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Flucht in die USA

12. Januar 2012

Auf die Volksaufstände in der arabischen Welt hat China mit massiven Druck auf Bürgerrechtler reagiert. Jetzt ist der regimekritische Autor Yu Jie in die USA ausgereist, nach massiver Kritik an Wen Jiabao.

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Chinesischer Bürgerrechtler Yu Jie (AP Photo/Ng Han Guan)
Yu Jie fühlt sich in China nicht mehr sicherBild: AP

Die Ausreise war überraschend. Am Mittwochabend (10.1.2012) traf der chinesische Schriftsteller Yu Jie in Washington D.C. ein. Ein Video auf der Internetseite des US-Radiosenders "Voice of America" zeigte den regierungskritischen Autor mit seiner Frau und seinem Sohn am Flughafen der US-Hauptstadt.

Bücherregale in einem Hongkonger Geschäft (Foto: AP/Kin Cheung)
Yus Bücher sind nur in Hongkong erhältlichBild: AP

Tienchi Martin-Liao, Vorsitzende des PEN-Zentrums unabhängiger chinesischer Schriftsteller, steht in ständigem Kontakt mit Yu Jie. Er habe schon seit längerem vorgehabt, China zu verlassen, so Martin-Liao. "Er hat mir gesagt, er könne nicht mehr in China bleiben, weil seine persönliche Sicherheit nicht mehr garantiert sei." Sie habe am Morgen eine E-Mail von Yu Jie aus Virginia bekommen. "Er wohnt bei Freunden. Später wird er mir über seine Zukunftspläne und über den ganzen Vorfall berichten."

Drohungen und Folter

Besonders ein Ereignis im Frühjahr letzten Jahres habe bei Yu zu dem Entschluss geführt, China zu verlassen, sagt Martin-Liao: Damals sei Yu Jie von den chinesischen Sicherheitsbehörden entführt worden. Die Beamten hätten ihm einen Sack über den Kopf gestülpt und ihn an einen unbekannten Ort verschleppt. Dort sei Yu brutal zusammen geschlagen worden. Die Schläger hätten ihn nackt ausgezogen und fotografiert, so Tienchi Martin-Liao. Die Schläger hätten ihm gedroht, wenn er weiter Artikel schreibe, würde er von dieser Erde verschwinden.

Yus Buch Wen Jiabao - Chinas größter Schauspieler(Foto: AP/Kin Cheung)
In seinem Buch übt Yu offene Kritik an Premierminister Wen JiabaoBild: AP

Trotz dieser Drohungen habe Yu Jie bis zu seiner Ausreise immer gehofft, dass sich die Situation Andersdenkender wieder verbessere, sagt die Vorsitzende des PEN-Zentrums. "Dass er diesen Schritt nun getan hat zeigt, dass die Situation für die Autoren, für die Intellektuellen in China, nicht nur nicht besser geworden ist, sondern sich weiter verschlimmert hat."

Direkte Kritik an Chinas Ministerpräsidenten

Der regierungskritische Autor Yu Jie ist den chinesischen Behörden schon lange ein Dorn im Auge. Regelmäßig schreibt er regierungskritische Beiträge für Internetblogs und Hongkonger Medien. Der 38-jährige ist ein enger Freund des inhaftierten chinesischen Friedensnobelpreisträgers Liu Xiaobo und einer der Unterzeichner der "Charta 08", einem Manifest für Meinungsfreiheit und Demokratie in China.

Der ehemalige US-Präsident Bush mit chinesischen Dissidenten (Foto: EPA/ERIC DRAPER)
Yu wurde von US-Präsident Bush empfangenBild: picture-alliance/dpa/dpaweb

Yu ist zudem in einer christlichen Untergrundkirche aktiv. Das führte sogar zu einer Begegnung mit dem früheren US-Präsidenten George W. Bush. Bekannt wurde Yu aber vor allem durch sein Buch "Wen Jiabao – Chinas größter Schauspieler". Darin übt er direkte, persönliche Kritik an Chinas Ministerpräsident und brach damit ein Tabu in China. Das in Hongkong erschienene Buch ist in der Volksrepublik verboten.

Die China-Redaktion der Deutschen Welle hat im Rahmen des DW-Projekts "Chinas Verbotene Bibliothek" Yus bekanntestes Werk als Hörbuch produziert und bietet es auf ihrer Webseite kostenlos zum Download an. In einem Interview zu seiner Kritik an Wen Jiabao mit DW.WORLD.DE sagte Yu Jie im Sommer 2010. "Sowohl ich als Kritiker, als auch Wen Jiabao, beziehungsweise die chinesische Regierung als Kritisierte, wir alle befinden uns in einem Lernprozess. Das heißt für mich, ich muss lernen, meine Kritik noch rationaler und objektiver hervorzubringen. Und für die Regierung heißt das zu lernen, wie man mit Kritik umgeht."

Hausdurchsuchung bei Bürgerrechtler

Wie schwer sich die chinesische Regierung mit Kritik tut, zeigt auch das Schicksal des chinesischen Bürgerrechtlers Hu Jia. Hu hatte sich auf seinem Twitter-Account darüber beschwert, dass die Behörden dem inhaftierten Menschenrechtsanwalt Gao Zhisheng Besuch von Angehörigen verwehren. Der 38-jährige hatte zudem in einer Online-Petition die Regierung aufgefordert, Gaos Familie einen Besuch zu gestatten. Hu’s Wohnung wurde daraufhin von der chinesischen Polizei durchsucht und der Aktivist wurde verhört. Die Beamten beschlagnahmten den Computer des Bürgerrechtlers und den seiner Frau.

Hu Jia war erst im letzten Jahr nach dreieinhalb Jahren Haft aus dem Gefängnis entlassen worden.

Autor: Christoph Ricking
Redaktion: Matthias von Hein