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Das Aus für die Wegwerfgesellschaft?

Irene Quaile11. Juli 2014

Knappe Ressourcen, hohe Emissionen, Umweltverschmutzung - mit dem überflüssigen Wegwerfen und Deponieren muss Schluss sein, sagt die EU-Kommission. Sie fordert höhere Recyclingquoten.

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Recycling bringt bares Geld (Münzen)
Bild: picture-alliance/dpa

Die Europäische Kommission hat neue Zielvorgaben für Abfälle vorgeschlagen. Die Recyclingquoten sollen erhöht und der Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft ermöglicht werden. Bis zum Jahr 2030 sollen den Plänen zufolge die Europäer 70 Prozent der Siedlungsabfälle und 80 Prozent der Verpackungsabfälle recyceln; ab dem Jahr 2025 soll die Deponierung recycelbarer Abfälle verboten sein.

Die Kommission setzte auch Zielvorgaben für die Verringerung von Abfällen im Meer und Ziele für die Reduzierung von Lebensmittelabfällen. "Während man die Umwelt schützt, fördert man die wirtschaftliche Entwicklung mit neuem Wachstum und neuen Arbeitsplätzen", sagte EU-Umweltkommissar Janez Potočnik.

Im Vorfeld der Bekanntgabe der neuen Vorgaben hatte die EU die Kreislaufwirtschaft zum Hauptthema der jährlichen Umweltkonferenz Green Week in Brüssel gemacht. Dort sagte Potočnik vor Politikern, Wirtschaftsvertretern und Journalisten: "Wenn wir nicht an den Wurzeln unseres Wirtschaftsystems etwas verändern, an unserem Konsumverhalten, unseren Produktionsmethoden, unserer Lebensweise, dann werden wir es längerfristig nicht schaffen, die Umwelt zu schützen und innerhalb der Grenzen unseres Planeten zu leben."

EU-Kommissar Potocnik vor einem Haufen Plastikabfall. (Foto: Irene Quaile)
EU-Kommissar Potocnik sieht Abfall als wertvolle RessourceBild: DW

Welt ohne Müll?

Fast am Ende seiner Amtszeit sagt Potočnik, Linearwirtschaftsysteme aus dem 19. Jahrhundert seien nicht für die Welt des 21. Jahrhunderts mit Millionen von Verbrauchern aus der Mittelschicht und miteinander vernetzten Märkten geeignet.

"Wenn wir wettbewerbsfähig sein wollen, müssen wir so viel wie möglich aus unseren Ressourcen herausholen; das heißt, wir müssen sie recyceln und wieder einer produktiven Verwendung zuführen. Wir dürfen sie nicht als Abfall in Deponien vergraben."

Heinz Leuenberger ist Direktor der Green-Industry-Initiative der UN-Organisation für industrielle Entwicklung UNIDO. In Brüssel sagte er der DW: "Ein effizienterer Umgang mit Ressourcen wird nicht alle Umweltprobleme lösen, es ist aber ein wichtiger Schritt. Nach einer Studie der Firma McKinsey in letztem Jahr könnten wir dadurch um die drei Trillionen Dollar pro Jahr einsparen." Diesen Aspekt habe man bis heute vernachlässigt.

So würden die meisten Firmenchefs versuchen, beim Personal zu sparen. Dabei liege der Anteil der Personalkosten in Deutschland bei 20 Prozent, Kosten für Material und Energie aber bei bis zu 55 Prozent. Hier biete sich viel mehr Potential für Einsparungen.

Schuhe aus recyceltem Material auf der Green Week in Brüssel. (Foto: Irene Quaile)
Aus recyceltem Material entstehen modische ProdukteBild: DW/Irene Quaile

Fortschritte für Europa auf Kosten der Entwicklungsländer?

Bas de Leeuw leitet das World Resources Forum mit Sitz in der Schweiz. Die Organisation vernetzt Wissenschaftler, Politiker, Firmen und Nichtregierungsorganisationen. "Für alle natürlichen Ressourcen geht der Trend in die falsche Richtung", sagte de Leeuw im Gespräch mit der DW. "Wir konsumieren zu viel. Wir verbrauchen zu viele Ressourcen, was mit Umweltverschmutzung und steigenden Preisen verbunden ist. Es könnte auch zu Instabilität führen, da die Armen keinen Zugang zu bezahlbaren, lebensnotwendigen Ressourcen haben."

UNIDO-Chef Leuenberger sieht das ähnlich: "Wir brauchen Wachstum für unsere wachsende Weltbevölkerung. Millionen leben in Armut. Alle wollen ein besseres Leben. Das wird uns vor riesige Probleme stellen, wenn wir es nicht schaffen, das Wirtschaftswachstum von dem Verbrauch natürlicher Ressourcen und steigenden Treibhausgasemissionen abzukoppeln."

Industrien, die die Umwelt verschmutzten oder sehr energieintensiv seien, würden von Europa in andere Länder ausgelagert, sagt der UN-Experte. "Daher können wir diese Entkoppelung nur schaffen, wenn wir auch Länder wie Indien, China, Mexiko und Südafrika einbeziehen." Leuenberger warnt auch vor dem unsachgemäßen Umgang mit Recycling, wie beispielsweise mit elektronischen Abfällen in Ländern wie Indien, China oder Nigeria.

Kinder sammeln Müll in Haiti. (Foto: UN Photo/Logan Abassi )
Mülldeponien bergen Gesundheitsgefahren.Bild: UN Photo/Logan Abassi

Unterstützung für die Vorschläge

Der Europäische Rat und das EU-Parlament müssen die Vorschläge der Europäischen Kommission allerdings noch annehmen und durch Gesetzgebung über Abfall und Verpackungen umsetzen. Regulierung auf internationaler Ebene sei dringend notwendig, um den Übergang zu einer neuen Wirtschaftsform zu beschleunigen, sagt WRF-Experte Bas de Leeuw. Das unterstützt Iain Gulland, Direktor der schottischen Regierungsinitiative Zero Waste Scotland. Auf Einladung der EU präsentierte er in Brüssel die ehrgeizige Kampagne des Landes, 70 Prozent des Abfalls bis 2025 zu recyceln, bis 2020 schon zu 60 Prozent.

"Wir brauchen diese EU-Initiativen, um einen Markt zu entwickeln und um Firmen zu bewegen, ein neues Wirtschaftsmodell zu adoptieren sowie neue Produkte zu entwickeln", sagt Gulland. "Das tun sie nicht nur für den kleinen Heimatmarkt, aber für einen größeren Markt. Mit dieser Agenda werden große und kleine Firmen sich langsam umstellen."

Alte Mobiltelefone (Foto: imago/imagebroker)
Auch gebrauchte Mobiltelefone sind wertvoll.Bild: imago/imagebroker

Ressourcen schonen, Konflikte vermeiden

Wasser und Energie gehören zu den wichtigsten Ressourcen, mit denen die EU-Kommission sparsamer umgehen will. WRF-Direktor de Leew nennt auch die Knappheit seltener Metalle als einen Hauptmotivationsgrund für den Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft. Gerade weil diese Ressourcen in Ländern außerhalb der EU und der USA zu finden seien, sei der Anreiz, sie effizienter zu nutzen, besonders groß.

Es gehe nicht nur um die Umwelt, sondern um die weltweite Wirtschaft und Sicherheit: "Über Jahrhunderte haben wir gesehen, dass es Konflikte geben kann, wenn Länder die Ressourcen, die sie brauchen, nicht bekommen. Dasmüssen wir mit unserer ganzen Kraft vermeiden."