesischen Volk und seiner unabhängigen Justiz mit dem nötigen Respekt zu begegnen.

US-Resolution fordert Freilassung Lius

Das US-Repräsentantenhaus hatte am Mittwoch in einer Resolution Liu gewürdigt und China zur Freilassung politischer Gefangener aufgefordert. In der unverbindlichen Entschließung gratuliert die Kongresskammer dem Chinesen "für sein Eintreten für demokratische Reformen in China und für den Mut, mit dem er seine wiederholte Inhaftierung ertragen hat". 402 Abgeordnete stimmten in Washington für die Resolution, einer dagegen. US-Präsident Barack Obama wird darin aufgefordert, für die Freilassung Lius aus dem Gefängnis und das Ende des Hausarrests für Lius Frau Liu Xia einzutreten.

Laut einer vom Enthüllungs-Internetportal WikiLeaks am Mittwoch veröffentlichten US-Depesche hatten die USA China bereits kurz nach Lius Festnahme Ende 2008 gedrängt, den Menschenrechtler freizulassen. Schon damals waren sie aber auf Ablehnung gestoßen.

Druck aus China führt zu 19 Absagen an Oslo

Menschenrechtler mit Plakat und Megafon (Foto: AP)
In Hongkong demonstrierten Menschenrechtsaktivisten für Lius FreilassungBild: AP

Liu war im Dezember 2009 wegen Untergrabung der Staatsgewalt in China zu elf Jahren Gefängnis verurteilt worden. Er hatte 2008 mit einigen Mitstreitern aus Anlass des 60. Jahrestages der UN-Menschenrechtserklärung einen Appell für Demokratie und Menschenrechte in China verfasst: die "Charta 08". Zwei Tage vor der Veröffentlichung der Charta holte ihn die Polizei ab.

China hat seit der Bekanntgabe des diesjährigen Preisträgers Druck auf viele Länder ausgeübt, keine offiziellen Vertreter zur Preisverleihung nach Olso zu entsenden. Nach Angaben des Nobelinstituts haben mittlerweile 19 Staaten die Einladung zur feierlichen Verleihung des Friedensnobelpreises ausgeschlagen. Einige der Staaten hätten offenbar dem Druck Chinas nachgegeben, erklärte der Direktor des Nobelinstituts, Geir Lundestad, am Dienstag. Unter den Staaten, welche die Einladung ausschlugen, befinden sich neben China auch Russland, Kuba, Afghanistan und Kolumbien. Weitere Eingeladene hätten mit der Begründung abgesagt, sie seien zum Zeitpunkt der Verleihung verreist. 44 Botschaften hätten ihr Kommen zugesagt. Damit werde die Mehrheit der eingeladenen Staaten zu der Zeremonie erscheinen.

Die Sprecherin des chinesischen Außenministeriums teilte dagegen mit, die "große Mehrheit" der Länder werde nicht an der Veranstaltung teilnehmen. Mehr als hundert Staaten und internationale Organisationen würden China unterstützen, fügte Jiang hinzu.

Der Präsident des Nobelpreiskomitees, Thorbjoern Jagland, betonte unterdessen, dass sich die Vergabe des Friedensnobelpreises nicht gegen China richte. Zugleich äußerte er sich erfreut, dass zahlreiche Politiker Liu trotz des Drucks aus China unterstützten. "Wir haben nicht viel Unterstützung auf politischer Ebene erwartet, da so viele Länder wirtschaftlich und politisch von China abhängen", sagte Jagland.

Deutschland schickt offiziellen Vertreter

Das Bundesaußenministerium hatte schon im November mitgeteilt, Deutschland werde trotz der Proteste Chinas einen Vertreter zu der Zeremonie entsenden. "Die Bundesregierung wird in diesem Jahr, wie auch in den Vorjahren, durch ihren Missionschef bei der Zeremonie vertreten sein", sagte eine Sprecherin des Ministeriums. Davon sei die chinesische Führung auch unterrichtet worden.

Nach Angaben von EU-Diplomaten hatte China an zahlreiche Botschaften in Oslo Noten verschickt, in denen betont worden war, dass man eine Teilnahme an der Nobelpreisfeier für Liu als Affront ansehe. Kleineren Staaten sei offen mit Sanktionen gedroht worden, hieß es.

Erinnerungen an Nazizeit

Porträt-Foto Xiaobo (Archivfoto: ap)
Für elf Jahre im Gefängnis: Liu XiaoboBild: AP

Die Zeremonie zur Verleihung des Friedensnobelpreises soll am Freitag in der norwegischen Hauptstadt Oslo in Lius Abwesenheit stattfinden. Die chinesischen Behörden wollen auch Lius Frau nicht nach Olso reisen lassen. Es wird daher die erste Verleihung ohne den Preisträger oder eine offizielle Vertretung sein, seitdem die Nationalsozialisten in Deutschland dem Pazifisten Carl von Ossietzky 1935 die Teilnahme verweigerten.

Damit die Chinesen möglichst wenig über die Zeremonie erfahren, blockierte die Zensur zeitweise die Ausstrahlung des britischen Fernsehsenders BBC. Außerdem wurden verstärkt Internetseiten gesperrt. Unter anderem waren die Webseiten der BBC und des norwegischen Fernsehsenders NRK blockiert. Auch die Internetseiten von DW-WORLD.DE werden bereits seit längerer Zeit immer wieder gesperrt.

Dutzende chinesische Bürgerrechtler wurden zudem in den vergangenen Wochen nach Angaben von Menschenrechtsaktivisten unter Hausarrest gestellt, in Haft genommen oder mit Drohungen eingeschüchtert. Führenden Vertretern der Zivilgesellschaft sei die Ausreise verweigert worden, um zu verhindern, dass sie vielleicht nach Oslo reisen. Diese Taktiken seien nicht neu, doch gehe die Verfolgung über jüngste Phasen der Unterdrückung hinaus, erklärte die Organisation Chinese Human Rights Defenders (CHRD). Ein Bürgerrechtler nannte den Druck "schlimmer als im Vorfeld der Olympischen Spiele in Peking oder nach der Veröffentlichung der 'Charta 08'".

Autor: Martin Schrader (afp, dapd, dpa, rtr)
Redaktion: Eleonore Uhlich / Ursula Kissel

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