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Crowdbutchering: Eine Kuh teilen

Katharina Wecker
27. Juli 2017

Ein saftiges Steak ist lecker, aber schlecht für das Klima, sagen Forscher. Zwei deutsche Start-ups bieten Fleisch von glücklichen Kühen an, ohne dass die Umwelt belastet wird.

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Deutschland Lebensmittel Lebensmittelskandale BSE
Bild: AP

Fleischverzehr ist schlecht für die Umwelt. Wälder werden nicht nur für Weideland abgeholzt, sondern auch um Futter zu produzieren, das dann um die halbe Welt geschifft wird. Das bringt lange Transportwege mit sich. Unterm Strich entstehen bei der Produktion von tierischen Lebensmitteln viel mehr klimaschädliche Treibhausgase als würden Menschen sich pflanzlich ernähren.

Eine Studie des Projekts Future of Food der University of Oxford hat herausgefunden, dass wir bis zu zwei Drittel CO2 einsparen könnten, wenn wir weniger Fleisch dafür aber mehr Obst und Gemüse äßen. 

Die gute Nachricht für Burger-Fans ist, dass die Studie tierische Produkte nicht komplett verteufelt. Wir müssen also nicht alle vegan leben. Das sagen auch die Gründer von zwei deutschen Start-ups. Es geht ihnen darum, dass die Kunden weniger Fleisch essen, dafür aber hochwertiges und zurückverfolgbares.

Deswegen haben die zwei Firmen eine alte ländliche Tradition wiederbelebt: Das Fleischteilen. Sie nennen es allerdings moderner: "Crowdbutchering", ähnlich wie "Crowdsourcing".

Eine Kuh teilen

Die Idee dahinter ist, dass eine Kuh oder ein Schwein erst geschlachtet wird, wenn das komplette Fleisch verkauft ist. Das Konzept ist nicht neu. In Dörfern haben sich Verwandte oder Nachbarn früher zusammengeschlossen, um z.B. ein Schwein vom Bauern zu kaufen und das Fleisch zu teilen. Viele machen das heute noch so.

Steak
Crowdbutchering bietet hochwertiges und zurückverfolgbares Fleisch anBild: Colourbox

Jetzt ist dieses Prinzip dank der Start-ups auch für die breite Masse der Städter verfügbar.

Die Unternehmen 'KaufneKuh' oder 'Geteiltes Fleisch' verkaufen Kühe und Schweine, die auf kleinen Bauernhöfen leben, wo die Tiere gut behandelt werden. So kann jeder, egal wo er wohnt, Fleisch von Bauern bekommen, denen das Wohl ihrer Tiere am Herzen liegt. 

Umweltbewusste Fleischliebhaber können auf der Webseite der Start-ups mit einem einfachen Klick einen Teil einer Kuh bestellen und zwischen Portionen von 3,5 kg oder 7 kg wählen.

Die Packungen sind alle gleich und enthalten eine Vorauswahl an Steaks, Hackfleisch und Filets. Damit soll sichergestellt werden, dass das Tier komplett verwertet wird und sich nicht jeder nur sein Lieblingsstück Fleisch herauspickt. 

Dann heißt es warten, bis die komplette Kuh verkauft ist. In der Regel teilen sich 35 bis 70 Leute eine Kuh, je nach dem wie groß die Bestellungen sind. Sobald die Kuh von der Nasenspitze bis zum Schwanz vergeben ist, wird sie geschlachtet, verarbeitet und zu den Konsumenten nach Hause geliefert. Crowdbutchering ist nichts für den schnellen Hunger. Vom ersten Klick bis das Steak in der Pfanne brutzelt, kann es vier Wochen dauern. 

Kenn dein Steak

Beide Start-ups möchten erreichen, dass die Fleischindustrie transparenter wird. Die Verbraucher sollten wissen, was sie kaufen. Im Supermarkt sei es schwierig herauszufinden, woher ein Stück Fleisch komme, sagt Dennis Vetter, Gründer von 'Geteiltes Fleisch'. 

"Ich habe festgestellt, dass es sehr einfach ist, die Kriterien für gutes Fleisch zu definieren. Zu sehen, ob diese erfüllt werden, ist für den Kunden aber fast unmöglich", sagt Vetter. Deswegen hatte er die Idee, den Weg des hochwertigen Steaks von der Geburt bis zur Lieferung an den Kunden offenzulegen. 

Beim Crowdbutchering können Kunden das Fleisch komplett zurückverfolgen. Schon bei der Bestellung können sie sehen, auf welchem Bauernhof das Tier lebt und womit es gefüttert wird. 

Almwirtschaft und Kühe
Crowdbutching funktioniert ähnlich wie CrowdsourcingBild: picture-alliance/picturedesk.com/R. Mühlanger

Wer sein Steak noch besser kennenlernen will, bevor es auf dem Teller landet, kann sich über das Geschlecht, Alter und Rasse der einzelnen Kuh informieren. 

Das könnte vielleicht für den einen oder anderen zu viel Information sein und den Appetit verderben. Für andere geht es auch um den Respekt vor dem Tier. Teilnehmer beim Crowdbutchering können sich in jedem Fall sicher sein, dass sie hochwertiges Fleisch von einem Tier bekommen, das ein gutes Leben hatte.

Berend te Voortwis, Gründer von 'KaufneKuh', sagt, er verkaufe nur glückliche Kühe. "Eine glückliche Kuh für mich ist eine Kuh, die ein anständiges Leben hatte, draußen laufen konnte, vegan gefüttert und nur medizinisch behandelt wurde, wenn sie krank war - und nicht schon im Voraus", erklärt er. 

Weniger Fleisch                            

Könnte Crowdbutchering die Lösung für nachhaltigen Fleischkonsum auch für die breitere Gesellschaft sein? Es ist auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung, glaubt Markus Wolter, Referent für Tierhaltung bei der Naturschutzorganisation WWF Deutschland. Er hat viel zum Thema Fleisch und die Auswirkungen auf die Umwelt recherchiert. 

Im Durchschnitt isst jeder Deutsche mehr als 1 kg Fleisch pro Woche. Das ist weder gesund noch gut für den Planeten. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt, nicht mehr als 300 bis 600 Gramm Fleisch und Wurst pro Woche zu essen.

Öko Schweinezucht
Bei Crowdbutching wird Wert auf gute Haltebedingungen gelegtBild: picture-alliance/Joker

Wenn man Umweltschutz mit in die Kalkulation einbezieht, liegt das Maximum bei 350 Gramm pro Woche, sagt der WWF. Das entspricht zwei Schnitzeln oder dem klassischen Sonntagsbraten.

Crowdbutchering könnte helfen, dass Verbraucher bewusster und weniger Fleisch essen, glaubt Wolter. "Dem Verbraucher wird vor Augen geführt, was es heißt, Fleisch zu essen. Die Tiere werden für unseren Verzehr geboren, aufgezogen und geschlachtet", sagt er. "Für den bewussten Konsum für hochwertiges Fleisch ist Crowdbutchering eine schöne Möglichkeit."

Doch am Ende entscheiden die Verbraucher, ob Fleischkonsum nachhaltiger wird. Fleischliebhaber müssten bereit sein, mehr zu zahlen, wenn sie ohne schlechtes Gewissen und ohne die Umwelt zu belasten in einen Burger beißen wollen, sagt der Gründer von 'Geteiltes Fleisch'.

"Die Antwort auf Massentierhaltung können ausschließlich die Verbraucher geben. Solange Leute nicht bereit sind, die Haltebedingungen der Tiere zu hinterfragen und vor allem nicht bereit sind, faire Preise für hochwertige Produkte zu bezahlen, wird auch bei den Erzeugern kein Umdenken stattfinden", so Vetter.