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Colonia-Dignidad-Leiter Schäfer verhaftet

11. März 2005

Kindesmissbrauch, Steuerhinterziehung sowie Freiheitsberaubung lauten die Anschuldigungen gegen Paul Schäfer. Der Ex-Chef der berüchtigten Deutschen-Siedlung Colonia Dignidad in Chile wurde fast zehn Jahre gesucht.

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Paul SchäferBild: picture-alliance/AP Photo/N. Pisarenko

Nach neun Jahren Fahndung ist der frühere Leiter der berüchtigten deutschen Siedlung "Colonia Digidad" im Süden Chiles, Paul Schäfer, in Argentinien festgenommen worden. Der 83-Jährige sei am Donnerstag (10.3.2005) in einem Haus in einer vornehmen Wohnlage bei Buenos Aires gefasst worden, teilte Kommissar Alejandro Dimizo mit. Noch am Abend wurde Schäfer im Rollstuhl sitzend in ein Untersuchungsgefängnis gebracht. Mit einem Lächeln und in Handschellen schoben ihn Beamte durch ein Spalier von Journalisten. Fragen beantwortete er nicht.

Helfer des Pinochet-Regimes?

Grund der Verhaftung ist ein Haftbefehl des chilenischen Richters Joaquin Billard gegen den 84-Jährigen wegen des Verschwindens eines Dissidenten zu Beginn der Militärherrschaft von Augusto Pinochet. Der Mann war in Schäfers Kolonie gebracht worden. Sowohl Schäfer als auch andere Mitglieder der Colonia Dignidad sind mehrfach beschuldigt worden, ihre Siedlung dem Pinochet-Regime als Folter- und Hinrichtungszentrum zur Verfügung gestellt zu haben.

Gegen Schäfer lagen internationale Haftbefehle aus Deutschland und aus Chile vor.

Die chilenische Justiz wirft Schäfer Kindesmissbrauch, Steuerhinterziehung sowie Freiheitsberaubung vor. Zusammen mit ihm seien in dem Ort Tortuguitas etwa 40 Kilometer von Buenos Aires entfernt mehrere weitere Deutsche festgenommen worden. Ihre Identität werde überprüft, sagte Kommissar Dimizo weiter. Auch die chilenische Justiz bestätigte die Festnahme.

Auslieferung nach Chile erwartet

Der Festnahme seien siebenmonatige Ermittlungen der argentinischen Polizei vorausgegangen. Die entscheidenden Hinweise seien aus Chile gekommen. Die Zeitung "La Tercera" (Santiago) berichtete, ein Fernsehsender habe das Versteck Schäfers aufgespürt. Schäfer wurde nach der Festnahme sofort in die Hauptstadt gebracht. Nach dem Auslieferungsabkommen mit Chile kann Schäfer 60 Tage in Haft gehalten werden, bis der Auslieferungsantrag aus Santiago vorliegen muss.

Nach Schäfer wurde seit 1996 gefahndet. Er soll sich schon 1998 aus Chile abgesetzt haben. Mehrere Durchsuchungsaktionen der chilenischen Justiz in der inzwischen in "Villa Baviera" umbenannten landwirtschaftlichen Siedlung blieben erfolglos. Inzwischen hat sich die Siedlung geöffnet und wirbt sogar um Tourismus. In Santiago unterhält sie Verkaufsläden für landwirtschaftliche Produkte.

Sektenartige Gemeinschaft

Schäfer hatte die Colonia Dignidad 1961 gegründet. Die deutschen Einwanderer lebten in einer sektenartigen Gemeinschaft, über die Schäfer "wie ein Gott" herrschte, berichtete ein früheres Mitglied. Während der Militärdiktatur von Augusto Pinochet (1973 bis 1990) war die Anlage auch ein berüchtigtes Folterzentrum. Die erste demokratische Regierung unter Präsident Patricio Aylwin (1990 bis 1994) nach dem Ende der Diktatur entzog der Siedlung den juristischen Status. (kap)