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Das andere Gesicht

Konstantin Klein12. Februar 2002

Was spielt sich ab auf Amerikas bunten Fernsehbildschirmen? DW-TV-Korrespondent Konstantin Klein wirft einen Blick hinter die Kulissen.

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Zur Ausstattung des DW-TV-Studios Washington gehört unter anderem ein Bord mit fünf Fernsehschirmen. Die sind immer an, meistens stumm geschaltet und zeigen neben dem Programm von DW-TV verschiedene US-Nachrichtenkanäle. So bekommen die Studiomitarbeiter (zumindest im Augenwinkel) immer die neuesten Entwicklungen mit, selbst wenn sie gerade an einer ganz anderen Geschichte arbeiten. Und manchmal lernen sie sogar etwas dabei – wie das Beispiel von DW-TV-Korrespondent Konstantin Klein zeigt.

Derzeit gibt es vor allem zwei Sorten von Nachrichtensendern in den USA: die Patriotischen und die Ganz Patriotischen. Die Ganz Patriotischen werfen den nur Patriotischen mehr oder weniger deutlich Landesverrat vor, weil sie es wagen, gelegentlich über die Kritik ausländischer Menschenrechtler an der Behandlung von Taliban-Gefangenen auf dem Marinestützpunkt Guantanamo (Kuba) zu berichten. Und auch sonst machen sich die Sender gerne das Leben schwer.

So warb kürzlich einer der nur Patriotischen Sender einem Ganz Patriotischen die Starjournalistin Paula Z. ab. Z. war erst vor etwas mehr als einem Jahr zu dem Ganz Patriotischen Sender gewechselt, war aber den Zuschauern des Ganz Patriotischen Senders entweder Nicht Patriotisch Genug, oder zu intellektuell, oder einfach zu alt (obwohl das niemand zugegeben hätte). Weshalb die Einschaltquoten unpatriotisch niedrig blieben und der Sender Z. nur zu gerne ziehen ließ.

Im Gegenzug warb der Ganz Patriotische Sender jetzt die ehemalige Anwältin und derzeitige Starmoderatorin Greta van S. ab. Das war umso bemerkenswerter, als van S. selbst bei dem Nur Patriotischen Sender als eher liberal galt, was in US-politischen Kreisen ein Synonym für "fast linksradikal" gilt (in Deutschland entspräche das etwa dem rechten SPD-"Seeheimer Kreis").

Der Wechsel der Starjournalistin van S. war auch unter einem anderen Gesichts-Punkt erstaunlich: Bei dem Ganz Patriotischen Sender kommen nämlich vor allem zweierlei Personengruppen vor die Kamera: entschlossen bis grimmig aussehende Männer zwischen 45 und 60, und entschlossen bis grimmig aussehende, sonst aber glattgesichtige, überwiegend blonde Frauen zwischen 25 und 35. Van S., bei aller gebotenen Höflichkeit, fällt nur bedingt in die letztere Gruppe: Sie ist zu alt, und ihr Gesicht... nun, sagen wir es so: es war einmalig. Unverwechselbar.

Es war.

Einen Monat nach ihrer letzten Sendung bei dem Nur Patriotischen Senders blieb van S. verschwunden. Dann tauchte sie im Programm des Ganz Patriotischen Senders auf - nicht nur in ihrer eigenen Sendung, sondern auch in der Morning Show, und - dank der Trailer für ihre neue Sendung - auch in allen anderen Sendungen. Und immer verkündete eine begeisterte Männerstimme, dass van S. jetzt ihre Show bei dem Ganz Patriotischen Sender habe.

Das war auch nötig, denn offensichtlich hatten es die Ganz Patriotischen Senderbosse für nötig gehalten, das unverwechselbare Gesicht der Journalistin van S. ein wenig dem Anforderungsprofil des Senders anzupassen. Oder anders ausgedrückt: van S. sieht aus, als sei sie im Rahmen des FBI-Zeugenschutzprogrammes unter das Messer eines Schönheitschirurgen geraten. Genaugenommen ist van S. jetzt nur noch an ihrer Stimme zu erkennen.

Auch andere Sender und führende Presseerzeugnisse waren davon so beeindruckt, dass sie über den Wechsel berichteten - den des Gesichts, nicht des Senders. Und die Mitarbeiter des DW-TV-Studios bemerken wieder einmal, dass sie doch in einer anderen Welt leben und arbeiten. Schönheitsoperationen gehören nicht zu den tariflich vereinbarten Sozialleistungen dieses Senders.

Schade eigentlich.