1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

"Da hilft keine Schutzweste" - Streubomben-Gefahr im Libanon

Sabrina Loi3. September 2006

Laut Informationen des UN-Zentrums für Koordinierung der Minenbekämpfung wurden im Libanon rund 360 Abwurfstellen von Streubomben gezählt. Bis zu 100.000 der Minibomben sind wahrscheinlich noch nicht explodiert.

https://p.dw.com/p/92BI
Vorsicht, Todesgefahr - Markierung um eine Streubombe in LibanonBild: AP

Seit fast drei Wochen hält die Waffenruhe im Libanon nun schon, dennoch gibt es noch immer zahlreiche Tote und Verletzte. Schuld daran sind Blindgänger, also Bomben, die nicht direkt beim Aufprall explodiert sind. Im Libanon kommen viele der Blindgänger von den Streubomben israelischer Kampfflugzeuge und der Artillerie.

Gefährliche Blindgänger

Israel Libanon Munition Räumung von einer Streubombe
Frank Masche bereitet die Sprengung eine Streubombe vorBild: AP

Die britische Wohltätigkeitsorganisation Mines Advisory Group hat im Auftrag der Vereinten Nationen zwei Tage nach Beginn der Waffenruhe mit der Notfallräumung begonnen. Streubomben verteilen über ein großes Gebiet viele kleine Minibomben, so genannte Submunitionen, erklärt der Bombenentschärfer Frank Masche von der Mines Advisory Group: "Submunitionen sind kleine Munitionskörper, die mit einer Trägermunition wie einer Artilleriegranate, einer Rakete oder einer Bombe ins Ziel transportiert werden. Wenn die Trägermunition geöffnet wird, stößt sie kleine Tochtermunitionen aus, die sich dann über ein großes Gebiet verteilen. Dann kommen sie zur Wirkung oder wie es hier der Fall ist, sie bleiben zum großen Teil als gefährliche Blindgänger liegen."

Diese Blindgänger sing gerade einmal so groß wie eine Getränkedose und daher leicht zu übersehen. Gerade das macht ihre Gefahr für die Zivilbevölkerung aus. Hinzu kommt, dass - ähnlich wie bei Landminen - auch bei der Submunition der Streubomben eine leichte Berührung zur Detonation ausreicht. "Submunition reagiert auf viele Einflüsse, nicht nur auf Drauftreten, sondern auch auf so simple Sachen wie ausfegen, mit einer Schippe dranstoßen", sagt Frank Masche. "Außerdem sieht man sie sehr schlecht. Sie ist als Munition schwer zu identifizieren. Kinder finden es toll und spielen damit. Viele haben auch versucht, die Munition selber zu räumen." Unwissen über die Gefahr oder zu viel Eigeninitiative - das sind die Hauptursachen der Unfälle.

Momentan ist nur Nothilfe möglich

CBU-97 Clusterbombe
Grafische Darstellung der US-amerikanischen Streubombe CBU-97Bild: FAS

Die Art der Entschärfung ist abhängig vom Zustand des Gefechtskopfes. Ist er intakt, kann die Munition entnommen, transportiert und an anderer Stelle zerstört werden. Ansonsten muss die Vernichtung noch an Ort und Stelle geschehen. Wie bei der derzeit hauptsächlich stattfindenden Notfallräumung: "Wir räumen Straßen, Häuser, das Gebiet um die Häuser, zwischen den Häusern, im Grunde die gesamte Infrastruktur", sagt Masche. Gärten oder landwirtschaftliche Nutzflächen würden vorerst nicht geräumt, im Moment könne die Organisation nur Nothilfe leisten, so Masche. "Wir fahren dahin, wo es am schlimmsten ist und räumen die Bomben weg, die uns Leute zeigen. Wir versuchen so vielen zu helfen wie möglich."

Die systematische Räumung der Bomben im Südlibanons wird erst beginnen, wenn mehr Hilfsorganisationen und die Personalverstärkung sowie mehr Technik eingeflogen werden. Eigentlich war Frank Masche Ende Mai aus einem anderen Grund im Libanon im Einsatz: Er sollte im Auftrag der Mines Advisory Group Landminen entschärfen. Für ein Projekt, das bereits seit sechs Jahren läuft und in zwei Jahren hätte beendet werden sollen. Jetzt wird sich diese Arbeit verzögern. Die Schutzweste, die er bei Landminenentschärfung zum Schutz vor den Splittern noch trug, hat er längst abgelegt. Die Munition der Streubomben hat genug Kraft einen Panzer zu zerstören. Da hilft dann auch eine Schutzweste nicht mehr.