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Wahl-Fiasko für CSU

29. September 2008

Historisches Fiasko für die CSU: Nach verheerenden Stimmenverlusten muss die seit gut vier Jahrzehnten in Bayern allein regierende Partei künftig die Macht teilen. Die SPD profitiert jedoch nicht vom Debakel der CSU.

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Eine Frau mit Dirndl gibt am Sonntag (28.09.2008) in einem Wahllokal in Wolfratshausen (Oberbayern) ihren Stimmzettel ab. Rund 9,3 Millionen Wahlberechtigte in Bayern können über die Zusammensetzung des neuen Landtags entscheiden. 180 Sitze sind zu vergeben, darunter 91 Direkt- und 89 Listenmandate. Foto: Tobias Hase dpa/lby +++(c) dpa - Report+++
Die Wählerinnen und Wähler haben die CSU abgestraftBild: picture-alliance/ dpa

Die CSU sackte bei der Landtagswahl am Sonntag (28.09.2008) laut dem vorläufigen amtlichen Endergebnis auf 43,4 Prozent ab. Sie verpasste klar die Mehrheit der Mandate und braucht erstmals seit 46 Jahren einen Koalitionspartner. Seit 1970 hatte die CSU als eine der erfolgreichsten Parteien Europas immer über 50 Prozent gelegen, dies hatte ihren Mythos begründet.

Becksteins Anspruch

Ministerpräsident Günther Beckstein (64) betonte trotz des Fiaskos für die CSU seinen Führungsanspruch: "Ich stehe für eine Koalitionsregierung zur Verfügung." Er werde vor allem mit der FDP, aber auch mit SPD und Freien Wählern reden. "Das ist für uns eine schwierige, schmerzliche und völlig neue Erfahrung." Als klarer Favorit der CSU gelten die Liberalen.

FDP-Spitzenkandidat Martin Zeil bot der CSU unmittelbar nach der Wahl Gespräche an. Die Partei habe Vertrauen in die Gestaltungskraft Becksteins, sagte CSU-Parteichef Erwin Huber Huber (62).

Neue Größe: Freie Wähler

Größter Stimmengewinner sind die bürgerlichen Freien Wähler (FW), die mit einem Ergebnis von 10,2 Prozent erstmals in das Münchner Maximilianeum einziehen, und die FDP. Die Liberalen schafften nach 14 Jahren Abstinenz mit 8,0 Prozent mühelos den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde. Die Linke kam auf 4,3 Prozent und schaffte damit den Einzug in den Landtag nicht. Die Grünen gewannen leicht dazu und kamen auf 9,4 Prozent. Im Parlament gibt es damit künftig fünf statt der bisher drei Fraktionen von CSU, SPD und Grünen.

Foto: Angelika Warmuth dpa/lby +++(c) dpa - Report+++
Günther Beckstein könnte trotz herber Verluste im Amt bleiben, braucht dazu aber einen KoalitionspartnerBild: picture-alliance/ dpa

Ein Jahr vor der Bundestagswahl belastet der massive Einbruch der CSU auch die Union um Kanzlerin Angela Merkel (CDU) schwer. Der Bundes-SPD mit ihrer neuen Spitze um den designierten Vorsitzenden Franz Müntefering und Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier verschafft das im Vergleich zu 2003 und zu den Umfragen stagnierende Ergebnis der bayerischen Genossen keinen Rückenwind.

Die CDU sah trotz "bitterer Verluste" für ihre Schwesterpartei CSU keine negativen Auswirkungen auf die große Koalition. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla ging davon aus, dass die anstehenden Fragen "einvernehmlich entschieden werden". Steinmeier sagte in Berlin: "Wir erwarten, dass die Union die Handlungsfähigkeit der Regierung sicherstellt."

Schlappe auch für die SPD

Verloren hat aber auch die SPD in Bayern mit Spitzenkandidat Franz Maget. Sie kam auf nur 18,6 Prozent (2003: 19,6). Die Sozialdemokraten lagen damit noch unter dem bisher schlechtesten Nachkriegsergebnis in Bayern vor fünf Jahren. Maget sprach sich nach der Wahl für ein Vierer-Bündnis gegen die CSU aus. Das gilt jedoch als völlig unrealistisch.

Die CSU erzielte ihr schwächstes Ergebnis seit 1954 (38,0 Prozent). Noch unter Parteichef und Ministerpräsident Edmund Stoiber hatte die CSU 2003 mit 60,7 Prozent das zweitbeste Ergebnis in der Geschichte des Freistaats eingefahren, verbunden mit einer Zweidrittel-Mehrheit der Landtagsmandate. Hinzugewonnen haben die Freien Wähler (FW) mit 10,2 Prozent (2003: 4,4), die Grünen mit 9,4 Prozent (2003: 7,7), die FDP mit 8,0 Prozent (2003: 2,6) und die Linke (4,3 Prozent).

Im neuen Landtag ist die CSU mit 92 Abgeordneten vertreten, die SPD stellt 39 Parlamentarier. Die Freien Wähler werden mit 21 Mandaten drittstärkste Kraft, die Grünen haben 19 Sitze und die FDP 16. Insgesamt sitzen damit im neuen bayerischen Landtag 187 Abgeordnete. Die Wahlbeteiligung war mit 58,1 Prozent ähnlich niedrig wie 2003 (57,1 Prozent).

Beckstein u. Huber (AP Photo/Diether Endlicher, Christof Stache) ** zu APD8671 **
Huber und Beckstein (r.)waren zu spontanen Rücktritten nicht bereit (Archiv)Bild: AP

Angeschlagenes Duo

Der Start des Führungsduos Huber/Beckstein war durch die Milliarden-Belastungen bei der BayernLB, das Aus für den Transrapid, die Querelen um das Rauchverbot und den Dauerstreit um die Schulpolitik belastet worden. Beide hatten dennoch "50 Prozent plus X" als Wahlziel ausgegeben. Huber sieht die Verantwortung für die Verluste nicht nur bei der aktuellen Führungsspitze. "Der Wähler hat die gesamte Politik seit 2003 im Blick gehabt", sagte er, ohne seinen Vorgänger Stoiber namentlich zu nennen.

In den vergangenen Tagen wurde über personelle Konsequenzen für den Fall eines CSU-Debakels spekuliert. Dabei wurde Agrarminister und CSU-Vize Horst Seehofer als möglicher Huber-Nachfolger genannt. Er sagte in der ARD: "Ein einfaches Weiter so wird es nicht geben." Die Partei werde zügig Konsequenzen ziehen. Huber betonte, er halte an Generalsekretärin Christine Haderthauer fest. Der Parteichef selbst strebt 2009 ein Bundestagsmandat an, um seine bundespolitische Präsenz zu verstärken.

Bundesversammlung und Bundesrat

Besonders interessant war die Bayern-Wahl mit Blick auf die Bundesversammlung, die Ende Mai 2009 den Bundespräsidenten wählt. Der Rückgang der CSU-Stimmenzahl dort wird nun wohl weitgehend durch den Erfolg der FDP und der eher konservativen Freien Wähler kompensiert. Eine knappe Mehrheit für Amtsinhaber Horst Köhler in der Bundesversammlung ist angesichts unveränderter Lager in Bayern in Reichweite.

Im Bundesrat schrumpft die klare Mehrheit für Schwarz-Rot, falls die CSU mit der FDP in Bayern koaliert.

Was die Bayern-Wahl für die Bundespolitik bedeutet

Bundespolitisch galt die Bayern-Wahl als Stimmungstest für die große Koalition aus CDU/CSU und SPD mit Blick auf 2009. Die massiven CSU-Verluste schwächen nun auch die Union insgesamt. 2005 hatte die CSU mit ihrem Bundestagswahl-Ergebnis von 49,2 Prozent der Union einen knappen Vorsprung vor der SPD beschert, ohne die Christsozialen wäre Merkel nicht Kanzlerin geworden. Eine neuerliche Schlappe der CSU im kommenden Jahr könnte die angestrebte schwarz-gelbe Koalition gefährden. Die neue SPD-Führung um Müntefering und Steinmeier strebt 2009 ein rot-grünes Bündnis oder eine "Ampel-Koalition" unter Einschluss der FDP an. (mas/det)

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