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Nach einer Reihe von Pannen tritt der Bahnchef zurück.

30. März 2009

Die letzte Enthüllung war eine zu viel. Dem Rücktritt von Bahnchef Mehdorn ging eine Affäre um kontrollierte Mitarbeiter-E-Mails voraus.

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Bahnchef Hartmut Mehdorn vor dem Logo der Deutschen Bahn (Foto: AP)
Die Datenschutz-Pannen kosteten Mehdorn den JobBild: picture-alliance/ dpa

Auslöser der Krise bei der Deutschen Bahn war ein Bericht des "Handelsblatts". Am 3. Juni 2008 schrieb die Zeitung, die Bahn habe zur Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität im Unternehmen eine Berliner Privatdetektei angeheuert.

Verdacht bestätigt

Wenig später bestätigte der DB-Korruptionsbeauftragte Wolfgang Schaupensteiner diesen Vorgang. Vor dem Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestages erklärte er allerdings, dass keine persönlichen Daten von Mitarbeitern erhoben worden seien.

Wolfgang Schaupensteiner, Oberstaatsanwalt und DB-Korruptionsexperte bei einer Talkshow
Wolfgang Schaupensteiner, Oberstaatsanwalt und DB-KorruptionsexperteBild: dpa

Kaum hatte sich die Aufregung gelegt, berichtete am 21. Januar 2009 der "Stern", das Unternehmen habe ohne Anhaltspunkte auf Korruptionsverdacht persönliche Daten von mehr als 1000 leitenden Mitarbeitern und deren Ehefrauen überprüft. Die Bahn bestätigte die Vorwürfe indirekt, indem sie von einem "dritten Aufguss eines alten Tees" sprach.

Neue Enthüllungen

Eine Woche später wurde die Öffentlichkeit durch die Meldung aufgeschreckt, die Bahn habe 173.000 Mitarbeiter in einer als "Operation Babylon" bezeichneten Aktion überprüft. Persönliche Daten seien zur Aufdeckung von Korruption mit denen von 80.000 Lieferanten abgeglichen worden, zu denen die Deutsche Bahn geschäftliche Beziehungen unterhielt. Aus dem "dritten Aufguss eines alten Tees" war binnen einer Woche die größte Ausspähaktion der bundesrepublikanischen Geschichte geworden.

Drei Tage später kündigte Mehdorn an, die Bahn werde interne Ermittlungen zur Aufklärung der Vorfälle einleiten. Zudem sei die Berliner Staatsanwalschaft eingeschaltet worden. Gleichzeitig versicherte Mehdorn, dass er mit den Überwachungspraktiken der Bahn ebenso wenig zu tun habe wie mit der Bestellung von Briefumschlägen.

220.000 Mitarbeiter überprüft

Am 3. Februar räumte Mehdorn nach heftiger Kritik in der Öffentlichkeit und im Unternehmen erstmals Fehler ein. Inzwischen war bekannt geworden, dass knapp 220.000 Mitarbeiter überprüft wurden. Vier Tage später stellten die drei Bahngewerkschaften Transnet, GDL und GDBA dem Unternehmen ein Ultimatum zur Aufklärung des Skandals. Zum ersten Mal formulierten sie Eckpunkte, die die Forderung nach Rücktritt des Bahnchefs rechtfertigen würden.

Der Skandal weitete sich am 9. Februar noch aus, denn es wurden vergleichbare Aktionen aus den Jahren 1998 und 2005 bekannt. Der Leiter der Konzernrevision übernahm die Verantwortung und wurde beurlaubt. Drei Tage später leitete die Berliner Staatsanwaltschaft gegen Hartmut Mehdorn und andere Verantwortliche wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Datenschutzgesetz ein Ermittlungverfahren ein.

Sonderermittler im Einsatz

Ex-Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin
Herta Däubler-Gmelin (SPD), ehemalige BundesjustizministerinBild: picture-alliance/dpa

Am 18. Februar 2009 entzog der Bahn-Aufsichtsrat Hartmut Mehdorn die Kontrolle über die Aufklärung der Vorwürfe und beauftragte die Ex-Minister Herta Däubler-Gmelin (SPD) und Gerhart Baum (FDP) sowie die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG, als Sonderermittler tätig zu werden.

Anfang März mußte Hartmut Mehdorn vor dem Verkehrsausschuss des Bundestags erscheinen. Aber statt Aufklärung zu leisten, ging es ihm vor allem um Selbstentlastung, obwohl zeitgleich der Vorwurf der Aktenvernichtung im Konzern bekannt wurde.

Graphische Darstellung einer E-Mail
Bild: AP

Vor drei Tagen schließlich kamen weitere Anschuldigungen an die Öffentlichkeit: Die Deutsche Bahn soll E-Mails von Mitarbeitern überprüft und teilweise zurückgehalten haben. Hartmut Mehdorn versuchte in einem Interview mit einem Sonntagsblatt noch einmal seine persönliche Unschuld zu erklären. Seinen Rücktritt als Konsequenz aus den Vorgängen bei der Deutschen Bahn lehnte er entschieden ab. Aber der politische Rückhalt war mit den neuen Vorwürfen dahin, so dass sich Bahnchef Hartmut Mehdorn gezwungen sah, seinen Rücktritt anzubieten.

Autor: Matthias von Hellfeld
Redaktion: Thomas Grimmer