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Die Lunte brennt

22. Juni 2015

Bleibt Griechenland in der Euro-Zone oder kommt es zum Grexit? Kurz vor dem EU-Krisengipfel in Brüssel laufen die Gespräche vor und hinter den Kulissen auf Hochtouren. Vorsichtige Signale deuten auf einen Kompromiss.

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Solidaritätsbekundungen für die griechische Regierung in Athen
Bild: Reuters/M. Djurica

Nun stehen die Zeichen offenbar doch auf Annäherung. Die EU-Kommission bewertete die Vorschläge der griechischen Regierung zur Beilegung des Schuldenstreits als "gute Grundlage für Fortschritte". Die Vorschlagsliste sei bei der Kommission sowie beim Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Europäischen Zentralbank (EZB) eingangen, bestätigte der Kabinettschef von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, Martin Selmayr.

Eine Zangengeburt?

Griechenland und die Gläubiger streiten seit Monaten, welche Einsparungen und Reformen Athen umsetzen muss. Kurz vor dem Gipfel hatte der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras neue Vorschläge für eine "endgültige Lösung" der Schuldenkrise präsentiert. Griechischen Medien zufolge ist Athen zu Zugeständnissen bei der Mehrwertsteuer und begrenzt bei der Rente bereit.

Dabei steckt Tsipras vor dem Krisengipfel mit den Staats- und Regierungschef der Eurozone weiterhin in einem Dilemma: Die von Griechenlands Gläubigern geforderten Spar- und Reformmaßnahmen sind innenpolitisch unpopulär. Am Vorabend des Gipfels demonstrierten in Athen erneut Tausende Menschen gegen die Sparpolitik und für eine harte Haltung gegenüber den griechischen Gläubigern (Artikelbild). Sollten die Gespräche mit den Spitzenvertretern am Montag allerdings ohne Ergebnis enden, droht Griechenland die Staatspleite und möglicherweise auch der Austritt aus der Euro-Zone.

Griechenland legt neuen Vorschlag vor Alexis Tsipras ARCHIV
Bittere Pille? Die Gläubiger erwarten Kompromisse von TsiprasBild: Reuters/P. Hanna

Die Lage ist brenzlig. Denn Ende des Monats läuft das aktuelle Hilfsprogramm für Griechenland aus. Ohne eine Einigung über die Auszahlung von Hilfsgeldern in Höhe von 7,2 Milliarden Euro droht Athen der Staatsbankrott. Die Regierung könnte dann vermutlich eine fällige Rate von 1,6 Milliarden Euro an den Internationalen Währungsfonds (IWF) nicht begleichen.

Nach Berechnungen der Geldgeber dürften Griechenland bis Monatsende zwischen zwei und 3,6 Milliarden Euro fehlen, berichtet die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" ("FAS"). Durch das Milliardenloch in der Staatskasse sei Athen zu Kürzungen der Renten- und Beamtenbezüge gezwungen. Auch, weil die Steuereinnahmen dramatisch gesunken seien.

Klinkenputzen vor dem Krisen-Gipfel

Noch vor dem offiziellen Beginn des Sondergipfels will Tsipras offenbar mit Spitzenvertretern der Geldgeber zusammenkommen, meldet die Nachrichtenagentur AFP unter Berufung auf einen Diplomaten in Brüssel. Wie aus Regierungskreisen in Athen verlautete, will Tsipras EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, EU-Ratspräsident Donald Tusk sowie Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem, EZB-Chef Mario Draghi und IWF-Chefin Christine Lagarde treffen. Am Wochenende hatte sich der griechische Regierungschef bereits in Telefonaten mit Juncker, Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsident Francois Hollande um Verständnis für die Vorschläge seines Landes in der Schuldenkrise bemüht.

Ballspiel Athen-Berlin

Der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis schob unterdessen Bundeskanzlerin Angela Merkel die Verantwortung für den nächsten Schritt zu. Die Kanzlerin stehe vor der Wahl, eine "würdevolle Einigung" zu ermöglichen oder die "einzige griechischen Regierung über Bord" werfen, "die prinzipientreu ist und die das griechische Volk mitnehmen kann auf den Pfad der Reform", schrieb Varoufakis in einem Gastbeitrag für die "FAS".

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sieht hingegen Athen am Zug. Er mahnte die griechische Regierung erneut zu Taten: "Wo in Europa Reformen nicht nur beschlossen, sondern auch umgesetzt worden sind, hat unsere Stabilisierungspolitik in den letzten Jahren funktioniert", sagte Schäuble. Das sei so in Irland, in Portugal, in Zypern und in Spanien - aber auch in Griechenland, solange dort noch Reformen umgesetzt worden seien.

Sinn: Der Konkurs ist nicht aufzuhalten

Reformen alleine machten Griechenland nicht wieder wettbewerbsfähig, sagte der Chef des Münchner Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn im DW-Interview. Die Preise in Griechenland müssten wieder auf ein erträgliches Niveau, so der Ökonom, doch "das geht im Euro kaum, denn die Leute haben sich verschuldet und müssen ihren Schuldendienst leisten. Wenn man jetzt die Preise und die Löhne halbiert, dann können sie das nicht mehr." Ein Konkurs Griechenlands, der Grexit, lasse sich kaum noch vermeiden, so Sinn. In der Folge sei eine Rückkehroption in die Eurozone ein stärkerer Anreiz für Reformen, als "Ewigkeitsgarantien im Euro".

sp/nem (afp,dpa, rtr)