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Düngemittel gefährden Millionen Kleinbauern

Martin Koch23. Mai 2013

Der massive Einsatz von synthetischem Dünger sorgt für schnelles Wachstum - mit fatalen Folgen für tropische und subtropische Länder. Der Kampf gegen Hunger und Armut scheint jedoch wichtiger.

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Ein Mann streut Düngemittel auf ein Feld (Foto: AFP/Getty Images)
Bild: AFP/Getty Images

Für den Vorsitzenden des Bauernverbandes in Malawi, Prince Kapondamgaga, ist synthetischer Dünger einer der wichtigsten Gründe für das Agrarwachstum in seinem Land. Seit fünf Jahren könne Malawi genug produzieren, um seine Bevölkerung zu ernähren, seit fünf Jahren erziele man sogar einen Überschuss, der exportiert werden könne. "Dünger ist extrem wichtig für diese rasante Entwicklung", so der Bauernfunktionär im DW-Gespräch.

Mehr Dünger - größere Ernte - weniger Armut. Diese einfach klingende Formel ist nach Ansicht der Heinrich-Böll-Stiftung und der Umweltorganisation World Wide Fund For Nature (WWF) Ursache für viele Probleme in Ländern entlang des Äquators in Afrika, Asien und Südamerika. In einer Studie zeigen sie, wie stark übermäßiger Einsatz von Düngemitteln den Boden in den tropischen und subtropischen Ländern schädigt und damit die Existenz von Millionen Kleinbauern gefährdet.

"Es ist ein Geschäft"

Die Studie will Politiker, Funktionäre und Landwirte zu einem Umdenken bewegen: Nicht kurzfristiger Erfolg in Form von gesteigerter Produktion soll im Fokus stehen, sondern nachhaltiges Wachstum und Schutz der natürlichen Ressourcen.

Natürlich kennt Malawis Bauernverbandschef Kapondamgaga auch die Vorteile eines ausgeklügelten Bodenmanagements. Natürlich weiß er, dass organischer Dünger wichtig ist für die Anbauflächen. Und er sieht sehr wohl die Gefahren, die langfristig durch zu starken Einsatz von Düngemitteln auf den Feldern drohen: "Aber die Alternativen müssen eben auch Wettbewerbsvorteile bieten, um so die Produktion anzukurbeln. Warum sollte ich Geld in Bodenmanagement investieren, wenn ich keinen Gewinn daraus ziehe? Am Ende geht es eben nicht nur darum, den eigenen Bedarf zu decken, sondern es ist ein Geschäft!"

Gegen den Trend

Der Einsatz von Düngemitteln hat sich in den vergangenen Jahren dramatisch erhöht. In China kommen auf einen Hektar (10.000 Quadratmeter) Anbaufläche pro Jahr 344 Kilogramm Mineraldünger, so viel wie in keinem anderen Land der Erde. Ein Drittel der weltweit produzierten Düngemittel werden im Reich der Mitte auf die Felder ausgebracht.

Dagegen nehmen sich die 7,5 Kilogramm Dünger, die auf einen Hektar Anbaufläche in Ghana verteilt werden, geradezu mickrig aus. Grund genug offenbar für die "African Development Bank" von einer "Dünger-Krise" in Afrika zu sprechen und die Regierungen der jeweiligen Länder aufzufordern, mit noch stärkeren Subventionen den Absatz von Düngemitteln zu steigern.

Ein Bauer sprüht mit einem Traktor Düngemittel auf sein Feld (Foto: picture alliance/WILDLIFE)
Manche afrikanische Regierungen verwenden bis zu 70 Prozent ihres Agraretats auf Düngemittel-SubventionierenBild: picture alliance/WILDLIFE

Für Christine Chemnitz von der Heinrich-Böll-Stiftung geht diese Maßnahme genau in die falsche Richtung. Sie fordert sogar ein Ende aller staatlichen Unterstützung für Düngemittel. Denn Düngen allein reiche bei weitem nicht aus, sagt sie im Gespräch mit der DW. Gefragt sei eine neue Art des Bodenmanagements, die sich an den althergebrachten Kreisläufen orientiert: "Man sollte versuchen, den Humus, den nährstoffreichen Boden zu erhalten. Dung von Tieren ist wichtig und man sollte zwischendurch auch mal andere Pflanzen anbauen. Synthetischer Dünger - wie Stickstoff, Phosphor, Kalium - kann ein Element von vielen sein."

Hinzu komme die Tatsache, dass viele Kleinbauern fast ausschließlich stickstoffhaltigen Dünger kaufen, weil der billiger sei als Kalium und Phosphor. Aber dadurch versauere der Boden noch schneller, die sowieso schon geringe Humusschicht werde abgetragen und die Pflanzen könnten die Nährstoffe nicht mehr halten, warnt Chemnitz. Die Folge sei, dass noch mehr gedüngt werden müsse.

Christine Chemnitz, Referentin für internationale Agrarpolitik, Heinrich Böll Stiftung. (Foto: DW/Eva Usi)
Christine Chemnitz: "Düngen allein reicht nicht"Bild: DW/E. Usi

Geschäft oder Idealismus?

Allzu häufig ende das Vorgehen in einem finanziellen Debakel, betonen Böll-Stiftung und WWF. Die Preise für Düngemittel sind in den vergangenen Jahrzehnten extrem gestiegen, die Erträge aus dem Verkauf von landwirtschaftlichen Produkten dagegen kaum. Das führt dazu, dass viele Kleinbauern vor Beginn der Saison Geld für den Kauf von Dünger aufnehmen müssen. Fällt die Ernte dann schlecht aus, sitzen sie in der Schuldenfalle.

Drei afrikanische Kleinbauern auf einem Feld (Foto: picture alliance/David Poole/Robert Harding)
Viele Kleinbauern geraten durch hohe Düngerpreise in die SchuldenfalleBild: picture alliance/David Poole/Robert Harding

Deshalb sei eine Umkehr zu einer ökologischen Landwirtschaft sinnvoll, wie sie unter anderem die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit oder die kirchlichen Hifswerke Misereor und Brot für die Welt förderten. Dort würden natürliche Ressourcen genutzt, Felder mit dem Dung vom eigenen Vieh gedüngt, und es sei viel weniger Kapitaleinsatz erforderlich, so Christine Chemnitz von der Böll-Stiftung. "Wir wollen mit der Studie auch internationale Einrichtungen wie die Welternährungsorganisation FAO oder die Weltbank, die sich ja auch in diese Diskurse einmischen, ganz klar alarmieren und sagen, dass es nachhaltige und zukunftsgerichtete Alternativen gibt. Und wir fordern auch, die Subventionierung für synthetische Düngemittel zu stoppen."

Nur so könne der Teufelskreis durchbrochen werden, dass immer mehr gedüngt werde, um immer mehr zu produzieren, damit die Kleinbauern in Südamerika, Asien oder Afrika ein besseres Einkommen haben, heißt es in der Studie von Böll-Stiftung und WWF. Doch dafür sei ein grundsätzliches Umdenken bei Politikern, Funktionären und Landwirten erforderlich. Angesichts des weiter rapide steigenden Absatzes von Düngemitteln weltweit stünden die Chancen dafür jedoch eher schlecht.