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"Damit Deutsch nicht zum Kuriosum wird"

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Als Opernsängerin stand Edda Moser auf den berühmtesten Bühnen der Welt. Heute macht sie sich für den Erhalt der deutschen Sprache stark. Monika Dittrich sprach mit ihr über die Liebe zur Sprache und das Ärgernis der Anglizismen.

Streiten über Deutsch: Moser Illu 1

DW-WORLD.DE: Wie geht es der deutschen Sprache?

Edda Moser: Unsere Sprache ist gefährdet. Ständig höre und lese ich diese vielen englischen Schlagworte, die unsere schöne Sprache verfälschen. Da ist von "event" die Rede, von einer "message", von "sich outen", überall heißt es "sorry" und "okay". Es ist furchtbar! "Im schlimmsten Falle" ist doch viel deutlicher als "worst case", und die "Ebene" gibt meines Erachtens auch mehr Auskunft als "level". Obendrein legen viele Menschen kaum noch Wert auf die Aussprache, sie sprechen undeutlich. Selbst auf der Bühne wird heutzutage ja nur noch genuschelt, die Schauspieler wollen ihre Lippen offenbar nicht mehr bewegen.

Wer hat Schuld an dieser Entwicklung?

Ich glaube, es ist eine Mischung aus Gefallsucht und Jugendwahn, Angeberei und Ignoranz, die dazu führt, dass wir unsere Sprache so vernachlässigen. Viele Menschen meinen, es sei besonders modern, ein schlampiges und von englischen Ausdrücken wimmelndes Deutsch zu sprechen.

Aber ist das nicht der ganz normale Wandel der Sprache, den wir akzeptieren müssen?

Natürlich verändert sich die Sprache im Lauf der Zeit, das ist normal. Wir müssen allerdings aufpassen, dass von der deutschen Sprache noch etwas übrig bleibt und sie nicht zum Kuriosum wird. Wir haben so eine schöne, gefühlvolle Sprache – wir sollten sie auch pflegen! Die Sprache ist ein wichtiger Ausdruck der Persönlichkeit. Menschen, die sich gut ausdrücken und ihre Sprache bewusst und sorgfältig einsetzen, verfügen über großes Charisma.

Streiten über Deutsch: Moser Illu 2

Wie wichtig die Sprache, besonders die Muttersprache, für den Menschen ist, habe ich gespürt, als ich im Ausland gelebt habe. Vor allem in New York traf ich viele deutsche Emigranten, die ein so hervorragendes, in zahlreichen Dialekten blühendes Deutsch sprachen und die mir erklärten: "Unsere Sprache ist unsere portable Heimat." Das hat mir sehr imponiert.

Was sollten wir denn tun, um die deutsche Sprache zu retten?

Wir müssen uns vor allem selbst lauschen. Jeder sollte im Alltag darauf achten, gutes Deutsch zu sprechen, und Nachlässigkeiten und Anglizismen nicht gelten lassen. Wir sind großzügig ausgestattet mit einem fantastischen Wortschatz, und den sollten wir auch benutzen. Wir haben eine vielschichtige Sprache, mit der wir wirklich alles sagen können, ohne zu verletzen und ohne Zweifel zu hinterlassen. Je besser und geschmackvoller wir formulieren, desto größer ist die Macht unserer Aussage. Niemand sollte meinen, mit einer englischen Redewendung ließe sich etwas besser ausdrücken. Das stimmt einfach nicht! Doch leider geht die Vielschichtigkeit unserer Sprache immer mehr verloren. Manchmal, wenn ich im Zug, auf der Straße oder auch im Fernsehen Gespräche verfolge, habe ich den Eindruck, da werden immer die gleichen 20 Wörter hin und her geworfen. Und so viele schöne deutsche Wörter liegen stattdessen brach. Warum sprechen wir kaum mehr von "Demut", von "Wonne" oder "Behaglichkeit"? Bei vielen jungen Menschen höre ich immer nur "Spaß" und ich frage mich, ob sie auch "Freude", Heiterkeit" und "Frohsinn" kennen. Ich möchte, dass wir unsere Sprache wieder in ihrer ganzen Schönheit anwenden.

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Sie sind Professorin für Gesang und geben Meisterkurse. Sind Sie mit Ihren Studenten auch so streng?

Und ob! Ich bin eine fanatische Freundin der deutschen Sprache und in dieser Angelegenheit unerbittlich. Wer in meinem Unterricht "sorry" sagt oder "okay", der muss einen Euro bezahlen. Aber glauben Sie nicht, ich würde damit reich werden. Im Gegenteil: Die Studenten bemühen sich sehr und verzichten auf diese überflüssigen englischen Ausdrücke. Und das ist es ja, was ich erreichen möchte.

Was halten Sie von dem Vorschlag, Deutsch als Nationalsprache im Grundgesetz zu verankern?

Das ist eine gute Idee. Der Schutz der deutschen Sprache ist eine wichtige Sache. Es wäre gut, wenn diejenigen, die sich um die Sprache verdient machen, die Verfassung auf ihrer Seite hätten. Am wichtigsten aber ist es, dass wir im Alltag unsere Sprache pflegen und gutes Deutsch sprechen.

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Streiten über Deutsch: Moser Porträt

Edda Moser, geboren 1938 in Berlin, feierte seit Ende der Sechzigerjahre Erfolge an den berühmtesten Opernhäusern der Welt. Ihr Gesang der "Königin der Nacht" aus Mozarts "Zauberflöte" wurde – neben Bildern und Grußbotschaften der Erde – auf einer kupfernen Datenplatte aufgenommen. Diese Platte befindet sich seit 1977 an Bord der Raumsonde Voyager 2, um möglichen intelligenten Lebewesen außerhalb unseres Sonnensystems einen Eindruck menschlichen Gesangs zu vermitteln. Edda Moser ist Professorin für Gesang an der Musikhochschule in Köln und leitet Meisterklassen an verschiedenen Konservatorien. 2006 rief sie das jährliche "Festspiel der deutschen Sprache" ins Leben.


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