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Christus hat uns zur Freiheit berufen

4. April 2015

Ostern ist das Fest der Freiheit Europas: davon ist Pater Eberhard von Gemmingen SJ überzeugt. Über die befreiende Botschaft des Evangeliums Jesu Christi spricht er im Beitrag der katholischen Kirche.

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Ausschnitt Gemälde von Raffaellino del Garbo - Auferstehung Garbo
Bild: picture-alliance/akg-images/Rabatti-Domingie

Christus hat uns zur Freiheit berufen. Das ist die Botschaft von Ostern. Christen glauben: Der gequälte Herr blieb nicht im Gefängnis des Todes, sondern ist eingegangen in die Freiheit und Herrlichkeit des Vaters. Und sie glauben: Alle Menschen sind zu dieser Freiheit berufen. Der Glaube der Christen spielte für die Geschichte Europas eine große Rolle. Man kann diese Geschichte - gerade an Ostern - als eine dramatische Befreiungsgeschichte betrachten, auch wenn viele Christen und Kirchenverantwortliche dies erst spät erkannt haben.
Das möchte ich erklären. Gerade gebildete Asiaten erkennen, dass Europa – im Unterschied zu vielen orientalischen Ländern - einen ungewöhnlichen Weg der Befreiung gegangen ist. Am Anfang standen griechische Denker und römische Rechtsgelehrte. Aber auch die Predigt des Apostels Paulus hat einen wesentlichen Beitrag geleistet. Er verkündet: „Christus hat Euch vom Gesetz befreit.“ Christus ist für ihn der große Befreier des Menschen. Er schenkte vor allem innere Freiheit, Unabhängigkeit von menschlichen Autoritäten. Historiker erkennen, dass die Kultur Europas ohne das befreiende Evangelium Jesu und ohne das Gottesbild der Juden kaum zu verstehen ist.

Christus schenkt uns die innere Freiheit
Und nun einen Schritt weiter: Eine der Früchte dieser Befreiungsgeschichte sind Demokratie und Pressefreiheit. Sie wurden gegen Diktatoren und Unterdrücker leidvoll erkämpft. Der alte Kontinent darf sich daher auch von Menschen, die Religion missbrauchen, nicht seine mühsam erkämpften Freiheiten rauben lassen. Europa muss auch aus religiösen Gründen den Wert der Freiheit hoch halten und notfalls verteidigen. Der alte Kontinent hat im 20. Jahrhundert unter Diktaturen schwer gelitten, und die ältere Generation sollte dies den Jungen weitersagen. Die Menschheit könnte aus ihrer Geschichte lernen, oder sie macht immer wieder die gleichen Fehler.

Frankreich hat besonderen Grund, auf seine Freiheitstradition, seine Freiheitsgeschichte stolz zu sein. Lange litt es unter religiöser Diktatur. „Liberté, egalité, fraternité“ – „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ steht auf Frankreichs Fahnen.

Ich erlaube mir nun eine Rückfrage: Haben wir die beiden Geschwister der Liberté, die „Egalité und der Fraternité“, die Gleichheit und Brüderlichkeit nicht manchmal vernachlässigt? Gemeint sind damit die Würde des anderen Menschen, die meiner Würde gleich ist, und die Solidarität mit ihm. Früher sagte man „Brüderlichkeit“. Es handelt sich um die Achtung vor dem Gewissen des anderen Menschen und seiner Überzeugung. Es gab und gibt ja auch heute Märtyrer, Menschen die für ihre Überzeugungen Folter und Tod auf sich nehmen. Dabei handelt sich nicht nur um so genannte „religiöse Gefühle“, sondern um Überzeugungen. Haben wir den Wert der Ehrfurcht vor ihnen vernachlässigt?

Freiheit mit Gleichheit und Brüderlichkeit
Ein Vergleich zur Lerngeschichte: Vor einigen Jahrzehnten haben wir im Westen erkannt, dass kleine aussterbende Völker nicht untergehen dürfen. Wir begannen, Ehrfurcht vor ihrer Lebensweise zu haben. Auch hat die Menschheit erkannt, dass sie im Lauf der Technisierung Respekt vor der Natur verloren hat. Hinter dem Respekt vermute ich sogar eine gewisse Ehrfurcht. Ich erinnere an das Gedicht Joseph von Eichendorff: „Es war, als hätt‘ der Himmel die Erde still geküsst, dass sie im Blütenschimmer von ihm nur träumen müsst.“1 Unsere Erde von einem wie auch immer gedachten Himmel geküsst? Die Erde, unsere Mutter, verlangt Ehrfurcht, sie ernährt uns, trägt uns, kleidet uns, hüllt uns ein. Und aus Ehrfurcht kommt Respekt. Die grüne Bewegung ist gut.

Zurück zu Ostern: Christen glauben, dass auch Muslime und Anhänger aller Religionen durch den leidenden Herrn am Kreuz erlöst und zur Auferstehung in die Freiheit Christi berufen sind, ebenso wie sie nach Gottes Ebenbild geschaffen sind. Er schließt auch sie in seine Arme. Daher sollten wir gerade an Ostern neben der Liberté ihre Geschwister Egalité und Fraternité auf Schildern bei Prozessionen hochhalten. Ostern ist das Fest der Freiheit, der Gleichheit und der Geschwisterlichkeit.

1) Joseph von Eichendorff, Mondnacht

Pater Eberhard von Gemmingen Radio Vatikan
P. Eberhard von Gemmingen SJBild: picture-alliance/dpa

Zum Autor: Pater Eberhard von Gemmingen SJ ist 1936 in Bad Rappenau geboren. Nachdem er 1957 in den Jesuitenorden eingetreten ist, studierte er 1959 Philosophie in Pullach bei München und Theologie in Innsbruck und Tübingen. 1968 erfolgte seine Priesterweihe. Pater Eberhard von Gemmingen SJ war Mitglied der ökumenischen Laienbewegung action 365, bischöflicher Beauftragter beim ZDF und Leiter der deutschsprachigen Redaktion von Radio Vatikan. Seit 2010 ist er Fundraiser der deutschen Jesuiten.


Redaktionelle Verantwortung: Dr. Silvia Becker, Katholische Hörfunkbeauftragte, und Alfred Herrmann