1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Chinas Weg zur High-Tech-Nation

15. Juni 2004

In China gibt es keine DVDs, kein Wireless-LAN und auch kein Windows-Betriebssystem nach westlichem Standard: Das "Reich der Mitte" geht in der Computertechnik eigene Wege. Eine riskante Gratwanderung.

https://p.dw.com/p/5BIs
Microsoft-Konkurrenz aus ChinaBild: AP


Die Regierung macht Druck: Chinesische High-Tech-Firmen müssen international üblichen Standards die kalte Schulter zeigen und eigene Produkte und Bauteile entwickeln. "Die Abhängigkeit von ausländischer Technologie und die Möglichkeiten, diese zu überwinden, sind sehr wichtige Themen für die chinesische Zeitgeschichte", sagt der China-Experte Richard Suttmeier von der Universität von Oregon. China will nicht noch einmal "von fremden Mächten bestimmt werden" wie im 19. Jahrhundert.

Außerdem: Firmen, die im eigenen Land forschen und produzieren, sind auch leichter zu überwachen. Chinesische DVDs laufen nur auf chinesischen Abspielgeräten, das chinesische Mobilfunknetz soll vor allem von Handys genutzt werden, die im Land selbst hergestellt werden. Und ein klein bisschen Ehrgeiz und "Techno-Nationalismus" ist auch dabei: China spielte über Jahrhunderte hinweg bei der Entwicklung neuer Techniken nur die zweite Geige.

Die technologische Aufholjagd

Bei Mobiltelefonen oder in der Computersicherheit will China über kurz oder lang Weltmarktführer werden. Das Ministerium für Wissenschaft und Technologie hat vor, allein in diesem Jahr 1,3 Milliarden Dollar zu investieren, um vor allem "die Hochtechnologie anzuheizen", erzählt Richard Suttmeier. Neben nationalen Motiven sind es aber auch Kostengründe, die chinesische Hersteller zu eigenen Entwicklungen antreiben.

Für jeden DVD-Player müssen 4,50 Dollar an sechs japanische Firmen gezahlt werden, die die DVD-Technik entwickelt haben. So wurde dafür einfach eine Ersatztechnik entwickelt: die "Enhanced Versatile Disc", kurz EVD. Bei Betriebssystemen ist es ähnlich, hier kommen allerdings noch Sicherheitserwägungen hinzu. Die stets auf Geheimhaltung bedachte kommunistische Regierung will sich nicht auf das in den USA entwickelte Microsoft-Betriebssystem Windows verlassen. Stattdessen fördert sie eine eigene Linux-Umsetzung, das "Red Flag Linux".

Gefahr im Verzug

In Anbetracht der Größe des chinesischen Marktes könnte bereits die Drohung mit einem eigenen Standard ausländische Anbieter dazu bringen, ihre Lizenzgebühren zu senken. Möglicherweise sei dies auch die Hauptabsicht Chinas, sagt der Geschäftsführer des Beratungsunternehmens BDA China, Duncan Clark. Denn das Festhalten an eigenen Standards bedeutet auch eine Isolierung von der übrigen Welt. Das chinesische DVD-Format EVD zum Beispiel leidet darunter, dass es nur wenige Filme dafür gibt. Selbst "Renmin Ribao", die Zeitung der Kommunistischen Partei, hat in ihrer Online-Ausgabe berichtet, dass viele Verbraucher verärgert sind, weil ihr neuer EVD-Player keine DVDs westlicher Herstellung abspielen kann. "Das ist eine riskante Strategie", sagt auch China-Experte Suttmeier. "Es kann leicht nach hinten losgehen."

Zweitgrößter Computermarkt der Welt

High-Tech-Firmen und Investoren in der ganzen Welt verfolgen die Entwicklung in China sehr aufmerksam. Schließlich will niemand die Chance verpassen, auf dem Markt der 1,3 Milliarden Chinesen Fuß zu fassen. Der zweitgrößte Hersteller von Computerprozessoren der Welt, AMD, hat einen Vertrag mit Chinas führendem PC-Hersteller Lenovo abgeschlossen und damit weiter Boden gegen seinen Erzrivalen Intel gut gemacht. Lenovo hat in China einen Marktanteil bei PCs von etwa 28 Prozent.

Seit Anfang Juni liefert Lenovo Desktop-Computer mit Athlon-64- und Athlon-XP-Prozessoren aus. Bislang hatte die Firma - früher unter der Marke Legend bekannt - ausschließlich Intel-Prozessoren verwendet. "Das ist für AMD eine große Sache", kommentierte ein westlicher Analyst. "In der Vergangenheit beherrschte in China immer Intel den Markt, besonders bei Markencomputern." Weltweit werden etwa 80 Prozent der Computer-Prozessoren von Intel und etwa 20 Prozent von AMD hergestellt. Bereits im März 2004 hat AMD einen Vertrag mit Chinas zweitgrößtem Computerhersteller Founder Group geschlossen. (arn)