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Contra: Mit Wahlpflicht erreicht man gar nichts

12. Juni 2009
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Themenbild Pro und Contra
Was tun gegen Wahlmüdigkeit? Soll es eine Pflicht zu wählen geben?Bild: DW

Stell Dir vor, es ist Wahl und keiner geht hin: Vor nicht allzu langer Zeit wäre das vielen Deutschen absurd vorgekommen. Denn zur Wahl zu gehen erschien ihnen nicht als eine - lästige - Pflicht, sondern als das, was es ist: ein Bürgerrecht. Es gehört zu den Errungenschaften der Demokratie, dass freie und faire Wahlen möglich sind und niemand an der Ausübung seines Wahlrechts gehindert wird. Der 18. Geburtstag war für junge Leute auch deshalb etwas Besonderes, weil man endlich wählen durfte.

Offenbar hat das Wahlrecht in den vergangenen Jahren an Attraktivität eingebüßt und das ist ein Fakt, der zu denken gibt. Nun soll es eine Wahlpflicht richten, meint der SPD-Bundestagsabgeordnete Jörn Thießen. Dabei löst eine Wahlpflicht nicht das Problem. 50 Euro Bußgeld für Nichtwähler würden nichts Gutes bewirken.

Viele politikmüde Bürger im Land würden dann zwar zur Wahl gehen, um den "Strafzettel" zu vermeiden und Geld zu sparen. Aber was würden sie bei der Wahl tun? Vermutlich würden sie einen ungültigen Stimmzettel abgeben oder aus Protest die Partei wählen, die sie besonders lächerlich finden und die keinerlei Chancen auf Erfolg zu haben scheint. Damit wäre nichts gewonnen. Im Gegenteil: Wahlergebnisse würden so verfälscht.

Statt über Sanktionen für enttäuschte Bürger nachzudenken, sollten sich Politiker aller Parteien fragen, warum sie die Wähler nicht mobilisieren konnten. Daran haben die Parteien durch einen weitgehend inhaltsfreien Wahlkampf voller Allgemeinplätze ihren Anteil - auch die SPD mit ihrem Anti-Wahlkampf. Slogans wie "Finanzhaie würden die FDP wählen" oder "Heiße Luft würde Die Linke wählen" waren vielleicht einfach vielen Bürgern zu platt. Auch andere Parteien führten einen schwachen Wahlkampf, indem konkrete Vorschläge zum Beispiel zur Lösung der Wirtschaftskrise oder zur besseren Zusammenarbeit in Europa kaum zu finden waren.

Das Urteil der Bürger war eindeutig: Wer so wenig zu bieten hat, verdient das Kreuzchen auf dem Wahlzettel nicht. Politiker aller Parteien sollten daher nicht über eine Wahlpflicht, sondern über ihre politischen Inhalte und Lösungen nachdenken. Damit die Mehrheit der Deutschen bei der Bundestagswahl am 27. September das Gefühl hat, dass das Wahlrecht ein hohes Gut ist, das man wahrnehmen möchte.

Autorin: Julia Bernstorf

Redaktion: Kay-Alexander Scholz