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Chronistin des Nachtlebens

Chun Cui25. Januar 2005

Sie schreibt über das neue, wilde China. Über Partys, Hedonismus, Drogen, Subkulturen ihrer Heimat. Jetzt ist Mian Mian zum ersten Mal nach Deutschland gekommen - und die Deutsche Welle hat sie in Köln getroffen.

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Schreiben ist heilsam: die chinesische Autorin Mian MianBild: DW

"Die Reise war sehr anstrengend", sagt Mian Mian mit einer Zigarette zwischen den Fingern, "deshalb fange ich wieder an zu rauchen." Innerhalb von sieben Tagen hat sie sieben Städte besucht: Frankfurt, Göttingen, Berlin, Hannover, Hamburg, München und Köln. Dort hat sie aus "Deine Nacht, mein Tag" gelesen, ihrem zweiten Kurzgeschichtenband, der vor kurzem auf Deutsch erschien. Ihre Stimme ist heiser. Die rauschhaften Nächte und Abstürze ins Drogenelend haben doch ihren Preis.

Texte vom Rand der Gesellschaft

"Deine Nacht, mein Tag" versammelt acht Kurzgeschichten aus den Jahren 1994 bis 1998, die Mian Mian für die deutsche Ausgabe zusammengestellt hat. Aus kühler Distanz beschreibt sie darin das Leben am Rande der Gesellschaft. Die Autorin freut sich über ihr - zumindest in Deutschland - junges Publikum.

"Viele Leute kommen zu mir für ein Autogramm. Sie haben alle meinen Erstling in den Händen", erzählt sie. "Ich bin besonders froh, dass die meisten von ihnen Jugendliche sind. Als ich in Frankreich und in anderen Länden war, war die Situation anders. Das Publikum interessierte sich zwar sehr für China, war aber nicht mehr so jung."

Schreiben gegen den Albtraum des Lebens

Mian Mian ist weder Skandalautorin noch Shanghai-Baby. Sie hat einen Albtraum hinter sich. Mit 17 schmiss sie die Schule. Sie erlebte den Selbstmord guter Freunde und lavierte sich durch viele unglückliche Liebesgeschichten. Sie war tatsächlich jahrelang Junkie. Die Droge ruinierte ihre Stimme, verletzte die Seele.

Mit 25 hat sie ihr Heilmittel gefunden: das Schreiben. Hat ihr ungewöhnliches Leben ihre ungewöhnlichen Werke bestimmt? "Ich strebe kein ungewöhnliches Leben gezielt an, nur um Stoffe fürs Schreiben zu sammeln", entgegnet Mian Mian. "Ich kann mir meinen Lebensweg nicht aussuchen. Es ist reines Schicksal."

Roman verboten, da ungesund

Heirat, Bekanntheit, Mutterwerden, Scheidung, all das kam fast gleichzeitig. Im Jahr 2000 wurde Mian Mians Roman "Candy" in China verboten, weil "Sex, Drugs, Rock'n'roll" ungesunde Themen seien. Die Raubdrucke wurden aber auf dem Schwarzmarkt heiß gehandelt. Popularität heißt manchmal auch Verlegenheit, findet Mian Mian.

Sie glaubt an Buddhismus und kämpft gegen die Verbreitung von Drogen und HIV. Sie fängt die Kinder aus kaputten Familien auf, organisiert Wohltätigkeitsveranstaltungen. Über Kontakte zu erstklassigen DJs veranstaltet sie auch Partys in Nachtclubs. Mian Mian mag es, tausende fremde Leute auf ihren Partys tanzen zu sehen.

"Panda" ist ganz anders

Bald kommt Mian Mians neues Buch "Panda" in Hongkong auf den Markt – komplett anders als seine Vorgänger, sagt die Autorin. "Von Form bis Inhalt, sowohl Stil als auch Ausdrucksart, alles hat sich total verändert. Diese Änderung tritt von allein auf. Denn das Leben ändert sich, der Mensch ändert sich."

Nach Mian Mians Ansicht kann man nicht einfach behaupten, dass ein Schriftsteller gut oder schlecht sei. Man könne nur beurteilen, ob der Autor ein Schriftsteller oder kein Schriftsteller sei, und ob man ihn mag oder nicht mag. Sie sagt: "Die Leute, die mich mögen, finden etwas anziehend in meinem Charakter."

Sie schreibe nicht, um die Welt zu verändern, erklärt Mian Mian. "Aber ich halte es für wichtig, dass ich durch das Schreiben immer für die Leute da sein werde. Für die Leute, die mich mögen."