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"Dann bleibt ein geteiltes Land übrig"

Ulli Schauen6. Juni 2003

Die US wollen den Irak demokratisieren. Vergleichbare Vorhaben gab es schon einige - mit unterschiedlichen Ergebnissen. Zum Beispiel nach dem Zweiten Weltkrieg in Japan und Korea.

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Welchen Weg werden die Iraker gehen?Bild: AP

Erst kommt der Krieg, dann der Einmarsch, dann eine Besatzungsregierung, und wenn die geht, hinterlässt sie ein freies, demokratisches Land. So versprachen es die USA
immer wieder für den Irak und verwiesen dabei auf Deutschland und Japan, wo das so gut funktioniert haben soll. Welche historischen Lehren aber können wirklich aus den US-Militärregierungen in Japan und Korea nach dem Zweiten Weltkrieg für den Irak gezogen werden?

Beispiel Japan

15. August 1945: Der Zweite Weltkrieg endete auch in Asien. Der japanische Kaiser Hirohito verkündete in einer Rundfunkansprache: Japan kapituliert und ergibt sich den US-Amerikanern. Der Kaiser selbst verlieh so den Besatzern Legitimität. Das machte der US-amerikanischen neuen Militärregierung unter General Douglas MacArthur das Regieren leichter als heute im Irak.

Der amerikanische Japanwissenschaftler John Dower vom Massachusetts Institute of Technology sieht einen ganz wichtigen Unterschied zum heutigen Irak: "Die Regierung Japans blieb intakt, vom Kaiser bis zur lokalen Verwaltung. Und die Regierung wollte mitmachen, eine bessere Gesellschaft zu schaffen." Die Japaner hatten die Nase voll vom Krieg, fühlten sich befreit und wollten einen Neuanfang, sagt Dower. Und es gab demokratische Traditionen in Japan, an die sie anknüpften konnten.

Die Besatzer und ein großer Teil der Besetzten zogen an einem Strang: Sie stärkten die Menschen- und Bürgerrechte. Das Ergebnis: Demilitarisierung, Frauenrechte, eine Landreform, Rechte für Arbeiter. "Die Amerikaner in der Militärregierung von Japan zählten zu den liberalsten, progressivsten Köpfen der USA. Sie waren Teil der globalen Menschenrechtsbewegung", erklärt Dower. "Sie träumten von einer wichtigen Rolle der Vereinten Nationen, von Demokratie und Selbstbestimmung für die Japaner. Das führte zu einigen sehr radikalen Reformen in Japan."

Das Jahr 1947 brachte eine Wende. Der Kalte Krieg gegen die Sowjetunion prägte nun auch die Asien-Politik der USA. Die großen Wirtschaftskonzerne erhielten wieder mehr Macht, die Konservativen bekamen Auftrieb.

Erst ein geteiltes Land, dann Krieg

Als der japanische Kaiser kapituliert, tanzen die Menschen in Korea vor Freude auf den Straßen. Die USA und die Sowjetunion haben das Land von der japanischen Kolonialherrschaft nach 35 Jahren befreit. Die Koreaner nehmen sogleich ihre Angelegenheiten selbst in die Hand. Sie bilden Volkskomitees, die häufig linksgerichtet sind.

Aber dann landen die US-Truppen in Süd-Korea und setzen die Volkskomitees ab. Und sie geben den Landbesitzern, den Bürokraten und der Polizei wieder Macht - also denjenigen, die mit der japanischen Kolonialmacht zusammen gearbeitet hatten.

Bruce Cumings, Korea-Wissenschaftler aus Chicago, erklärt: "Die Linken wollten eine durchgreifende Landreform und die Entmachtung der Kollaborateure. Auf der politischen Rechten waren Leute, welche die USA begrüßten. Aber die hatten keine Legitimation, die waren während der Kolonialzeit reich geworden. Im Irak ist es ähnlich. Wer etwas darstellt, der muss mit dem Saddam-Regime zusammen gearbeitet haben. Sie hatten keine Wahl, sonst wurden sie in Gefängnissen gefoltert."

Das Ergebnis der Besatzungszeit: In Südkorea herrschte ein Guerillakrieg der Enttäuschten gegen die Regierung. Das mündete in den verheerenden Koreakrieg des Nordens gegen den Süden.

Ein zweiter "Korea"-Konflikt?

Die US-Besatzungsregierungen in Japan und in Korea - welche taugt am besten als Vergleichsmodell? "Die Unterschiede von Japan zum Irak sind enorm groß, es gibt nur wenig Ähnliches, es ist fast unvergleichbar", meint der Japanologe John Dower. Man habe sich in Amerika vorgestellt, die Iraker kämen mit Blumen und würden die Amerikaner umarmen. Es sei aber vorhersagbar gewesen, dass das nicht passiert.

Der Korea-Wissenschaftler Bruce Cumings sieht Korea als Beispiel für das, was im Irak unter der US-Besatzung passieren könnte - ein negatives Beispiel allerdings. "Wenn es mit der Analogie zu Korea so weiter geht, dann werden wir im Irak erst einmal einen scheinbar schnellen Erfolg sehen. Dann, nach Monaten und Jahren verschärfen sich die Probleme mit den gesellschaftlichen Gruppen, die ihre Wünsche nicht erfüllt sehen. Die rebellieren dann, verweigern der US-geführten Regierung ihre Mitarbeit. Das Schlimmste wäre, wenn es dann wie in Korea weiter geht. Dann bleibt ein geteiltes Land übrig - Kurdenland im Norden, Sunniten in der Mitte, Schiiten im Süden. Das will zwar niemand, niemand wollte die Teilung, aber es ist so passiert, nur drei Jahre nach der Besetzung von Korea."