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"Das 'C' in der Politik ist sehr anspruchsvoll"

Christoph Strack22. September 2016

Herbsttreffen der deutschen katholischen Bischöfe in Fulda. Sorgen bereitet ihnen die Politik und weniger die Ökumene. Denn es geht auch um die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung.

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Symbolbild Katholische Kirche: Gefaltete Hände eines Geistlischen (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Nein, zunächst scheut sich Kardinal Reinhard Marx. "Ich kann ja nicht jeden Tag die Äußerung von Generalsekretären kommentieren", sagt der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz. Aber dann wird er bei der Abschluss-Pressekonferenz des bischöflichen Herbsttreffens in Fulda doch sehr grundsätzlich. "Wenn sich eine Partei das Adjektiv christlich gibt, dann ist das sehr anspruchsvoll." Das sei schwer zu definieren und wurzele im Evangelium. "Und da erwarte ich auch, dass das gesehen wird."

Marx nennt, wenn die Frage immer mal wieder kommt in diesen Tagen in Fulda, den Namen von Andreas Scheuer nicht. Der CSU-"General"(sekretär), selbst katholisch, hatte mit einer leicht als abfällig zu verstehenden Bemerkung über die schwierige Abschiebung eines "Fußball spielenden, ministrierenden Senegalesen" für Empörung gesorgt. Vor allem bei den Kirchen, die in Bayern eine wichtige Säule der Flüchtlingsarbeit sind (und die Spitzen beider Großkirchen in Deutschland residieren ebenfalls in München). Aber Marx ärgert sich so, weil eben bei vielen Politikern eine falsche Sprache Einzug gehalten habe. Ihn sprächen, sagt er, des Öfteren Gemeindemitglieder an, die meinten, sie müssten sich schämen oder entschuldigen, dass sie sich für die Integration von Heimatlosen aus den Krisen der Welt engagierten.

"Radikalisierte Sprache"

In der politischen Debatte, so der Kardinal, habe sich mancherorts "die Sprache bedenklich radikalisiert" - bis hin zu "Überforderungs-, wenn nicht gar Untergangsszenarien". Die Bischöfe wollen selbst den Eindruck vermeiden, dass sie mehr schimpfen als tun. Marx verweist auf die Flüchtlingsarbeit vieler Gemeinden. Bischofskonferenz-Sprecher Matthias Kopp sagt, in den ersten sieben Monaten dieses Jahres hätten die Bistümer mindestens 79,5 Millionen Euro für die Flüchtlingsarbeit aufgewandt. Im gesamten Jahr 2015 seien es 112 Millionen Euro gewesen. Und am 29. September steht in Würzburg der zweite "Flüchtlingsgipfel" der deutschen Katholiken an. Im September 2015 stand das erste Treffen im Zeichen von Vernetzung und Informationsaustausch. Nun, zwölf Monate später, soll es um gesellschaftlichen Zusammenhalt gehen.
Dazu passt das Bemühen der Bischöfe, sich auch stärker den Armen in der Gesellschaft zu widmen. Das gehört zur aktuellen gesellschaftlichen Stimmung wie zum Schwung, den Papst Franziskus in der Kirche ausgelöst hat. Dieser Papst, das spürt man, tut den Bischöfen gut. Sie versuchen, das rüberzubringen. So setzen sie beispielsweise, auch jenseits der Flüchtlingsthematik, auf mehr sozialen Wohnungsbau und kirchliche Schulen an sozialen Brennpunkten.

Caritas-Präsident Peter Neher forderte, der Staat möge der Konkurrenz von armen Einheimischen und Flüchtlingen entgegenwirken. Auf dem Arbeits- wie Wohnungsmarkt. Kölns Kardinal Rainer Maria Woelki mahnte Offenheit der Kirche selbst an: "Solange Arme nur Hilfeempfänger sind, mit denen niemand etwas zu tun haben will, bleiben sie Ausgeschlossene."

Deutschland Kardinal Reinhard Marx in Fulda (Foto: picture-alliance/dpa/A. Dedert)
Kardinal Marx: "Ich kann ja nicht jeden Tag die Äußerung von Generalsekretären kommentieren."Bild: picture-alliance/dpa/A. Dedert

Natürlich bildete auch die Ökumene in Deutschland einen Schwerpunkt der Fuldaer Tage. So weit, dass bei einer der großen Gottesdienste einfach mal ein evangelischer oder orthodoxer Geistlicher predigt, ist es zwar noch nicht. Aber Kardinal Reinhard Marx und der Spitzenmann der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, wohnen in München nur einige Minuten voneinander entfernt, und sie "können" miteinander. Das ist bemerkenswert, denn Ende Oktober startet das Jubiläumsjahr zum 500. Jahrestag der Reformation. Und da schauen viele auf Deutschland.

Vor wenigen Tagen legten die beiden ein mehr als bemerkenswertes gemeinsames Dokument "Erinnerung heilen - Jesus Christus bezeugen" vor. Schon im Vorwort sprechen sie gemeinsam von "Reformationsjubiläum" - schon für die Verwendung dieses Begriffs hätte man vor vier Jahren im Plenarsaal der Bischöfe auf der "arme-Sünder-Bank" verschwinden müssen; da sprach man tapfer stets von "Reformationsgedenken". Und noch bevor Staat und evangelische Kirche (natürlich mit Marx und seinem Vor-Vorgänger Kardinal Lehmann) am 31. Oktober in Berlin gemeinsam feiern, gibt es etwas weiteres Einmaliges: je neun katholische und evangelische Würdenträger pilgern gemeinsam und ganz ökumenisch ins Heilige Land. Das gab es noch nie. Und am 11. März 2017 steht in Hildesheim ein gemeinsamer "zentraler Buß- und Versöhnungsgottesdienst" an.

Alles eitel Sonnenschein also zwischen den getrennten Kirchen? Nicht ganz. Binnen weniger Wochen legten beide Seiten eigene, von vielen klugen Köpfen über viele Jahre erarbeitete Bibel-Übersetzungen vor. Eine "Einheitsübersetzung" der Heiligen Schrift gibt es zwar seit über 30 Jahren, aber die verstaubt zumeist ungenutzt in den Regalen. Vereint feiern, getrennt lesen. Ein kleines Trauerspiel also zwischen den vielen bunten Stunden.