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Cricket, der vergessene Volkssport

André Leslie4. Juli 2012

Das vor allem in Asien populäre Cricket wird in Deutschland kaum wahrgenommen. André Leslie, DW-Sportreporter und selbst Cricket-Nationalspieler, zeigt den Alltag seiner Sportart, die eigentlich unverwechselbar ist.

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Die deutsche Cricket- Nationalmannschaft (Foto: ICC)
Bild: ICC

Ein Cricket-Platz in Bochum: die Maulwürfe haben ihn über Nacht regelrecht zerstört. Die Gastgeber vom Bochumer Cricket Club machen vor dem anstehenden Bundesligaspiel die kleinen Erdhügel wieder platt. Dilshan Rajudeen sitzt neben dem Platz am Boden und schaut zu. Der 27-Jährige ist Kapitän und Trainer des Bonner CC. Er kam vor sieben Jahren aus Sri Lanka, spielte dort sogar als Profi. Dilshan liebt seine Sportart. Cricket-Spielen in Deutschland ist für ihn aber nicht selten eine Zumutung: "Das Niveau hier in Deutschland ist viel niedriger als in Sri Lanka und entspricht ungefähr der vierten Division."

Arbeit geht vor

Dilshans Mitspieler haben oft Probleme, von der Arbeit frei zu bekommen, um an Partien teilzunehmen. Nicht wenige müssen daher auch am Wochenende arbeiten. Dilshan lebt jetzt permanent in Deutschland und spielt seit 2008 für die deutsche Nationalmannschaft. Nach den Regeln des Internationalen Cricket Verbands durfte er nach vier Jahren Ansässigkeit in Deutschland für das deutsche Nationalteam spielen.

Cricket ist ein Schlagball -oder Abwurfspiel für zwei Mannschaften mit jeweils elf Spielern. Ähnlich wie im Baseball gibt es eine "werfende" und eine "schlagende" Mannschaft. Gespielt wird mit einem Korkball.

Der deutsche Nationalspieler Dilshan Rajudeen im Train8ing (Foto: Besim Mazhiqi)
Cricket-Nationalspieler Dilshan Rajudeen trainiert in voller MonturBild: Besim Mazhiqi

Seit mehr als 100 Jahren

Viele Nationalspieler haben mit Geldproblemen zu kämpfen, wie Brian Mantle, Geschäftsführer des Deutschen Cricket Bundes, erklärt. Die meisten stammen aus Ländern wie Indien oder Pakistan, wo Cricket auf einem höheren Niveau gespielt wird, und vertreten seit Jahren ihr neues Heimatland als Amateure. Tagsüber arbeiten sie als Kellner oder Taxifahrer; zum Training kommen sie nur, wenn es gerade irgendwie geht.

Von Geburt an Deutsche gibt es kaum in der Nationalmannschaft. Für Brian Mantle hat das mit dem mangelnden Verständnis für Cricket zu tun. Viele Deutsche würden die Sportart auch gerne verwechseln. "Ich bin ein fast zwei Meter großer Typ. Wenn die Leute hören, dass ich Cricket spiele, fragen sie oft, ob das nicht problematisch für das Pferd sei", so Mantle. "Die denken, wir spielen Polo oder Krocket."

André Leslie beim Cricket (Foto: ICC/Ian Jacobs)
DW-Reporter und Cricket-Nationalspieler André Leslie in AktionBild: ICC/Ian Jacobs

Dabei wird Cricket in Deutschland seit mehr als 100 Jahren ernsthaft gespielt. Der Dachverband hieß anfänglich sogar "Deutscher Fußball- und Cricket-Bund". Heutzutage gibt es bundesweit 80 Cricketvereine, die meisten Spieler stammen aus dem Ausland. Der Deutscher Cricket Bund organisiert auch immer wieder landesweite Schnupperkurse. "Aber das Interesse bei den Einheimischen zu wecken, ist schwierig", gibt Mantle zu.

Fehlanzeige Medien

"Wir hätten gern mehr Akzeptanz in der Öffentlichkeit," betont Asif Khan, Kapitän des Nationalteams. "Ein Bericht in der Tageszeitung vor einem wichtigen Turnier oder Spiel würde uns sehr helfen." Was aber die Leistung der Nationalmannschaft angeht, ist Khan recht zufrieden. In den letzten drei Jahren hat sich das Team in der Weltrangliste von Platz 50 auf 39 hochgekämpft. "Ich bin sehr stolz auf das, was wir in den letzten drei Turnieren geschafft haben. Darüber hat aber leider niemand so wirklich berichtet."

Um die Mannschaft weiter voranzubringen, ist aber nicht nur eine gute Pressearbeit, sondern vor allem auch Sponsoring wichtig. Die Unterstützung seitens des Internationalen Cricket Verbands fällt da eher gering aus. "Wir haben bundesweit 4000 aktive Spieler, und diese Zahl steigt momentan rasant an. Die Nationalspieler kommen aus ganz Deutschland, sie zusammenzubringen, ist aber ein logistisches Problem", erklärt Mantle.

Deutschlands Cricket-Kapitän Asif Khan mit dem Kapitän von Botswana, Akrum Chand, vor dem Spiel Deutschland gegen Botswana am 04.05.2011 in Gaborone, Botswana. (Foto: ICC/Ian Jacobs) Rechte sind geklärt mit Andre Leslie
Asif Khan (l.) sieht es als eine große Ehre an, Kapitän des deutschen Cricket-Nationalteams zu seinBild: ICC/Ian Jacobs

"Nicht nach dem Pferd fragen!"

Auf dem Spielfeld in Bochum hat die Bundesligapartie gegen Bonn mittlerweile begonnen. Nationalspieler Dilshan sitzt in vollen Montur mit seinem Schläger in der Hand und wartet auf seine Innings (Spieldurchgänge). Heute ist er zufrieden, dass sich seine Mannschaftskollegen für das Spielen und nicht die Arbeit entschieden haben. "Wenn man in Deutschland Cricket spielt, dann verdienst du damit kein Geld. Würden aber die Spieler bezahlt werden, könnte es professioneller werden. Das würde dem Sport gut tun", sagt Dilshan.

Das Ziel, Cricket auf das gleiche Niveau wie Fußball zu bringen, könne in Deutschland nicht verwirklicht werden, glaubt Mantle. Es gebe zwar auch niemanden im deutschen Cricket, der den Fußball als Sportart Nummer eins bedrängen wolle. Was er aber gerne erreichen möchte: "Wenn ich von Cricket rede, soll mich niemand nach einem Pferd fragen".