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Damaskus näher als Paris

Jan D. Walter17. November 2015

Auch Kriegsflüchtlinge bedauern die Terror-Opfer von Paris. Doch sie, die den Krieg erlebt haben, fürchten nicht den Islamismus in Europa. Ihre Angst dreht sich um die, die noch daheim sind.

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Luftangriff bei Damaskus (Foto: AFP)
Bild: Getty Images/AFP/S. Al-Doumy

Mit einem verunsicherten Lächeln streckt er die Hand mit seinem Smartphone aus: "Ich liebe einfach die Güte aller Menschen ohne Unterscheidung", steht da. Es ist der einzige vollständige Satz, den das Übersetzungsprogramm im ganzen Gespräch anzeigen wird. Und doch ist er rätselhafter als Vieles andere, was der freundlich blickende Mann zum Ausdruck bringen will. Denn es ist die Antwort auf die Frage nach seinem Namen.

Auch auf erneute Nachfrage winkt er ab. Er sei Syrer und vor 15 Tagen in Deutschland angekommen. Über den Libanon habe er Syrien verlassen. Irgendwo dazwischen war ein Auto im Spiel. Nun steht er mit zwei anderen Flüchtlingen unter dem Vordach eines Erstaufnahmeheims in Bochum. Die anderen beiden heißen Mohammed. Keiner von ihnen spricht mehr als ein paar Worte Englisch oder Deutsch.

Moslems, aber keine Verbrecher

Doch beim Stichwort "Paris" wissen alle, worum es geht. Sie blicken betroffen, schütteln die Köpfe wie zum Zeichen ihres Unverständnisses über die Tat. Nach einem kurzen Stimmengewirr auf Arabisch tippt der, der seinen Namen nicht verrät, etwas in sein Handy: Verbrecher seien das. Auch sie selbst seien Moslems, aber keine Verbrecher, geben sie zu verstehen. Die Europäer seien ihre Freunde.

Dann sind die Zigaretten zu Ende geraucht. Die beiden Mohammeds gehen. Der dritte will darüber sprechen, warum er seinen Namen nicht verraten will und warum selbst ein Foto von seinen Händen, die immer wieder arabische Schriftzeichen in das Display tippen, ausgeschlossen sei: Seine Familie sei in Syrien und er will nicht riskieren, dass sich jemand an ihnen für das rächt, was er der Presse sagt. Oder dafür, dass er überhaupt in Deutschland ist.

Bruder getötet, Sorge um Töchter

Zu den Attentaten von Paris hat er nicht viel zu sagen. Der Daesh, wie der "Islamische Staat" auf Arabisch heißt, das seien Verbrecher gegen die Menschlichkeit. Es gehe ihnen nicht darum, Unrecht gegen den Islam zu rächen. Aus reiner Willkür würden sie Menschen töten. Aber Angst vor Terror-Anschlägen in Europa? In Deutschland? Die Behörden sollten die Extremisten wohl im Blick haben. Aber Angst - die habe er um seine Familie.

Immerhin seien seine beiden Töchter inzwischen in Damaskus. Dort sind sie vermutlich etwas sicherer als in ihrer eigentlichen Heimat nahe den von Israel besetzten Golan-Höhen. Dort bekämpfen sich verschiedene syrische Milizen, die Al-Nusra-Front und die syrische Armee.

Sein Bruder und sein Freund seien beide getötet worden. Mit den Händen deutet er ein Bombardement an. Welche Kriegspartei es war, sagt er nicht. Lieber zeigt er ein Foto von den beiden Toten. Vielleicht ist es ihm auch egal, wer es war. Er scheint da keinen großen Unterschied zu machen: Alle Kriegsparteien, sagt er, wollten nur die jungen Männer für sich gewinnen. Aber er will nicht kämpfen, er will keinen Krieg. Er ist froh, dass er in Deutschland ist.