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Christsein heißt Sünder sein – auch für Bischöfe

28. Juni 2014

Es ist töricht, seinen Glauben abhängig zu machen von der Heiligkeit der Amtsträger. Die Säulen des Glaubens haben von Anfang an bedenklich gewankt, meint Pater Eberhard von Gemmingen von der katholischen Kirche.

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Vatikan Heiligsprechung zweier Päpste Bischöfe
Bild: ANDREAS SOLARO/AFP/Getty Images

Die Christen feiern am 29. Juni das Fest „Peter und Paul“. Sie feiern die heiligen Säulen der Kirche. Aber um was für eine Art von Säulen und um was für eine Art von Heiligen handelt es sich da?

Die Frage ist virulent, denn heute ärgern sich sehr viele Katholiken in deutschen Landen hauptsächlich über die Kirchensäulen: über Pfarrer, Bischöfe, Kardinäle. Gottlob gibt es derzeit auf dem Stuhl Petri eine Ausnahme. Papst Franziskus genießt Ansehen. Noch! Noch zieht er keinen Ärger auf sich. Anders war das bei vielen seiner Vorgänger im Lauf der letzten 50 Jahre.

Wie steht es also mit den heiligen Säulen der Kirche? Die ersten Säulen waren alles gestürzte, umgefallene, ramponierte Säulen. Erinnern wir uns: am ersten Gründonnerstag schenkte sich Jesus seinen Freunden in Form von Brot und Wein. Er sagte: Nehmt und esst, dies ist mein Leib für euch. Trinkt, dies ist mein Blut – vergossen für Euch. Etwa drei Stunden später haben sie alle zusammen Jesus verraten, sind abgehauen, davongelaufen. Als es brenzlig wurde, waren sie alle weg. Die Säulen, auf die Jesus seine Kirche baute, waren umgefallen. Man kann es noch schärfer ausdrücken: Jesus hat sich seinen Verrätern geschenkt. Seinen Verrätern sagte er: nehmt und esst, nehmt und trinkt.

Also, es war von Anfang an nicht weit her mit den Säulen, mit den Kirchenverantwortlichen. Nun - diese Säulen haben sich später bekehrt. Die Quellen jedenfalls sagen, sie hätten alle ihr Blut für Christus vergossen. Wir lesen in der Bibel nur von den Reuetränen des Petrus nach seinem Verrat. Aber es spricht nichts dagegen, den Quellen zu trauen, dass nämlich alle – außer dem Judas – später zu Jesus gehalten hätten bis in den Tod.

Wir Christen sind dann im Lauf der Jahrhunderte leider dem Klischee verfallen und haben uns vorgemacht, die Kirchenverantwortliche, die Bischöfe seien alles Heilige. Das haben sie nie behauptet. Jedenfalls kenne ich keinen Bischof, der von sich behauptet hat, er sei ein Heiliger.

Heute aber wird oft ein großes Geschrei gemacht, wenn Bischöfe Dummheiten machen oder nicht glaubwürdig leben. Warum das Geschrei? Natürlich wünschen wir uns, dass Menschen, die sich zu Christus bekennen und Verantwortung haben, diesem Anspruch gerecht werden. Sie sollen es ja auch. Aber ich finde es töricht, wenn man seinen Glauben abhängig macht von der Heiligkeit von Amtsträgern. Wenn die Christen das von Anfang an getan hätten, wäre der Glaube an Jesus Christus schon zehn Jahre nach Jesu Tod zu Ende gewesen.

Christsein heißt: Sünder sein. Papst Franziskus hat in einem großen Interview auf die Frage, als was er sich sieht, ein wenig nachgedacht und dann gesagt: „Das Entscheidende: Ich bin ein Sünder.“ Ich bin ziemlich sicher, dass sehr viele Bischöfe, wenn nicht sogar die Mehrheit sofort das gleiche sagen würden: Ich bin ein Sünder. Jedenfalls ist es nicht sehr intelligent, den eigenen Glauben an Jesus Christus abhängig zu machen von der Glaubwürdigkeit von Amtsträgern, von Bischöfen oder Priester oder Ordensleuten. Es ist traurig, wenn Amtsträger der Kirche nicht das leben, was sie verkündigen. Es ist schlimm, skandalös. Aber man darf seinen Glauben nicht davon abhängig machen. Das ist wirklich töricht. Denken wir nochmal an Petrus. Er hat Jesus verraten, die anderen sind alle geflohen als es gefährlich wurde. Aber gerade sie – die Sünder – hat Jesus beauftragt. Er brauchte nicht Heilige, sondern Menschen, die wissen, dass sie Sünder sind.

Freilich ist seit der Aufklärung manches schwerer als vorher. Denn Menschen denken selbständig, denken kritisch, glauben nicht einfach alles, sondern fragen nach. Und das ist gut so. Durch Jahrhunderte haben Christen denjenigen, die kirchliche Gewänder anhatten, einfach deswegen geglaubt, weil sie so gekleidet waren. Das ist vorbei und das ist auch gut so. Aber heute ist jeder moderne Mensch aufgefordert, seinen Glauben auf wirkliche Argumente zu gründen und nicht auf einen guten und überzeugenden äußeren Eindruck. Denken wir an Jesus: Er hat die Menschen genommen wie sie waren. Durch diese Annahme gelang es ihnen dann auch, zu neuen Menschen zu werden. Geben wir Amtsträgern die Chance, neue Menschen zu werden.

Pater Eberhard von Gemmingen Radio Vatikan
P. Eberhard von GemmingenBild: picture-alliance/ ZB

Zum Autor: Pater Eberhard von Gemmingen SJ ist 1936 in Bad Rappenau geboren. Nachdem er 1957 in den Jesuitenorden eingetreten ist, studierte er 1959 Philosophie in Pullach bei München und Theologie in Innsbruck und Tübingen. 1968 erfolgte seine Priesterweihe. Pater Eberhard von Gemmingen SJ war Mitglied der ökumenischen Laienbewegung action 365, bischöflicher Beauftragter beim ZDF und Leiter der deutschsprachigen Redaktion von Radio Vatikan. Seit 2010 ist er Fundraiser der deutschen Jesuiten.